NS-Raubkunst: Rückgabe an Max Stern-Erben
12. Mai 2014 Mit dem Fall Gurlitt kommt auch eine Wende: Die Politik plant ein bundesweites Netzwerk für die Suche nach Raubkunst; die Welt der Kunst scheint sensibilisiert und offener gegenüber Rückgabeforderungen und Recherchen von Provenienzforschern: Nach einem dreijährigen Streit gibt das Düsseldorfer Stadtmuseum nun das Selbstbildnis des Malers Friedrich Wilhelm von Schadow (1788-1862) an die Erben von Max Stern zurück. Das Ölgemälde wird heute auf 50.000 Euro geschätzt und hing dort mehrere Jahre. Dass es einmal dem jüdischen Kunsthändler gehörte, hatte bisher niemanden interessiert.
Der Fall Gurlitt hat gezeigt wie schwer der Umgang mit Raubkunst bis heute in Deutschland ist. Fast 70 Jahre nach dem Krieg handeln Privatsammler und Auktionshäuser noch immer mit Bildern, die verfolgten Juden gestohlen wurden, und auch in deutschen Museen hängt Raubkunst. Bis heute gibt es keine verbindliche Rechtsgrundlage, lediglich das Washingtoner Abkommen von 1998 empfiehlt Raubkunst zurückzugeben oder zumindest einen Ausgleich mit den Vorbesitzern zu suchen.
Die Geschichte von Max Stern
Alles beginnt 1934 in Düsseldorf: Max Stern übernimmt die Kunstgalerie seines Vaters auf der Königsallee. Er handelt mit niederländischen Landschaftsbildern und verkauft Bilder der Düsseldorfer Malerschule. Zu seinen Kunden zählen Kunstsammler mit kleinerem Geldbeutel, Anwälte und Ärzte, aber auch Industriefamilien wie die Thyssens aus Essen. Im August 1935 zwingt ihn die Reichskammer der Bildenden Künste seine Galerie aufzulösen und entzieht ihm seine Zulassung als Kunsthändler, denn "er ist kein Arier". Stern legt Widerspruch ein und kann die Frist verlängern. Er verkauft einen Teil seiner Sammlung an private Händler und bereitet so seine Emigration vor.
"Sicherlich hätte er unter anderen Umständen mehr Geld für die Bilder bekommen", davon ist der heutige Lempertz-Chef Henrik Hanstein überzeugt. Aber die Käufer wussten, dass er als Jude das Kapital für seine Flucht brauchte. Hansteins Großvater hatte mit dem Kunsthändler Max Stern eine langjährige Geschäftsbeziehung und so werden die restlichen Bilder seiner Sammlung im Auktionshaus Lempertz 1937 versteigert. "Max Stern hat die Bilder persönlich katalogisiert", erklärt Hanstein.
Wenn Bilder auf Odyssee gehen
"Lempertz betrachtet die Auktion nicht als Zwangsauktion", schreibt der Publizist und Raubkunstexperte Stefan Koldehoff in seinem Buch. Welchen Erlös Stern bekommen habe, lasse sich jedoch nicht mehr nachweisen. "Max Stern musste mit dem Erlös die Reichsfluchtsteuer bezahlen und mit einer Sicherungsanordnung haben die Nazis sein restliches Vermögen blockiert und einbehalten", meint dagegen Willi Korte. Die nicht versteigerten Bilder und damit der Rest seiner privaten Sammlung gibt Stern bei einer Kölner Spedition in Verwahrung, die später jedoch von der Gestapo beschlagnahmt wird.
Der jüdische Kunsthändler Stern kann über Paris und London nach Kanada fliehen und überlebt so den Holocaust. In Montreal übernimmt Stern die "Dominion Gallery of Fine Arts", wird ein berühmter Förderer kanadischer Kunst und versucht nach dem Krieg einen Teil seiner Sammlung aus Düsseldorf wiederzufinden. "Über eine Anzeige suchte er nach Bildern aus seiner in Verwahrung gegebenen privaten Sammlung. Aber bei meinem Großvater hat er nie Kunstwerke aus der Versteigerung reklamiert", so Hanstein.
Vom Land Nordrhein-Westfalen wird Max Stern 1964 für den so genannten "Verschleuderungsschaden" seiner Galerie entschädigt. Deshalb ist der Fall aus Sicht von Hendrik Hanstein abgeschlossen und geklärt. Das Auktionshaus habe mit Max Stern bis zu seinem Tode einen guten, geschäftlichen Kontakt gepflegt, ergänzt der Lempertz-Chef. Sein Großvater, Josef Hanstein, habe Stern und auch anderen jüdischen Kunstsammlern während der NS-Zeit wiederholt geholfen, weshalb er 1942 von der Gestapo verhaftet wurde.
"Das Bild gehört rechtmäßig den Erben Max Sterns, denn der Kunsthändler musste das Bild 1937 zwangsversteigern und das kommt einem Diebstahl gleich", sagt Provenienzforscher Willi Korte. Er recherchiert seit zehn Jahren die verschollene Kunstsammlung des jüdischen Kunsthändlers im Auftrag der Erben - zwei Universitäten in Kanada und eine in Israel. "Max Stern hat den kompletten Erlös aus der Versteigerung erhalten und nach dem Krieg zusätzlich eine Entschädigung bekommen. Hier kann es keine Ansprüche mehr geben", kommentiert Lempertz-Chef Hanstein die Rückgabe des Gemäldes.
Ein wahrer Kunstkrimi - und die Suche geht weiter
Erst nach Sterns Tod beginnen die Erben mit der Suche nach den Bildern aus der Lempertz-Auktion. Bei Recherchen in Düsseldorf stößt der Kunstdetektiv Willi Korte auf den Katalog der Versteigerung beim Kölner Auktionshaus im Jahr 1937. "Seitdem wissen wir, dass wir nach 228 Bildern suchen", erklärt Korte. Unter der Nummer 135 ist das Selbstbildnis von Wilhelm von Schadow mit einem Foto verzeichnet. Wie das Ölgemälde von der Auktion bis in das Stadtmuseum Düsseldorf gelangte, ist nicht dokumentiert. "Es wurde nicht in der Auktion 1937 verkauft, sondern ging zunächst an Max Stern zurück , der es dann verkaufte", sagt Hanstein.
Willi Korte entdeckt das Gemälde 2011 in einer Dauerausstellung des Düsseldorfer Stadtmuseums. Heute (07.04.2014) gibt das Museum das Selbstbildnis an eine Delegation aus Kanada zurück. Es ist das Zwölfte von 228 Bildern aus der Sammlung Max Stern, das Willi Korte den Erben restituieren kann. "Ich glaube, dass die Rückgabe des Schadow-Bilds nicht im Sinne von Max Stern ist, denn der war ein leidenschaftliche Düsseldorfer", meint Lempertz-Chef Hanstein. Willi Kortes Suche nach der verschollenen Kunstsammlung Max Sterns wird weiter gehen. Vor allem im Rheinland vermutet der erfahrene Kunstdetektiv noch mehr Bilder in Museen, Depots und Privatwohnungen.