Nordmazedonien: Die Probleme bleiben
20. August 2020Als die Sozialdemokratische Partei Nordmazedoniens (SDSM) und die größte Partei der albanischen Minderheit, die Demokratische Union für Integration (DUI), im Mai 2017 eine Regierung bildeten, war die Bevölkerung des Balkanlandes voller Hoffnung. Immerhin wurde so nach zehn Jahren die Herrschaft der nationalistischen Inneren Mazedonische Revolutionäre Organisation - Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPMNE) und ihres Premierministers Nikola Gruevski beendet. Doch mehr als drei Jahre später wird nun die Nachricht, dass die beiden Parteien Nordmazedonien weiter regieren können, eher Enttäuschung als mit Optimismus aufgenommen.
Die Koalitionsvereinbarung kam einen Monat nach dem Wahlsieg der Sozialdemokraten zustande. Bei den Wahlen hatte sich die SDSM von Premier Zoran Zaevs mit 46 Mandaten nicht genügend der 120 Parlamentssitze sichern können, um aus eigener Kraft eine Regierung zu bilden. Zusammen mit den 15 DUI-Abgeordneten haben sie eine sehr knappe Mehrheit von einer Stimme.
Aber die winzige Parlamentsmehrheit ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass Nordmazedonien politische Instabilität droht. Bereits bei den Wahlen hatte die Enttäuschung der Bevölkerung über das Versagen der Regierung angesichts der Corona-Pandemie zur niedrigsten Beteiligung in der Geschichte des Landes geführt. Das hatte die Bildung einer Koalitionsregierung überhaupt erst notwendig gemacht.
"Unser Staat wird weiterhin sicher, geschützt, fortschrittlich und erfolgreich sein", so der alte und neue Premier Zoran Zaev am Dienstag (18.08.2020) anlässlich der Bekanntgabe der Koalition bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit DUI-Parteichef Ali Ahmeti. Ahmeti, ein ehemaliger Guerillakämpfer, dessen Partei die Mehrheit der ethnischen Albanerinnen und Albaner in Nordmazedonien vertritt, reagierte mit ähnlichen Floskeln - eine komplette Kehrtwende angesichts der Angriffe, die er während des Wahlkampfes und im letzten Jahr der Vorgänger-Regierung in Richtung Sozialdemokraten losgelassen hatte.
Historische Abkommen
Dabei war die SDSM und DUI in den vergangenen drei Jahren durchaus erfolgreich. Unter Führung von Zaev gelang es der -Koalitionsregierung, historische Abkommen mit den Nachbarn Griechenland und Bulgarien abzuschließen. Der Begriff „Nord“ wurde in den bisherigen Namen des Landes – Republik Mazedonien - aufgenommen, was den Weg zur Vollmitgliedschaft in der NATO und zum Beginn von EU-Beitrittsgesprächen ebnete. Zudem wurden einige innenpolitische Reformen durchgeführt – aber Nordmazedonien ist nach wie vor weit von dem entfernt, was das Land in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Korruptionsbekämpfung erreichen will.
Der international als neuer Polit-Reformstar der Balkans gepriesene Zaev geriet innenpolitisch zwischen Kritiker aus der politischen Rechten, die sich nach der Namensänderung ihrer nationalen Identität beraubt fühlten, und Liberalen, die mit dem Reformtempo der Regierung unzufrieden waren.
Komplizierter Verhandlungen
Da er während des stark polarisierten Wahlkampfs nicht in der Lage war, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Lagern herzustellen, beschloss Zaev, der nationalistischen Erzählung der Opposition entgegenzuwirken, indem er den Namensdeal außenpolitisch verteidigte - und gleichzeitig seinen albanischen Koalitionspartner für den mangelnden Erfolg der Reformen im Land verantwortlich machte. Die DUI reagierte mit einer nationalistischen Agenda und forderte einen albanischen Regierungschef als Bedingung für jede künftigen Regierungsbeteiligung.
Wochen komplizierter Verhandlungen endeten nun mit einem Kompromiss: Zaev wird Premier für eine volle Amtszeit, also voraussichtlich bis 2024 - wird aber sein Amt 100 Tage vor der nächsten Wahl an die DUI abgeben. Das mag in der Theorie gut klingen, aber die praktische Umsetzung lässt viele Fragen offen.
Pro-europäische Orientierung nicht gefährdet
Nordmazedoniens neue Regierung basiert auf Bequemlichkeit und Notwendigkeit. Nicht, dass in der Politik Romantik zu erwarten wäre - aber die jüngste Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Regierungsparteien und ihre Koalitionsvereinbarung selbst zeigen, dass sowohl SDSM als auch DUI eher früher als später nach anderen, geeigneteren Partnern im Parlament suchen werden.
Aus Sicht der Sozialdemokraten ist die Partei der albanischen Minderheit nicht bereit, eine wirklich reformistische Regierungsagenda zu unterstützen und durchzusetzen, die Nordmazedonien den Weg zu einer EU-Vollmitgliedschaft öffnen würde. Auf der anderen Seite sieht die DUI in Zaev und seiner Politik der "einen Gesellschaft für alle" eine Gefahr für die weitere Förderung der Rechte der ethnischen Albaner im Land - und ihrer eigene Existenzberechtigung als selbsternannter Verfechter dieser Rechte.
Während die pro-europäische Orientierung des Landes in keinem Szenario gefährdet ist, könnten die internen Querelen zwischen den Regierungsparteien zu einem schnellen Ende der Koalition führen. Möglicherweise steht dieses Ende noch vor den Kommunalwahlen an, die irgendwann im Herbst nächsten Jahres stattfinden sollen.