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Politik

"Hate Speech ist kontraproduktiv"

8. Juli 2021

Provokationen gegen Bulgarien behindern Nordmazedoniens EU-Beitrittsverhandlungen, sagt Bulgariens Außenminister Swetlan Stoew. Die Annexion der Krim erzwingt eine westliche Abwehr gegen Russlands Hegemoniebestreben.

Bulgarien Außenminister Svetlan Stoev
Bulgariens Außenminister Swetlan StoewBild: Dimitar Kyosemarliev/BGNES

DW: Die bulgarische Interimsregierung hat die Position Bulgariens gegenüber Nordmazedonien nicht geändert. Warum blockiert Sofia weiterhin den Start der EU-Verhandlungen mit seinem westlichen Nachbarland?

Swetlan Stoew: Bulgarien ist immer davon ausgegangen, dass ein Fortschritt in den bilateralen Beziehungen mit der Republik Nordmazedonien nur durch einen ehrlichen, ergebnisorientierten Dialog möglich ist. Die Interimsregierung folgt weiterhin unserer nationalen Position zur EU-Perspektive Nordmazedoniens, die das Parlament und die vorherige Regierung verabschiedet haben.

Diese Position ist nicht konjunkturbedingt, sondern objektiv grundiert von den Problemen, die das Nichterfüllen des bilateralen Vertrages von 2017 seitens unseres Nachbars erzeugt. Sie war ja nicht nur von allen im 44. Parlament vertretenen politischen Parteien, sondern auch von der großen Mehrheit der bulgarischen Bürger unterstützt.

Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev (l.) und der bulgarische Interimsregierungschef Stefan Janew im Juni in SofiaBild: Government North Macedonia

Wir haben uns redlich bemüht, den normalen Dialog und das Vertrauen zwischen den beiden Ländern wiederherzustellen. Zudem haben wir in den letzten Monaten auch den Dialog mit unseren europäischen Partnern aktiver gestaltet, damit unsere Position zum Vertragsrahmen mit der Republik Nordmazedonien verständlicher wird. Ich glaube, unsere EU-Partner verstehen allmählich, dass ein Konsens notwendig ist, damit sich alle Staaten komfortabel fühlen und Teil der Lösung werden können.

Darum müssten sich selbstverständlich beide Länder bemühen. In diesem Sinne allerdings sind andauernde Provokationen und öffentlich vorgetragene Hate Speech gegen Bulgarien in der Republik Nordmazedonien kontraproduktiv.

Und wie steht die Interimsregierung zur EU-Perspektive des gesamten westlichen Balkans? Ist Sofia bereit, die EU-Integration der Region tatkräftig zu unterstützen?

Die Zukunft der Westbalkanstaaten liegt in der EU. Und Bulgarien hat ein echtes Interesse daran, dass unsere Nachbarn ein Teil der europäischen Familie werden. Die heutige Diskussion über einen Start von Verhandlungen mit den Westbalkanstaaten wurde ja erst mit der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft möglich.

Dank unserer Bemühungen wurde das Thema EU-Integration des Westbalkans wieder ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt - nach einer Pause von 15 Jahren. Der EU-Erweiterungsprozess ist aber keinesfalls ein Automatismus. Das wichtigste Kriterium dabei ist der Fortschritt des jeweiligen Staates. Deswegen ist es weder möglich noch angebracht, eine Erweiterungsreihenfolge zu bestimmen.

Die Westbalkanstaaten haben noch mehrere Herausforderungen zu meistern. Es sind teilweise dieselben Herausforderungen, die auch Bulgarien vor seinem EU-Beitritt überwinden musste, teilweise aber auch solche, die mit dem jugoslawischen Erbe zu tun haben. Hier meine ich vor allem die regionale Zusammenarbeit und die gutnachbarschaftlichen Beziehungen.

Die Spannungen im Schwarzen Meer sind sichtbar gewachsen. Wie schätzen Sie die Sicherheitslage ein, welche Gefahren bestehen?

In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Schwarzmeerregion aufgrund geopolitischer und militärischer Herausforderungen tatsächlich massiv verändert. Die russische Aggression gegen Georgien 2008 und der Konflikt mit der Ukraine inklusive der rechtswidrigen Annexion der Krim 2014 waren Wendepunkte in Bezug auf die Sicherheitslage im Schwarzen Meer. Die schnelle Modernisierung der russischen Schwarzmeerflotte und die Militarisierung der Krim erhöhen das Sicherheitsrisiko und erzwingen eine Abwehr gegen die russischen Versuche, eine regionale Hegemonie aufzubauen.

Swetlan Stoew (geb. 1960) ist ein bulgarischer Karrierediplomat. Er war unter anderem Botschafter seines Landes in Deutschland, in Schweden und in Dänemark.

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