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Film

Nordmazedonien hofft auf Oscars mit "Honeyland"

3. Februar 2020

Drei Jahre Produktion, zwei Oscar-Nominierungen und eine Protagonistin, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Dokumentarfilm "Honeyland" begleitet eine Imkerin in Nordmazedonien durch ihr Leben in Abgeschiedenheit.

Imkerin bei der Arbeit
Bild: picture-alliance/Everet Collection/L. Stefanov

Hatidze, Mitte fünfzig, klein und schmächtig, überquert Schluchten und Flüsse, um dann in den erhabenen Bergen Nordmazedoniens zu klettern. Unter ihr - tiefe Schluchten in unentdeckten Landschaften des kleinen Landes in Südosteuropa. Es gibt keinen erläuternden Kommentar, kein Eingreifen ins Geschehen. Nur Hatidze und die Natur. Atemberaubend und emotional.

Dort oben leben ihre Bienenkolonien, versteckt in Felsspalten. Ohne Gesichtsschutz greift sie in die Bienenstöcke, sie redet mit den Bienen und singt für sie. "Nimm die Hälfte des Honigs und überlass den Rest den Bienen", so lautet eine alte Imkerregel. Nach dieser Tradition lebt Hatidze. Sie respektiert sie, lebt im Einklang mit der Natur - und mit ihrer bettlägerigen Mutter in einem winzigen Haus ohne Strom, fließend Wasser und Telefon. Drum herum - die einsamen Landschaften um den Fluss Bregalnica, abgeschnitten von der Außenwelt. Die nächste Stadt heißt Štip, 20 km entfernt. Sie ist nur zu Fuß oder mit einem Geländewagen zu erreichen.

Hatidzes stilles Leben ändert sich jedoch prompt, als eine siebenköpfige Nomadenfamilie einen Wohnwagen neben ihrem Haus parkt und sich dazu entschließt, fürs Erste dort zu blieben. Zu Beginn ist Hatidze erfreut über die Gesellschaft. Sie sind türkischstämmig, wie Hatidze auch. Sie sprechen dieselbe Sprache. Hatidze ist glücklich, bis die Familie ins Honiggeschäft einsteigt und die Imkertradition nicht befolgt. Wenn einer mit der Regel bricht, zahlen alle den Preis. Hatidze kriegt das zu spüren. 

"Honeyland" erzählt vom Leben in der Abgeschiedenheit NordmazedoniensBild: picture-alliance/Everet Collection/L. Stefanov

Produktion mit Hindernissen

Drei Jahre dauerten die Produktionsarbeiten für "Honeyland" ("Land des Honigs") - 100 Drehtage unter extremen Bedingungen. Wo sollen die Batterien der Kamera aufgeladen werden, wenn es keinen Strom gibt? Wie schläft man in Zelten bei eisiger Kälte? "Aber die größte Herausforderung war für mich, Material von über 400 Stunden zu schneiden, ohne die Sprache zu verstehen", sagt Atanas Georgiev, Filmeditor und Produzent, im DW-Interview. Hatidze, ihre Mutter und die Nomadenfamilie sprechen überwiegend Türkisch, eine Sprache, die mit der mazedonischen wenig Gemeinsamkeiten hat. "Die erste Version des Films habe ich komplett stumm geschnitten, wir wussten nicht worüber sie sprechen, wir hatten auf das Beste gehofft. Und dann, als wir Monate später das übersetzte Transkript bekommen haben, waren wir sehr glücklich, dass alles worauf wir gehofft hatten, da war", sagt Atanas Georgiev. In der Tat, so kurz die Gespräche zwischen Hatidze und ihrer Mutter sind, so tief und berührend ist der Inhalt.

Müssen miteinander auskommen: Protagonistin Hatidze und die zugezogene FamilieBild: picture-alliance/Everet Collection/L. Stefanov

Einblick in das unbekannte Nordmazedonien

Der Dokumentarfilm wurde in einer Gegend von Nordmazedonien gedreht, die fast unbewohnbar ist und ziemlich unbekannt. "Wir mussten zunächst für uns selbst die Gegend erforschen, verstehen wie Menschen wie Hatidza dort leben", sagt Tamara Kotevska, die zusammen mit Ljubomir Stefanov Regie geführt hat.

Dieses Land habe so viele unbekannte Orte und natürliche Ressourcen, sagt die Regisseurin. Sie hofft, durch den Dokumentarfilm die Aufmerksamkeit für Nordmazedonien zu wecken: "Wir neigen hier dazu die Sachen, die wir brauchen, außerhalb zu suchen, aber wir könnten hier alles haben. Ich reise sehr viel und egal wie weit und wie lang ich von Zuhause weg bin, begleitet mich stets der Gedanke, dass ich zurückkehre. Ich liebe es, durch Mazedonien zu reisen. Es ist so inspirierend."

Der Film zeigt nicht nur die unerforschten Landschaften, sondern auch die alten Traditionen, wie etwa die Pflege der Eltern. Eines der Kinder bleibt immer bei den alternden Eltern und kümmert sich bis zum Schluss. Auch Hatidze, deren Brüder weit weg von dem Geburtshaus leben, versorgt ihre Mutter. Die Beziehung zwischen den beiden ist so aufopferungsvoll, so liebevoll und rührend. Der Tod der Mutter und der Umgang damit ist einer der stärksten Momente im Film.

Eine starke Bindung: Hatidze und ihre MutterBild: picture-alliance/Everet Collection/L. Stefanov

Dokumentarfilmindustrie auf dem Balkan

"Honeyland" ist die zweite Oscar-Nominierung für Nordmazedonien. Zuletzt wurde 1994 der mazedonische Regisseur Milcho Manchevski mit seinem Film "Before the Rain" nominiert. Seitdem wurde es still um die Filmindustrie in Nordmazedonien.

"Zu viel Arbeit, zu viel Enthusiasmus und nur selten ein Erfolg", sagt Tamara Kotevska. Ihr Kollege und Produzent des Films, Atanas Georgiev, drückt es so aus: "Ich mache seit über 20 Jahren Dokumentarfilme und ich hatte mir geschworen, dass das mein letzter wird. Denn ich dachte, dass er wie alle davor zwar gut wird, aber am Ende eben doch erfolglos. Die Produktion von Dokumentarfilmen hierzulande existiert fast nicht. Dokumentarfilme gelten nicht als förderungswürdig, sie haben keine Priorität in einer Industrie, in der alle nur Spielfilme machen wollen. Aber ich hoffe, dass wir diese Denkweise mit 'Honeyland' ein stückweit geändert haben."

Schon die Oscar-Nominierung ist ein Erfolg

Der Film "Honeyland" ist in zwei Kategorien für die Oscars nominiert. Die Freude darüber erfasste nicht nur Nordmazedonien, der ganze Balkan drückt die Daumen. Auf den Social-Media-Kanälen ist die Solidarität groß. Am 9. Februar wissen wir mehr. Gewonnen hat der Film aber jetzt schon allemal.

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