Die berühmte Kathedrale von Paris hatte einen einzigartigen Klang. Forscher wollen ihn wiederherstellen. Zum Jahrestag des Großbrandes veranstalten sie ein Konzert in der virtuellen Notre-Dame.
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Notre-Dame von Paris - Geschichte eines Wahrzeichens
Vor ihr bildeten sich täglich lange Schlangen. Notre-Dame von Paris gilt als beliebtere Touristenattraktion als der Eiffelturm. Nun zerstörte ein Brand Teile des geschichtsträchtigen Wahrzeichens im Herzen von Paris.
Bild: Getty Images/AFP/G. van der Hasselt
Höhepunkt der Gotik
Im Jahr 1163 gab der Pariser Bischof Maurice de Sully den Auftrag, eine Kathedrale zu errichten. Der Standort mitten in Paris war nicht zufällig gewählt. Zuvor befand sich an derselben Stelle ein römischer Tempel. Der Bau erstreckte sich über zwei Jahrhunderte und musste mehrere Plünderungen erleben. Zuerst wurde der Chorbereich errichtet. 1220 gab es den ersten Gottesdienst.
Bild: picture-alliance
Kathedrale in Toplage
Für den Bau der Kathedrale wurde eigens eine neue Straßenachse angelegt. Bischof Maurice de Sully wollte mit dem hellen Kalksandsteinbau an der Spitze der Seineinsel ein Zeichen setzen. Die 69 Meter hohen Zwillingstürme entstanden aus teuren Materialien und sollten edel aussehen. Dafür wurden viele Spenden von Parisern eingesammelt.
Bild: picture-alliance/S. Gabriel
Blick über Paris
Im nächsten Bauabschnitt entstand das Langhaus, dessen Dach nun in Flammen aufgegangen ist. Imposant sind die zwei flachen Türme. Obwohl die Kathedrale Notre-Dame de Paris das meistbesuchte Bauwerk der französischen Hauptstadt ist, zahlt der Staat zu wenig Geld für den Unterhalt. An vielen Stellen bröckelte die Bausubstanz.
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Foreix
Zahn der Zeit
Wahrscheinlich sind Reparaturarbeiten im Dach für den Brand verantwortlich. Schon 2013, zum 850. Geburtstag von Notre-Dame, zeigte sich, dass die Strebebögen von Witterung und Luftverschmutzung angefressen waren. Seitentürmchen mussten behelfsweise gestützt werden. 100 Millionen Euro wurden für die Renovierung beziffert. Das gotische Strebesystem stützt von außen das Hauptgewölbe.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Böhmer
Victor Hugo machte sie berühmt
128 Meter Länge und 33 Meter Höhe misst die Kathedrale. Der französische Schriftsteller Victor Hugo stellte Notre-Dame in den Mittelpunkt seines 1831 veröffentlichten Erfolgsromans "Der Glöckner von Notre-Dame". Schon in diesem Buch, das von dem missgestalteten Glöckner Quasimodo und seiner Liebe zur Zigeunerin Esmeralda erzählt, bemängelt Hugo den kritischen Zustand der Kirche.
Bild: Patrick Kovarik/AFP/Getty Images
Neue Glocken
Zum 850. Geburtstag im Jahr 2013 wurden die Glocken, die Quasimodo im Roman läutete, aus den Türmen entfernt. In einer Gießerei wurden neun neue Glocken gegossen. Zur Einweihung standen noch mehr Menschen vor Notre-Dame Schlange.
Bild: AFP/Getty Images
Renovierung vor mehr als 100 Jahren
Im 19. Jahrhundert wurde die Kathedrale von Violett-le-Duc renoviert. Er fügte die sogenannte Chimären-Galerie hinzu. So heißen die steinernen Fantasievögel und Fabelwesen an den Ecken der Balustrade. Die Touristen konnten innen wie außen aber auch die berühmten Rosettenfenster bewundern.
Bild: picture-alliance
Prachtvolle Fenster
Im Innern ließ sich bislang die Farbwirkung der Rosettenfenster noch besser erspüren. Ein tiefes Blau, aber auch ein dunkles Rot dominierte die Lichtflut. Alles in dem Bau strebt nach oben - das Erbe der Gotik. Aber auch in späteren Epochen wie Renaissance und Barock wurde die Kirche weitergebaut und an die jeweilige Zeit angepasst. Doch die Gotik ist das vorherrschende Stilmittel.
Bild: picture-alliance
Notre-Dame brennt lichterloh
An der Kathedrale laufen aufwändige Renovierungsarbeiten, als am 15. April 2019 ein verheerendes Feuer auf dem Dachboden ausbricht. Das Dach und der höhere, spitze Turm in der Mitte des Hauptschiffs fallen in sich zusammen. Noch während der Brand in dem historischen Gemäuer tobt, verspricht Staatspräsident Emmanuel Macron "Wir werden Notre-Dame wieder aufbauen".
