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Kriminalität

Bundesanwälte: Zschäpe war NSU-Mittäterin

25. Juli 2017

Bundesanwalt Herbert Diemer sagte zu Beginn seines Plädoyers im Münchener NSU-Prozess, die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Zschäpe droht lebenslange Haft.

Deutschland NSU-Prozess in München | Beate Zschäpe
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Die Bundesanwaltschaft fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Bundesanwalt Herbert Diemer sieht die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten, darunter auch der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, in allen wesentlichen Punkten bestätigt. Diemer gab diese Einschätzung zu Beginn des Plädoyers der Bundesanwaltschaft, das über 22 Stunden an mehreren Prozesstagen gehalten werden soll. Diemer bezeichnete Zschäpe als Mitgründerin und Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Sollte das Oberlandesgericht in seinem Urteil dieser Argumentation folgen, droht der 42-Jährigen lebenslange Haft wegen Mordes. 

Bundesanwalt Herbert Diemer (links), Oberstaatsanwältin Anette Greger und Bundesanwalt Jochen WeingartenBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Gemeinsam mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe Zschäpe neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft ermordet, einen tödlichen Anschlag auf Polizeibeamte sowie einen Bombenanschlag auf das Geschäft einer iranischen Familie in Köln verübt und ebenfalls in Köln eine Nagelbombe zur Explosion gebracht. Außerdem habe Zschäpe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt schwere Raubüberfälle verübt und nach dem Tod ihrer Komplizen die gemeinsame Wohnung des NSU-Trios in Zwickau in Brand gesteckt. 

Zschäpe als Stabilitätsfaktor des NSU

Obwohl die Morde von Zschäpes mittlerweile verstorbenen Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangen worden seien, habe die Angeklagte eine wesentliche Rolle im Hintergrund gespielt, sagte Diemers Kollegin, Oberstaatsanwältin Anette Greger.  "Die Angeklagte war der entscheidende Stabilitätsfaktor der Gruppe", sagte Greger. Sie habe an den Planungen mitgewirkt und sich um Geld und Alibis gekümmert. Zschäpe selbst hatte sich in dem Prozess eine passive Rolle im dem Trio zugeschrieben.

Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben muss sich wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen verantworten. Der Vorwurf gegen ihn lautet, er habe die Mordwaffe vom Typ "Ceska" besorgt und gewusst, wofür Mundlos und Böhnhardt sie benutzen wollten. Wohlleben bestreitet das. Der Angeklagte Carsten S. gilt als der mutmaßliche Überbringer der Waffe. Kurz nachdem der NSU aufgeflogen war, gestand er umfassend und belastete dabei Wohlleben. Auch Carsten S. wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Andre E. wird der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung beschuldigt, er selbst schwieg während des Prozesses. Er soll Zschäpe bei ihrer Flucht nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt geholfen haben. Auch Holger G. ist wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Er räumte ein, dem NSU-Trio eine Waffe und gefälschte Ausweispapiere besorgt zu haben.

Motiv: Deutschland ohne Ausländer

Das Motiv für die Terrorserie des NSU sei die rechtsextremistische Ideologie des Trios gewesen. Ziel sei ein ausländerfreies Land gewesen, sagte Bundesanwalt Diemer. Die Opfer habe das Trio willkürlich ausgewählt und nur wegen ihrer ausländischen Herkunft hingerichtet. Der NSU habe versucht einem "widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten", sagte Diemer. "Die Täter, Hoher Senat, waren Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe." Seit dem 6. Mai 2013 läuft der NSU-Prozess. 375 Verhandlungstage dauerte es bis zum Ende der Beweisaufnahme. Damit zählt das Gerichtsverfahren zu den umfangreichsten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Urteil dürfte erst nach der Sommerpause fallen.

NSU als Einzelphänomen

Diemer ging zu Beginn seines Plädoyers auch auf Kritik am NSU-Prozess ein. Es sei unzutreffend, wenn immer noch behauptet werde, der NSU-Prozess habe seine Aufgaben nicht ausreichend erfüllt. Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären, sei eine Aufgabe politischer Gremien. Das Ermittlungsverfahren habe keine Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen finden können. Damit äußerte sich Diemer zu den anhaltenden Spekulationen, der NSU sei Teil eines größeren rechtsextremen Netzwerks. Oberstaatsanwältin Greger ergänzte, der NSU sei von seiner Gründung bis zu seiner Auflösung als "kleine Zelle" konzipiert gewesen. Er habe durchgehend und ausschließlich aus Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bestanden.

Der Vertreter der Nebenklage, Sebastian Scharmer, kritisierte die Ausführungen der Bundesanwaltschaft zum NSU als Einzelphänomen. Dadurch werde nur eine eng begrenzte kleine Gruppe verurteilt. Offensichtlich solle ein Schlussstrich gezogen werden, womit auch das Aufklärungsversprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im NSU-Komplex gebrochen werde.

jv/jj (dpa, afp, rtr)

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