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Note 2 reicht nicht fürs DFB-Team

Tobias Oelmaier
1. Januar 2020

Nach der Pleite bei der WM 2018 will sich die deutsche Fußball-Elf bei der Euro 2020 von einer besseren Seite zeigen. Dafür braucht es vor allem Gesundheit der Spieler, denn titelreif ist die Mannschaft noch nicht.

EM Quali Deutschland Weißrussland
Bild: Imago-Images/J. Huebner

Leroy Sané und Niklas Süle gelten als zwei Symbolfiguren des Neuaufbaus der deutschen Nationalmannschaft. Blöd nur, dass beide seit Monaten verletzt sind. Sané sollte vorne für Überraschungsmomente sorgen, den Unterschied machen zu den anderen Fußball-Nationen mit Titelanspruch, Süle die Abwehr dirigieren. Nun aber kämpfen sie um den Anschluss, Sané ist schon etwas weiter in der Genesung vorangeschritten nach seinem Kreuzbandriss als Süle, den die gleiche Knieverletzung plagt. Ob sie es rechtzeitig bis zur Europameisterschaft im Frühsommer schaffen, steht in den Sternen.

Sané und Süle sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Auch andere Nationalspieler wurden immer wieder durch gesundheitliche Rückschläge gebremst - und damit auch der Umbruch im DFB-Team von Joachim Löw: "Uns haben in diesem Jahr vor allem Kontinuität und Konstanz gefehlt", konstatierte der Bundestrainer denn auch jüngst. "Jede Mannschaft, die irgendwann mal einen großen Titel gewinnen will, braucht Automatismen. Da sind wir ein bisschen im Hintertreffen, weil immer wieder andere Spieler auf dem Platz oder im Kader waren."

Schwere EM-Gruppe

Dennoch würde Löw seiner Mannschaft für das abgelaufene Länderspieljahr die Note 2 geben, nach der doch noch souverän gemeisterten EM-Qualifikation: "Man spürt eine große Energie in der Mannschaft, einen guten Teamgeist, und man spürt Lust auf Erfolge und gute Spiele." Ob allerdings diese "Soft Skills" reichen, um in der starken Vorrundengruppe der kontinentalen Titelkämpfe weiterzukommen? Mit Frankreich und Portugal sind zwei europäische Fußball-Großmächte die Hauptkonkurrenten, der vierte Gegner wird im Frühjahr ermittelt.

Sorgenkind Nummer 1: Niklas Süle, neben Bundestrainer Joachim LöwBild: picture-alliance/dpa/A. Korotayev

Geht es nach der Platzierung in der Weltrangliste, so muss sich das DFB-Team in den drei EM-Spielen in München gewaltig strecken, um das Achtelfinale sicher zu erreichen. Da ist Weltmeister Frankreich momentan Zweiter, Europameister Portugal wird auf Position sieben geführt, während Deutschland vor allem nach der Pleite bei der WM in Russland und dem schwachen Auftreten in der neuen UEFA Nations League nur auf dem 15. zu finden ist. "Jede Mannschaft muss wahrscheinlich übers Limit gehen, um sich durchzusetzen", sagt Löw denn auch.

Löw: "Brauchen noch Zeit"

Toni Kroos, einer der wenigen im Kader verbliebenen Weltmeister von 2014, sieht sein Team für die EM nicht im Favoritenkreis: "So realistisch müssen wir sein", sagte Kroos im einem Interview des Deutschen Fußball-Bundes. "Aber das sage ich Stand heute. Außerdem heißt das nicht, dass wir nicht große Ambitionen und hohe Ziele haben. Wir wollen ein Wörtchen mitreden, wir haben den Anspruch, weit zu kommen." Dem pflichtet der Bundestrainer bei: "Die Entwicklung - individuell und als Mannschaft - ist noch nicht abgeschlossen. Wir brauchen noch Zeit", sagt Löw. "Bei einem Turnier hängt es auch davon ab, wie die Spieler in solchen Phasen wachsen, wie die Energie ist, das Spielglück, ob es Verletzungen gibt."

Viel hängt auch von der Stimmung im Team ab. Und von anderen Unwägbarkeiten. Vor der WM 2018 wurde die Mannschaft nicht zuletzt durch die Özil/Erdogan-Affäre aus dem Tritt gebracht, dazu von den Diskussionen, ob der gerade wieder fit gewordene, aber ohne Spielpraxis angereiste Manuel Neuer im Tor stehen solle oder doch der aufstrebende Marc-André ter Stegen. Löw entschied sich seinerzeit für den routinierten Bayern-Torwart Neuer, den Titelverteidiger, der auch als einer der wenigen tatsächlich Normalform erreichte in Russland.

Sorgenkind Nummer 2: Leroy Sané kämpft sich nach seinem Kreuzbandriss zurück aufs SpielfeldBild: picture-allinace/AP/F. Augstein

T-Frage ist offenbar geklärt

Auch in diesem Jahr flammte die Torhüter-Diskussion wieder auf. Neuer oder ter Stegen? Neuer hat momentan die Nase vorn, sollte er sich nicht verletzen, wird er wohl als Nummer 1 ins erste paneuropäisch ausgetragene Turnier der UEFA-Geschichte gehen. Der 33-Jährige hält das Problem sowieso für aufgebauscht, offenbarte er kürzlich dem "Kicker": "Ich hatte noch nie ein Problem mit Marc", beteuerte Neuer. Von dieser Front scheint also keine Gefahr zu drohen.

Wie also stehen die Titelchancen bei der EM? Joachim Löw hält sich zurück nach den Erfahrungen aus den vergangenen beiden Turnieren: "Man darf aber nicht vergessen, dass es Mannschaften gibt, die schon länger zusammenspielen und uns somit auch einen Schritt voraus sind. Dazu zählen Frankreich, die Niederlande, England, Italien."

Kann sich Löw halten?

Allerdings - trotz dieser Voraussetzungen, wird Löw liefern müssen bei der Euro. Ein weiteres Aus wie in Russland oder bei der EM zuvor in Frankreich wird man auch dem Weltmeister-Trainer nicht nachsehen. Mit der Trennung von den meisten der populären 2014-er-Helden hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Ein Ausscheiden nach der Vorrunde, und der dann 60-Jährige wäre nicht mehr zu halten.

Das weiß auch Joachim Löw. Es geht eben nicht nur um die Perspektive seiner Mannschaft, sondern um messbare, unmittelbare Erfolge. Es wird also eine Note 1 seiner Mannschaft vonnöten sein. Und die ist nur dann möglich, wenn sein Team im neuen Jahr von Verletzungen weitgehend verschont bleibt.

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