Nur ein Drittel der Gewässer in Europa in gutem Zustand
15. Oktober 2024Nur 37 Prozent der sogenannten Oberflächenwasserkörper – dazu gehören zum Beispiel Seen oder Flüsse – in Europa befanden sich 2021 in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand. Das geht aus dem jüngsten Report der in Kopenhagen ansässigen Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Trotz Bemühungen der europäischen Länder habe sich diese Zahl seit 2015 kaum verändert. Die fehlende Verbesserung des ökologischen Zustands spiegele die anhaltende Belastung der Oberflächengewässer auf dem gesamten Kontinent wider. "Unsere Gewässer stehen vor einer beispiellosen Reihe von Herausforderungen, die die Wassersicherheit Europas bedrohen", warnte EEA-Chefin Leena Ylä-Mononen.
Mit Blick auf die Belastung mit Chemikalien werden gar nur 29 Prozent der Oberflächengewässer als "gut" eingestuft, wie die Umweltagentur mitteilte. Das europäische Grundwasser - Quelle des meisten Trinkwassers auf dem Kontinent - schnitt hingegen besser ab: Hier wiesen 77 Prozent einen "guten" chemischen Zustand auf. Ein guter chemischer Zustand bedeutet, dass das Wasser frei von übermäßiger Verschmutzung durch chemische Verbindungen etwa aus der Landwirtschaft und durch potenziell schädliche Substanzen wie sogenannte "Ewigkeitschemikalien" (PFAS) oder Mikroplastik ist.
Zentraler Faktor: Landwirtschaft
Die größte Belastung des Oberflächen- und Grundwassers gehe von der Landwirtschaft aus, berichtet die Agentur unter Berufung auf Angaben der Mitgliedsstaaten. Grund dafür sei vor allem der intensive Einsatz von Nährstoffen und Pestiziden. Abhilfe schaffen könnten etwa Änderungen der landwirtschaftlichen Praktiken und neue Technologien, schreibt die EEA. Gleichzeitig sei die Landwirtschaft bei weitem der größte Netto-Wasserverbraucher in Europa – "und ohne Änderungen der Praktiken wird der Bedarf der Bewässerungslandwirtschaft mit dem Klimawandel wahrscheinlich steigen".
Das Oberflächenwasser ist demnach insbesondere durch Luftverschmutzung unter Druck - etwa durch Kohleverbrennung und Autoabgase - sowie durch die Landwirtschaft. Diese müsse, begleitet von Anreizen, "verstärkt nachhaltige ökologische" Verfahren einsetzen, empfiehlt die EEA. Zudem sei "eine Änderung unserer Lebensmittel- und Ernährungsgewohnheiten" nötig.
Grundlage für die Erhebung sind Daten der EU-Mitgliedstaaten, die diese für den Zeitraum von 2015 bis 2021 an die EEA übermittelten. Insgesamt wertete die Umweltagentur Daten zu 120.000 Oberflächenwasserkörpern und 3,8 Millionen Quadratkilometern an Grundwasservorkommen in 19 EU-Ländern und Norwegen aus.
Der Wasserstress wächst
Sogenannter Wasserstress sei eine wachsende Sorge in Europa, vor allem mit zunehmender Wasserknappheit im Süden sowie häufigeren und stärkeren Dürreperioden auf dem ganzen Kontinent. Dies wirke sich auf die öffentliche Wasserversorgung sowie auf Landwirtschaft und Industrie aus, heißt es. Bereits jetzt seien jährlich 20 Prozent des europäischen Lands sowie 30 Prozent der Bevölkerung von Wasserstress betroffen. "Zahlen, die in Zukunft aufgrund des Klimawandels wahrscheinlich noch steigen werden", so die EEA. Nach Angaben des deutschen Umweltbundesamts spricht man von Wasserstress, wenn mehr als 20 Prozent des verfügbaren Wassers vom Menschen genutzt wird.
Dagegen hilft ein geringerer Wasserverbrauch: "Die Reduzierung von Lecks, die Verwendung wassersparender Geräte und Prozesse und die Erhöhung der Wasserwiederverwendung würden die Effizienz verbessern", betonte die Agentur. Auch der Wasserpreis spiele eine Rolle: Er könne unter anderem eine wichtige Triebkraft für die Verringerung des Verbrauchs sein.
Ressourcen schonen
"Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Gesundheit unserer wertvollen Flüsse, Seen, Küstengewässer und anderer Gewässer wiederherzustellen", forderte Ylä-Mononen. Es müsse sichergestellt werden, "dass diese lebenswichtigen Ressourcen für die kommenden Generationen widerstandsfähig und sicher sind", fügte sie hinzu.
Zusätzlich gefährdet werden die Gewässer außerdem durch die Erderwärmung. Die Auswirkungen des Klimawandels, einschließlich extremer Dürren und Überschwemmungen, sowie die übermäßige Nutzung der Süßwasserressourcen belasteten Europas Seen, Flüsse, und Grundwasser "wie nie zuvor", mahnte die EEA. Die Regierungen müssten deshalb auch eine Senkung des Wasserverbrauchs und die Wiederherstellung von Ökosystemen zur Priorität machen.
kle/pg (afp, dpa, ARD)