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Angst vor brutalen Mobs

Jan-Philipp Scholz28. August 2016

Eine Menschenmenge hat im Norden Nigerias acht Menschen getötet, weil sich ein Student angeblich verächtlich über den Islam geäußert hat. Einige Christen sehen darin einen gefährlichen Trend in der Region.

Gewaltsame Proteste in Kaduna, Nigeria, 2012 (Foto: AFP/GettyImages)
Immer wieder kommt es in Nordnigeria, wie hier in Kaduna im September 2012, zu religiösen AusschreitungenBild: Getty Images

Er wollte helfen - und verlor fast seine ganze Familie: Ein wütender Mob aus Studenten hatte sich in der nordnigerianischen Kleinstadt Talata Mafara gebildet, weil sich einer ihrer Kommilitonen angeblich herablassend über Prophet Mohammed geäußert hatte. Der Anwohner eilte dem jungen Mann zu Hilfe und brachte ihn ins Krankenhaus. "Als die Studenten erfuhren, dass das Opfer noch nicht tot ist, haben sie erst die Klinik verwüstet. Dann zogen sie weiter zum Privathaus des Helfers, sperrten seine Frauen und Kinder im Haus ein und zündeten es dann an", so Abdulaziz Yari Abubakar, der Gouverneur der Region, im Gespräch mit der DW. Acht Menschen starben in den Flammen.

"Angriffe von Tag zu Tag grausamer"

Tags darauf ließ Bischof David Bakare, regionaler Vorsitzender des Verbands christlicher Kirchen in Nigeria (Christian Association of Nigeria, CAN), auf einer Pressekonferenz seinem Ärger freien Lauf. Die Angriffe auf die christliche Minderheit im muslimisch geprägten Norden Nigerias würden von Tag zu Tag grausamer und die einzige Reaktion der Regierung seien leere Versprechungen. "Wir brauchen Taten. Die Verantwortlichen müssen sich endlich vor Gericht verantworten", so der Geistliche.

Schon 2012 starben im Norden Nigerias viele Menschen bei Zusammenstößen christlicher und muslimischer JugendgangsBild: Getty Images

Einige Wochen vor dem Angriff in Talata Mafara wurde eine junge Händlerin auf einem Markt in der nordnigerianischen Metropole Kano von einem wütenden Mob getötet. Nur wenige Tage davor hatte im zentralnigerianischen Pandogari eine aufgebrachte Menschenmenge mehrere Personen getötet und viele weitere verletzt. Hinzu kommen zahlreiche Angriffe auf Kirchengebäude und andere christliche Einrichtungen. Der Auslöser der Gewalt ist immer derselbe: vermeintliche Gotteslästerung und Beleidigung des Propheten.

Christliche Kirche vereint in der Sorge

Bischofs Bakares Verband CAN, in dem sich zahlreiche in Nigeria vertretene christliche Kirchen zusammengeschlossen haben, ist in der Vergangenheit durch interne Streitigkeiten und missverständliche Äußerungen selbst mehrfach in die Kritik geraten. 2006 hatte ein Vertreter der Organisation verkündet, dass "Moslems kein Monopol auf Gewalt hätten". Kritiker sahen darin einen indirekten Aufruf zu Gewalt. Die CAN distanzierte sich später von der Äußerung.

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In ihrer Besorgnis über die jüngsten Angriffe in Nordnigeria herrscht in Nigerias christlicher Gemeinschaft jedoch Einigkeit. Die Entwicklung sei "beängstigend", findet auch Pastor James Wuye vom Interreligiösen Mediationszentrum in Kaduna. Wuye zeigt sich dennoch erleichtert, dass sich nach dem jüngsten Angriff in Zamfara wichtige muslimische Organisationen, unter anderem die einflussreiche nigerianische Gemeinschaft für die Förderung des Islam (Society for the Support of Islam), klar von der Gewalt distanziert haben.

Jugendgruppen von Radikalen unterwandert

Pastor Wuye weiß, wovon er spricht. Als in seiner Heimatstadt Kaduna in den Neunziger Jahren schwere Unruhen zwischen Christen und Moslems ausbrachen, gehörte er selbst einer radikalen christlichen Jugendgruppe an und verlor bei Zusammenstößen seinen rechten Arm. Später versöhnte er sich mit einem seiner ehemaligen Gegner, Imam Muhammad Ashafa, und gründete gemeinsam mit ihm das interreligiöse Zentrum.

Früher Feinde, heute Kollegen: Pastor Wuye (links) und Imam AshafaBild: Katrin Gänsler

Für den Pastor geht auch heute noch eine der größten Gefahren von Jugend- und Studentengruppen in Nigeria aus. "Es gibt eindeutig Menschen, die diese Gruppen infiltrieren und radikalisieren", so Wuye im DW-Gespräch. Deshalb müsse man die Organisationen genau im Blick behalten und ihre Mitglieder darin schulen, radikalen Strömungen zu wiederstehen. Religiöse Jugendorganisationen - sowohl islamische als auch christliche - müssten sich stärker als bisher für ein friedliches Zusammenleben der Religionen einsetzen, so der Pastor.

Dies sei besonders wichtig, da in Nigeria mittlerweile auch ursprünglich nicht-religiöse Konflikte eine religiöse Dimension bekämen. So stellen Medien Konflikte zwischen Hirten aus dem überwiegend muslimisch geprägten Norden mit Ackerbauern aus dem mehrheitlich christlichen Süden inzwischen vor allem als Zusammenstoß der Religionen dar. "Nigeria darf nicht zu einem religiösen Schlachtfeld verkommen", sagt Wuye. "Wenn das passiert, dann wird es wirklich gruselig."

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