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NSU-Aufklärung: Die Zeit wird knapp

Marcel Fürstenau16. Januar 2013

Dem Untersuchungsausschuss des Bundestages bleiben nur noch wenige Monate, um das Versagen der Sicherheitsbehörden beim Rechtsterrorismus aufzuarbeiten. Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht, ist noch offen.

Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (M.), neben weiteren Abgeordneten und Mitarbeitern. (Foto: dapd)
Bild: dapd

Der Untersuchungsausschuss zur "Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund" kann in wenigen Tagen auf ein Jahr intensiver Arbeit zurückblicken. Am 27. Januar 2012 konstituierte sich das Gremium, das seitdem in knapp 50 Sitzungen den mörderischen deutschen Rechtsextremismus durchleuchtet hat. Gäbe es den Untersuchungsausschuss nicht, wüsste die Öffentlichkeit viel weniger über das Ausmaß des braunen Sumpfes in Deutschland - und über das offenkundige Versagen der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem sogeannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU).

Das aus elf Abgeordneten aller Parlamentsfraktionen und ebenso vielen Stellvertretern bestehende Gremium hat hohe Anforderungen an seine Arbeit gestellt. "Der Untersuchungsausschuss soll sich ein Gesamtbild verschaffen zur Terrorgruppe 'Nationalsozialistischer Untergrund', ihren Mitgliedern und Taten, ihrem Umfeld und ihren Unterstützern sowie dazu, warum aus ihren Reihen so lange unerkannt schwerste Straftaten begangen werden konnten." So lautet der erste Satz des mehrseitigen Untersuchungsauftrages. Der Ehrgeiz ist verständlich angesichts von zehn Mordopfern im Zeitraum 2000 bis 2007.                 

Beweisaufnahme endet im Frühjahr

Allerdings bleibt dem Gremium nur noch wenig Zeit, um Akten zu sichten, Zeugen zu laden und damit wenigstens ansatzweise das zu tun, was ein Großteil der deutschen Sicherheitsbehörden nicht getan hat: Ursachen und Wirkungen des gewaltbereiten Rechtsextremismus systematisch zu analysieren und erfolgreich zu bekämpfen. Da die Arbeit des Untersuchungsausschusses an die Legislaturperiode gebunden ist, endet sie spätestens im Juni. Danach beginnt die parlamentarische Sommerpause, und im September findet die Bundestagswahl statt. Weil die Ergebnisse des Ausschusses in einem ausführlichen Bericht zusammengefasst werden, muss die Beweisaufnahme im Wesentlichen schon im Frühjahr abgeschlossen sein.

Bereits jetzt lässt sich sagen, dass es auch danach noch viele unbeantwortete Fragen geben wird. Das liegt an dem schwer zu überblickenden Bereich des Rechtsextremismus einerseits und dem zu untersuchenden Zeitraum andererseits. Die drei mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sind nämlich schon 1998 untergetaucht, trotz langjähriger Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Thüringen. Zwei Jahre später wurde als erster der türkischstämmige Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg erschossen, 2007 starb als letzte die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Die 22-Jährige ist das einzige Opfer, das keinen Migrationshintergrund hat. Mit den Hintergründen und genauen Umständen ihres Todes hat sich der Untersuchungsausschuss überhaupt noch nicht befasst.

Erste Lehren aus NSU-Terrorserie

01:40

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Verloren im Behörden-Dickicht

Das ändert nichts am Anspruch des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy. Es gebe ein "überragendes gemeinsames Interesse" aller Demokraten an Aufklärung des NSU-Terrors, sagte der Sozialdemokrat, als das parlamentarische Gremium mit seiner aufwändigen Recherche begann. Inzwischen wurden tausende Aktenordner von Verfassungsschutzämtern und Kriminalämtern des Bundes und der Länder durchforstet, viele hochrangige Sicherheitsexperten und Politiker befragt sowie Sonderermittler beauftragt. Im Ergebnis verfestigte sich der Eindruck, dass die Rechtsterroristen leichtes Spiel hatten, weil sich ihre Spuren im Irrgarten komplizierter Behördenstrukturen verloren. 

Sonderermittler Gerhard SchäferBild: dapd

Sonderermittler verteilt schlechte Noten

Ein Jahr nach dem Beginn der parlamentarischen Aufarbeitung widmet sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages jetzt der Frage, warum der Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt in Thüringen das NSU-Trio aus den Augen verloren haben. Dabei hatte es über Jahre zahlreiche Hinweise auf den Aufenthaltsort und die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremisten gegeben. Der als Sonderermittler tätige ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer fällt ein für die Sicherheitsbehörden verheerendes Urteil: Der Verfassungsschutz habe durch Spitzel in der Neonazi-Szene über "erstklassige Erkenntnisse" zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verfügt.

Es sei bekannt gewesen, dass sich die drei um Waffen und gefälschte Ausweispapiere bemüht hätten, heißt es in dem Bericht. Um so unverständlicher ist es aus Schäfers Sicht, dass die nach dem Untertauchen des Trios angesetzten Zielfahnder keine Ahnung vom rechtsextremen Milieu hatten, in dem sich die NSU-Terroristen jahrelang bewegt haben. Dass die nun als Zeugen geladenen Sicherheitsbeamten aus Thüringen plausible Antworten auf die vielen offenen Fragen finden, erscheint nach den bisher gemachten Erfahrungen eher unwahrscheinlich. Denn dieses Fazit bestreitet auch in den Behörden inzwischen niemand mehr ernsthaft: Die linke Hand wusste nicht, was die rechte macht.

Der prominenteste Zeuge: Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble im NSU-UntersuchungsausschussBild: picture-alliance/dpa

Als Konsequenz aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden haben sich die Innenminister von Bund und Ländern inzwischen darauf verständigt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beim Rechtsextremismus die Federführung zu übertragen. In der Praxis sind die 16 Landesämter jetzt verpflichtet, ihre Erkenntnisse automatisch an das BfV weiterzuleiten. Auch das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) ist eine Reaktion auf das behördliche Versagen. Es wurde sogar schon eröffnet, bevor sich der NSU-Untersuchungsausschuss gründete. Neben sämtlichen Kriminal- und Verfassungsschutzämtern sind der BND, der Militärische Abschirmdienst (MAD) und Europol am GAR beteiligt.

Mit dem bisher Erreichten werden sich die Bundestagsabgeordneten allerdings kaum zufrieden geben. Denn der Untersuchungsausschuss hat auch versprochen, Empfehlungen "für eine effektive Bekämpfung des Rechtsextremismus" auszusprechen. Vielleicht sollte also der nächste Bundestag die Arbeit fortsetzen. Bedingung dafür wäre, dass sich mindestens 25 Prozent der Abgeordneten für die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses aussprechen.

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