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Mysteriöser Notre-Dame-Sarg wird geöffnet

Stuart Braun pj (mit afp, rtr)
21. April 2022

Das Geheimnis eines Blei-Sarkophags aus der schwer beschädigten Kathedrale von Notre-Dame soll nun gelüftet werden. Über seinen Inhalt wurde viel spekuliert.

Ein menschenförmiger Bleisarg zwischen Ziegelsteinen, darüber stehend Menschen mit Bauhelmen
Der Sarg an seinem FundortBild: Julien de Rosa/AFP/Getty Images

Während der Restaurationsarbeiten in der Kathedrale von Notre-Dame in Paris, die 2019 durch ein Feuer schwer beschädigt wurde, fanden Arbeiter im März dieses Jahres einen gut erhaltenen Bleisarg. Er war etwas mehr als einen Meter unter der Bodenplatte zwischen Röhren aus Ziegelsteinen eines Heizungssystems aus dem 19. Jahrhundert eingelassen. 

Während des Feuers war das Dachgewölbe des 850 Jahre alten Kirchengebäudes eingebrochen. Dadurch kam das alte Heizungssystem im Boden zum Vorschein, in dem sich neben dem Sarg auch andere Objekte wie bemalte Skulpturen befanden. Experten vermuten, dass der Sarg aus dem 14. Jahrhundert stammt.

Virtueller Rundgang durch Notre-Dame

04:32

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Sarg aus dem Mittelalter?

"Falls dieser Sarg wirklich aus dem Mittelalter stammen sollte, haben wir es hier mit einer extrem seltenen Bestattungspraxis zu tun", sagte der leitende Archäologe vor Ort, Christophe Besnier, bei einer Pressekonferenz am 14. April. Schon im 19. Jahrhundert habe der Architekt und Restaurator Eugene Viollet-le-Duc bleierne Särge in französischen Kirchen entdeckt, aber jene seien aus der Neuzeit gewesen und mit Schildern versehen gewesen, die die Toten identifiziert hätten. Daher gehe er davon aus, dass der Sarg unter Notre-Dame aus dem 14. Jahrhundert stammen könne, so Besnier. 

Er kündigte an, den Sarg bald gemeinsam mit seinem Team zu öffnen, um Informationen über das Alter, Geschlecht und den Gesundheitszustand des darin befindlichen Skeletts zu erfahren. Zur Datierung soll auch moderne Radiokarbontechnologie zum Einsatz kommen. Bisher hat das Team lediglich mit Hilfe einer endoskopischen Kamera in den Sarg geblickt und dabei den oberen Teil eines Skeletts, ein Kissen aus Blättern, Stoff und einige noch unidentifizierte Objekte entdeckt. Der Sarg könnte eine wahre Fundgrube an Wissen über die mittelalterliche Vergangenheit von Notre-Dame darstellen.

Einige der Objekte, die im Boden von Notre-Dame gefunden wurdenBild: Julien de Rosa/AFP/Getty Images

Ein hoher Würdenträger?

Der Bestattungsort lässt vermuten, dass der oder die Tote zur Pariser Elite gehörte. "Wir sind hier nicht irgendwo, sondern auf der Seine-Insel, in Notre-Dame", so Besnier. Auch das französische Kulturministerium ließ in einer Mitteilung verlauten, dass es sich durchaus um die Leiche eines hohen Würdenträgers handeln könnte.  

Diese Hypothese wird auch durch die Skulpturen gestützt, die in der Nähe des Sargs am Fundort lagen. Sie waren Teil eines sogenannten Lettners, also einer Art "Schranke", die in der Kathedrale einen Teil des Kirchenraums von einem anderen abtrennte. Dieser wurde 1230 erbaut und später zerstört. 

Jahrelanger Wiederaufbau: Die Kathedrale von Notre-DameBild: Robert Schmiegelt/Geisler-Fotopress/picture alliance

"Emotionaler Moment"

Viollet-le-Duc hatte schon andere Fragmente des Lettners gefunden, die im Louvre ausgestellt sind. Daher sei der aktuelle Fund "von höchstem Interesse", so das Ministerium. Unter den Fundstücken befanden sich auch der an Jesus erinnernde Kopf einer Skulptur sowie steinerne, dekorative Fragmente mit Farbresten. "All dies lag nur zehn bis 15 cm unter den Bodenplatten", so Besnier. "Das kam völlig unerwartet. Da lagen außergewöhnliche Stücke, die die Geschichte von Notre-Dame dokumentieren." Die Entdeckung sei "ein emotionaler Moment" gewesen.

In den sozialen Medien wird derweil - meist scherzhaft - empfohlen, den Sarg nicht zu öffnen, weil teuflische Mächte geweckt werden könnten, wenn die Totenruhe gestört werde. Das zuständige Archäologenteam ist sich seiner Verantwortung jedoch völlig bewusst. Die Untersuchung des Skeletts werde entsprechend den französischen Gesetzen zum Umgang mit menschlichen Überresten erfolgen, ließ man verlauten. Ein menschlicher Körper sei schließlich kein archäologisches Objekt. 

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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