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"Ich dachte, das kann nicht wahr sein"

17. April 2019

Notre-Dame in Flammen: In kürzester Zeit verbrannten weite Teile des Daches über dem Hauptschiff, ein Turm stürzte ein. Kölns ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zieht eine erste Schadensbilanz aus der Ferne.

Deutschland Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner im Kölner Dom
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Deutsche Welle: Wie ging es Ihnen, als Sie die Bilder aus Paris gesehen haben?

Barbara Schock-Werner: Ganz fürchterlich. Ich dachte, das kann nicht wahr sein: So schnell, so riesig kann das gar nicht brennen! Was mich noch immer fasziniert - mit welcher Geschwindigkeit sich der Brand ausgebreitet hat, und wie schnell er das gesamte Dach verwüstet hat.

Wie groß ist der Verlust an Weltkulturerbe?

Das muss man jetzt wirklich sehen. Totalverlust ist der Dachstuhl und dieser Dachreiter, der von 1844 stammt, den man aber ganz sicher rekonstruieren kann, weil die Originalpläne noch da sind. Die eine Hälfte des Dachstuhls war tatsächlich mittelalterlich, die andere 19. Jahrhundert. Was aber im Inneren passiert ist, wie viel vom Strebewerk durch Überhitzung weich geworden ist, ob die Steine ausgeglüht sind, wissen wir noch nicht. Ich fürchte auch, dass die beiden Fensterrosen, berühmte Elemente gotischer Architektur an den beiden Querhäusern, das Feuer nicht überlebt haben. Außerdem gab es eine berühmte Madonnen-Figur, die am Fuße des Vierungspfeilers stand (Vierung bezeichnet im Kirchenbau den Raum, der beim Zusammentreffen des Haupt- und Querschiffes einer Kirche entsteht, Anm. d. Red.), direkt unterhalb des Brandherdes. Eigentlich kann sie nicht davongekommen sein. Aber es wird noch Tage brauchen, bis man wirklich den genauen Umfang des Schadens kennt.

Am Morgen nach dem Brand: Feuerwehrleute am Baugerüst von Notre-DameBild: Getty Images/AFP/S. de Sakutin

Sie selbst haben ja auch einmal Verantwortung getragen für ein solches Bauwerk. Lässt sich eine Kathedrale wie der Kölner Dom oder wie die Notre-Dame überhaupt versichern?

Nein, niemand könnte die Prämie bezahlen.

Wie hoch wäre die denn?

Ich habe keine Ahnung, aber das macht auch keine Versicherung. Wir haben in Köln nicht einmal den Dreikönigenschrein (ein als Goldschmiedearbeit hergestelltes Reliquiar aus der Zeit Ende des 12. Jahrhunderts, Anm. d. Red.) versichert. Natürlich haben wir eine Haftpflichtversicherung für Schäden, die wir anrichten, aber keine Gebäudeversicherung.

Wir müssen aber, und das haben wir getan, alles tun, um solche Katastrophen zu verhindern. Das Brandschutzkonzept im Kölner Dom ist schon ausgefeilt und wird in ständiger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr stetig verbessert. In Paris konnte man sehen, dass sie von unten gespritzt haben, von der Straßenebene. In Köln haben wir rings um den Dom lauter Leerrohre verlegt, sodass die Feuerwehr ihre Schläuche in 50 Meter Höhe anschließen könnte, also näher am Brandherd.

Ich weiß von allen meinen Kollegen, dass der Brandschutz eine große Rolle spielt.

Drohen denn andernorts ähnliche Gefahren?

Es passiert ja erstaunlich wenig. Das ist der erste Großbrand, seit ich in diesem Beruf bin und das sind ja schon einige Jahrzehnte. Es gibt Kleinbrände, aber ich weiß von allen Kollegen, dass sie sich intensiv um das Problem kümmern. Warum das in Paris so schiefgegangen ist, das wird alle interessieren und da warten wir gespannt drauf.

Die Pariser Feuerwehr löschte vom Boden ausBild: Reuters/P. Wojazer

Nun stehen in Paris offenbar schon hunderte Millionen für den Wiederaufbau bereit. Lässt sich das Zerstörte überhaupt wiederaufbauen?

Natürlich. Ich nehme fast an, dass ein Teil der Gewölbe eingefallen ist. Einen anderen Teil, wo die Hitze sehr groß war, wird man austauschen müssen, schon aus Sicherheitsgründen. Aber sowohl die Gewölbe-Rekonstruktion als auch ein Wiederaufbau eines neuen Dachstuhls samt Vierungsturm lässt sich, nicht einfach zwar, aber problemlos rekonstruieren. Ganz anders sieht es aus, wenn es um Kunstwerke geht. Aber das Gebäude selber lässt sich mit dem nötigen Einsatz von Menschen und Geld ganz sicher wiederherstellen.

Werden Sie, Frau Schock-Werner, mit Ihrer Expertise helfen?

Wenn wir gefragt werden, gerne. Es gibt eine europäische Vereinigung der Dombaumeister aus 14 Ländern. Aber die Franzosen haben ihr eigenes System. Und ich glaube nicht, dass sie international um Hilfe bitten. Mit Ausnahme vielleicht für das Bleidach. Da werden sie wieder englische Hilfe brauchen, denn in Frankreich ist die Verarbeitung von Blei aus gesundheitlichen Gründen verboten. Natürlich unterstützen wir uns gegenseitig, wenn wir können. Schwestern untereinander helfen sich.

Die Architektin, Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin und Hochschullehrerin Barbara Schock-Werner war von 1999 bis 2012 Dombaumeisterin des Kölner Doms. Mit ihr sprach Stefan Dege.

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