Bild: Getty Images/AFP/G. van der Hasselt
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Noch ist die Kathedrale weit davon entfernt, wieder für Gläubige oder für Touristen zu öffnen. Frühestens im Jahr 2024 soll sie wieder betretbar sein. Doch auch dieser Termin ist nicht sicher. Seit dem Corona-Lockdown ruhen sämtliche Bauarbeiten an Notre-Dame.
Der Großbrand am 15. April 2019 zerstörte nicht nur einen Großteil des Dachs und des Vierungsturms aus dem 19. Jahrhundert, sondern auch die einzigartige Akustik von Notre-Dame. Ohne Brian Katz, Forscher des renommierten Centre National de Recherches Scientifiques (CNRS) und der Sorbonne in Paris, wäre sie wohl für immer verloren. Und damit ein Stück Musikgeschichte. Denn der Klang von Notre-Dame zählt zum akustischen Kulturerbe Frankreichs. Im 12. Jahrhundert war die Kathedrale Geburtsort der mehrstimmigen Musik. Die sogenannte Schule von Notre-Dame fand damals Bewunderer in der ganzen Welt.
Notre-Dames Akustik wiederherstellen
Brian Katz gehört zu einem Team von Experten, die beim Wiederaufbau der Kathedrale beratend zur Seite stehen - neben einer großen Anzahl von Ingenieuren, Restauratoren, Kunsthistorikern, Architekten und Naturwissenschaftlern. Während sie über die Möglichkeiten des Wiederaufbaus der Kathedrale Notre-Dame debattieren, denkt Brian Katz über ihre "Stimme" nach.
Per Zufall entwickelte er bereits vor der Brandkatastrophe eine Methode, mit der er herausfand, wie die verschiedenen Materialien und Oberflächen im Innenraum von Notre-Dame den Schall absorbieren. "Wir haben ein akustisches 3D-Modell von Notre-Dame erstellt", sagt Katz im Interview mit der DW. Grundlage dafür bildet die Aufnahme eines Konzerts vor acht Jahren in der Kathedrale. "Das Pariser Konservatorium hat alles aus nächster Nähe aufgenommen. Es spielte ein großes Orchester, zwei Chöre und weitere Musiker. Sie waren in der Kathedrale verteilt. Mit dem Wissen, wo die Musiker standen, haben wir unser Modell gefüttert."
Katz hat diese Aufnahmen verarbeitet und zusammengeführt mit Klangaufnahmen, die ein Team seines Instituts Ende der 1980er Jahre durchführte, als eine Studie zur Installation einer neuen Orgel nötig war. "Unser Institut ist im Besitz der einzigen detaillierten akustischen Messungen der Kathedrale Notre." Schon allein in diesem kleinen Zeitraum - von rund 30 Jahren - stellte Katz fest, dass sich die Akustik in der Kathedrale verändert hat.
Virtuelles Konzert zum Jahrestag der Brandkatastrophe
Das virtuelle Modell kann sogar dabei helfen, zu zeigen, wie die 1345 fertiggestellte Pariser Kathedrale vor ihren zahlreichen Umbauten geklungen hat. "Wir können die Veränderungen in der Akustik genauso vorhersagen, wie wir auch in die Vergangenheit blicken können."
Selbst kleinste Veränderungen wie eine Veränderung von Wandbehängen und Kunstwerken können die Akustik der Kathedrale beeinflussen. "Wenn beim Wiederaufbau zum Beispiel ein Gewölbe durch ein Flachdach ersetzt werden würde, dann können wir die Auswirkungen auf die Akustik demonstrieren", sagt Katz. Das Gleiche gelte für die Baumaterialien. Werden Steine durch Marmor oder Holz ausgetauscht, kann Katz vorhersagen, wie sich das auf den Klang im Innenraum auswirkt.
Brand hat Auswirkungen auf Akustik
Vor dem Brand betrug die Nachhallzeit in Notre-Dame etwa sechs bis acht Sekunden. Als Katz die Kathedrale nach dem Brand betrat, stellte er fest, dass die Nachhallzeit jetzt geringer ist. Was auch damit zu tun habe, dass es Löcher im Dach gibt und das Gestühl ausgeräumt wurde. Katz kann die Musik so klingen lassen, als ob sie in der intakten Notre Dame gespielt würde. Indem er diese Simulation anpasst, kann er auch aufzeigen, wie sich die während des Wiederaufbaus der Kirche getroffenen Entscheidungen auf den Klang von Notre Dame auswirken könnten. Oder er kann die Notre Dame von einst wieder auferstehen lassen und dokumentieren, wie frühere Renovierungen der Struktur den Klang der Kathedrale verändert haben.
Noch weiß Katz nicht, welche Akustik Notre-Dame in Zukunft haben wird. Er wird darauf auch keinen Einfluss nehmen, aber sein Modell kann dabei helfen, den Zustand vor dem Brand wiederherzustellen. Auf YouTube gibt der Forscher bereits einen kleinen Höreindruck der Akustik von 2013. Für den Jahrestag der Brandkatastrophe will er ein ganzes Konzert einstellen. Mit Smartphone und Kopfhörern können die User dann das Konzert hören und sich gleichzeitig durch die virtuelle Kathedrale bewegen. Das akustische Gedächtnis von Notre-Dame lebt somit auf jeden Fall weiter.
