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Notre Dame du Rugby

20. Mai 2002

Im Fernsehen laufen die üblichen Wiederholungen, von den Straßen werden Rekordstaus gemeldet: Pfingsten in Deutschland. Aber nicht überall herrscht Orientierungslosigkeit. Zumindest Rugbyspieler kennen ihr Ziel.

Pilgerziel für harte Jungs
Pfingsten markiert den spirituellen Ursprung des Christentums. Der Bibel zufolge empfingen die Jünger Jesu 50 Tage nach Christi Auferstehung an Ostern den Heiligen Geist. Ein mittlerweile ziemlich unbekanntes Wesen. Umfragen ergaben, dass nur noch eine Minderheit der Deutschen über die Bedeutung des Pfingstfestes Bescheid weiß.

Segen für die Saison

Ausgerechnet eine Zunft rauer Sportgesellen aber weiß, wo es Pfingsten lang- oder hingeht. Zu Hunderten pilgern die Rugbyspieler am Pfingstmontag in den friedlichen Ort Larrivière im Südwesten Frankreichs: um innere Einkehr zu halten - und sich en passant ihren Segen für die nächste Saison abzuholen.

Jesulein mit Rugby-Ei

Ziel der Wallfahrt ist die Pfarrkirche Saint Savin auf einer Anhöhe am Adour in der Gascogne. So ein Jesulein gibt es wohl nur in Larrivière. Ob er bei Maria auf dem Schoß sitzt oder zu ihren Füßen kniet - der holde Knabe in der Kapelle des verträumten Dorfes hat stets ein Rugby-Ei in der Hand. Denn die Jungfrau Maria in Larrivière ist keine Geringere als Notre Dame du Rugby, die Schutzheilige aller Rugbyspieler dieser Welt.

Kapelle oder Vereinslokal?

Das Interieur der "Rugby-Kirche"

Mit von der Partie: Abbé Devert, mit 79 Jahren Rugby-begeistert wie eh und je. Ihm haben die Spieler ihre Pilgerstätte zu verdanken. Was der Abbé aus der altehrwürdigen, einst baufälligen Kapelle gemacht hat, erinnert an ein Vereinslokal. Rings um die goldene Madonna und den Altar hängen Wimpel und Fotos von unvergessenen Spielen und Rugby-Helden, daneben abgewetzte Stollenschuhe, rote, grüne und blaue Trikots, zum Teil noch mit den Schlamm- und Blutspuren der letzten Schlacht. In den bunten Kirchenfenstern geben Maria und das Jesuskind mit dem Ei in der Hand den Spielern ihren Segen.

"Auch harte Burschen brauchen Beistand"

Die Idee für seine Pilgerstätte hatte Devert in den 60er Jahren. Auch die harten Burschen bräuchten moralischen Beistand, und Läuterung habe noch nie jemandem geschadet, sagt der kleine Mann verschmitzt und rückt seine Baskenmütze zurecht. Zur Pfingstprozession legt Abbé Devert alljährlich die alten Trikots auf den Altar und betet zur Schutzpatronin: "Bleibe an unserer Seite, wenn uns die Leidenschaft des Spiels übermannt."

Fromme Wünsche

Den ersten Rugby-Gottesdienst feierte er 1967, seither kommen Spieler aus aller Welt nach Larrivière, um ihre Schutzheilige um Beistand zu bitten und ihre Wünsche in das Buch auf dem Altar einzutragen. "Notre dame du Rugby - mach', dass Toulouse gegen Agen gewinnt und französischer Meister wird", heißt es da, oder "Schütze die Welt des Rugby wie auch die ganze Welt."

Rugby als Lebensart

Dass Rugby in der Gascogne zum Leben gehört wie ein Baguette, liegt an den englischen Weinhändlern, die das Spiel Ende des 19. Jahrhunderts dort heimisch machten. Für den Abbé ist Rugby weit mehr als ein Sport. Es sei auch eine Art zu leben. "Da muss man sich Regeln unterwerfen, Toleranz und Freundschaft üben", sagt der alte Priester. "Rugby - das ist eine Schule fürs Leben." (wga)

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