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Politik

Misstrauen in Wuhan

William Yang
31. März 2020

Zuerst wurde Wuhan von der Corona-Epidemie überrollt, dann von den Quarantänemaßnahmen der Regierung. Die hat jetzt die Rückkehr zur Normalität ausgerufen. Viele Einwohner sind skeptisch. William Yang aus Taipeh.

China Wuhan | Coronavirus | Paar in Schutzanzug
Bild: Getty Images/AFP/N. Celis

In der zentralchinesischen Millionenstadt Wuhan, wo das neuartige Coronavirus zuerst auftrat, kehrt allmählich wieder Normalität des Alltagslebens ein. Vergangene Woche hatte die Regierung in Peking die Beendigung der massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Wuhan angekündigt. Die Busse fahren wieder, sechs von neun U-Bahnlinien haben wieder den Betrieb aufgenommen.

Nach über zwei Monaten Ausgangssperre ist das Umschalten in den Normalmodus für viele Einwohner aber nicht so einfach, wie Ben der DW bestätigt. Ben lebt in einer Wohngemeinschaft und arbeitet im Immobiliengeschäft. Er sagt, dass er noch etwas Zeit brauche, bevor er sich wieder unter Menschen wohlfühle. Er lässt auch eine gewisse Skepsis erkennen, was den "Sieg" über Corona betrifft: "Früher bin ich am Wochenende gerne mit Freunden ins Kino oder zu irgendwelchen Veranstaltungen gegangen. Aber bevor die Epidemie nicht wirklich vorbei ist, bleibe ich lieber noch zu Hause."

Sechs von neun U-Bahn-Linien fahren nach PlanBild: picture-alliance/Xinhua/S. Bohan

Licht und Schatten im Rückblick

Ben und sein Wuhaner Mitbürger Eric - beide wollten für diesen Artikel nicht mit ihren richtigen Namen zitiert werden -  ziehen eine gemischte Bilanz der Handhabung der Krise durch Regierung und Behörden.  "Abriegelung und Ausgangssperren waren notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie",  sagt Ben. "Aber die Zentralregierung hatte keinen Mechanismus eingerichtet, um den Bedürfnissen der Menschen in dieser Extremsituation gerecht zu werden. Sie mussten sich selber Hilfe suchen."

Eric sagt, er erinnere sich noch an die Verzweiflung von Familien, deren Mitglieder je nach Symptomen und Alter zur Behandlung getrennt wurden. "Die Rechte der Einwohner von Wuhan wurden am Anfang von der Regierung völlig missachtet", stellt der Ingenieur und Familienvater gegenüber der DW fest.

Andererseits habe die Regierung zur Eindämmung der Epidemie konsequent auf die Einwohner in den jeweiligen Stadtvierteln gesetzt. "Freiwillige und örtliche Behördenmitarbeiter wurden mobilisiert, um bei den Haushalten telefonisch die Einhaltung der Ausgangssperre zu kontrollieren. Diese Leute haben auch die Einkäufe von Medikamenten und Dingen des alltäglichen Bedarfs für die Familien erledigt. Diese lokalen Helfer haben uns entscheidend während des Virusausbruchs über Wasser gehalten", sagt Eric.

"Mahlzeit!" - Mittagspause in einem Wuhaner AutowerkBild: AFP

Jetzt nicht die Zeit für "Siegesfeier"

Seit Anfang März stellt die Pekinger Führung ihren "Sieg" über die Corona-Epidemie heraus, sowohl nach innen wie nach außen.  Aber für die Bürger von Wuhan gibt es wichtigeres als Siegesfeiern.  "Ich will nichts von dem 'großen Sieg' der Regierung über das Coronavirus hören", stellt Ben klar. "Man sollte jetzt über die Fehler nachdenken, die die Regierung in den letzten zweieinhalb Monaten gemacht hat, die Ursachen der Epidemie beziehungsweise Pandemie erforschen und versuchen, einen besseren Mechanismus zur Prävention zu etablieren."

In den vergangenen Tagen wurde offiziell keine einzige Neuinfektion in der Provinz Hubei, wo sich Wuhan befindet, gemeldet. Einwohner fragen sich jedoch, ob das der Realität entspricht. Eric verweist darauf, dass am Anfang der Epidemie Krankenhäuser in Wuhan oftmals Patienten trotz Symptomen nicht getestet und behandelt hätten, mit der Folge, dass viele davon starben. Solche Fälle seien nicht in die Statistiken über Corona-Tote eingegangen. 

Bahn-Mitarbeiter desinfiziert den Hauptbahnhof in Hankou, einem von drei Stadtteilen WuhansBild: AFP/STR

Wie glaubwürdig sind die offiziellen Zahlen?

"Die meisten Leute in Wuhan, auch Regierungsanhänger, trauen den offiziellen Zahlen nicht", meint Eric. Er und viele seiner Bekannten seien überzeugt, dass nur deshalb keine neuen Fälle gemeldet würden, weil die Regierung ihre Entscheidung begründen müsse, für die Wirtschaft wieder grünes Licht zu geben. Es gebe immer noch "Berichte über neue Fälle in Wuhan, darunter Patienten, die positiv getestet wurden, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden."

Aber von der Glaubwürdigkeit der offiziellen Zahlen hängt viel ab, sagt Ben, nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit der chinesischen Regierung. "Die Menschen brauchen wahre Informationen, um die Risiken einschätzen zu können. Was ist, wenn es zu einem Viren-Ausbruch in Wuhan kommt? Diese Frage beunruhigt hier viele, während die Regierung uns gleichzeitig dazu drängt, wieder an unsere Arbeitsplätze zu gehen."