Notre-Dame von Paris - Geschichte eines Wahrzeichens
Vor ihr bildeten sich täglich lange Schlangen. Notre-Dame von Paris gilt als beliebtere Touristenattraktion als der Eiffelturm. Nun zerstörte ein Brand Teile des geschichtsträchtigen Wahrzeichens im Herzen von Paris.
Bild: Getty Images/AFP/G. van der Hasselt
Höhepunkt der Gotik
Im Jahr 1163 gab der Pariser Bischof Maurice de Sully den Auftrag, eine Kathedrale zu errichten. Der Standort mitten in Paris war nicht zufällig gewählt. Zuvor befand sich an derselben Stelle ein römischer Tempel. Der Bau erstreckte sich über zwei Jahrhunderte und musste mehrere Plünderungen erleben. Zuerst wurde der Chorbereich errichtet. 1220 gab es den ersten Gottesdienst.
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Kathedrale in Toplage
Für den Bau der Kathedrale wurde eigens eine neue Straßenachse angelegt. Bischof Maurice de Sully wollte mit dem hellen Kalksandsteinbau an der Spitze der Seineinsel ein Zeichen setzen. Die 69 Meter hohen Zwillingstürme entstanden aus teuren Materialien und sollten edel aussehen. Dafür wurden viele Spenden von Parisern eingesammelt.
Bild: picture-alliance/S. Gabriel
Blick über Paris
Im nächsten Bauabschnitt entstand das Langhaus, dessen Dach nun in Flammen aufgegangen ist. Imposant sind die zwei flachen Türme. Obwohl die Kathedrale Notre-Dame de Paris das meistbesuchte Bauwerk der französischen Hauptstadt ist, zahlt der Staat zu wenig Geld für den Unterhalt. An vielen Stellen bröckelte die Bausubstanz.
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Foreix
Zahn der Zeit
Wahrscheinlich sind Reparaturarbeiten im Dach für den Brand verantwortlich. Schon 2013, zum 850. Geburtstag von Notre-Dame, zeigte sich, dass die Strebebögen von Witterung und Luftverschmutzung angefressen waren. Seitentürmchen mussten behelfsweise gestützt werden. 100 Millionen Euro wurden für die Renovierung beziffert. Das gotische Strebesystem stützt von außen das Hauptgewölbe.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Böhmer
Victor Hugo machte sie berühmt
128 Meter Länge und 33 Meter Höhe misst die Kathedrale. Der französische Schriftsteller Victor Hugo stellte Notre-Dame in den Mittelpunkt seines 1831 veröffentlichten Erfolgsromans "Der Glöckner von Notre-Dame". Schon in diesem Buch, das von dem missgestalteten Glöckner Quasimodo und seiner Liebe zur Zigeunerin Esmeralda erzählt, bemängelt Hugo den kritischen Zustand der Kirche.
Bild: Patrick Kovarik/AFP/Getty Images
Neue Glocken
Zum 850. Geburtstag im Jahr 2013 wurden die Glocken, die Quasimodo im Roman läutete, aus den Türmen entfernt. In einer Gießerei wurden neun neue Glocken gegossen. Zur Einweihung standen noch mehr Menschen vor Notre-Dame Schlange.
Bild: AFP/Getty Images
Renovierung vor mehr als 100 Jahren
Im 19. Jahrhundert wurde die Kathedrale von Violett-le-Duc renoviert. Er fügte die sogenannte Chimären-Galerie hinzu. So heißen die steinernen Fantasievögel und Fabelwesen an den Ecken der Balustrade. Die Touristen konnten innen wie außen aber auch die berühmten Rosettenfenster bewundern.
Bild: picture-alliance
Prachtvolle Fenster
Im Innern ließ sich bislang die Farbwirkung der Rosettenfenster noch besser erspüren. Ein tiefes Blau, aber auch ein dunkles Rot dominierte die Lichtflut. Alles in dem Bau strebt nach oben - das Erbe der Gotik. Aber auch in späteren Epochen wie Renaissance und Barock wurde die Kirche weitergebaut und an die jeweilige Zeit angepasst. Doch die Gotik ist das vorherrschende Stilmittel.
Bild: picture-alliance
Notre-Dame brennt lichterloh
An der Kathedrale laufen aufwändige Renovierungsarbeiten, als am 15. April 2019 ein verheerendes Feuer auf dem Dachboden ausbricht. Das Dach und der höhere, spitze Turm in der Mitte des Hauptschiffs fallen in sich zusammen. Noch während der Brand in dem historischen Gemäuer tobt, verspricht Staatspräsident Emmanuel Macron "Wir werden Notre-Dame wieder aufbauen".