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Nur eine Frage des Geldes - Bildungschancen in Pakistan

14. März 2006

Die Hälfte der rund 160 Millionen Pakistanis kann weder lesen noch schreiben. Zwar will die Regierung das ändern. Aber im Bildungssystem spiegelt sich eine festgefahrene Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Schulkind in Pakistan übt UrduBild: AP

"Wir wollen lesen lernen! Bildung für alle - Packen wir es an." So wirbt die Regierung in ganz Pakistan für ihre Bildungskampagne. Der Werbespruch läuft im Radio. Auf Plakate gedruckt würden ihn Leute wie Gulzada nicht verstehen. Gulzada ist 17 und putzt Schuhe in der acht Millionenstadt Lahore. "Über Bildung habe ich eigentlich nie nachgedacht", sagt er. "Ich bin aufgewachsen ohne zur Schule zu gehen. Meine Eltern haben sich nie um meine Ausbildung gekümmert."

Bildungsnotstand

Offiziell herrscht Schulpflicht in Pakistan, aber nur ein Viertel der Kinder erreicht die sechste Klasse. Die anderen waren wie Gulzada nie in der Schule oder haben abgebrochen. Der Leiter der Schulbehörde in Lahore, Abid Safeed, nennt zwei Hauptgründe: "Einmal ist da die wirtschaftliche Situation in der Familie und dann die negative Einstellung zum Lernen." Was das bedeutet erfährt der Lehrer Mujib-ur-Rahman Quadri täglich an seiner Schule bei Lahore: "Viele Eltern sehen im Schulbesuch ihrer Kinder keinen unmittelbaren Vorteil für sich. Sie sind nicht bereit, in die Zukunft zu investieren. Sie wollen sofort einen Nutzen sehen und wollen nach der Geburt keine weiteren Ausgaben haben", beobachtet Quadri. Auf der anderen Seite scheitern die Eltern, die sich eine gute Schulbildung für ihre Kinder wünschen, oft am ungerechten Bildungssystem.

Schule ist nicht gleich Schule

Die Bildung ist in Pakistan nur so gut wie der Geldbeutel voll ist. Wohlhabende Eltern der Ober- und Mittelschicht schicken ihre Kinder auf private (Elite-)Schulen. Dort findet der Unterricht auf Englisch statt, und die Abschlüsse können mit westlichen Standards mithalten. Dafür nehmen immer mehr Eltern (hohe) Schulgebühren in Kauf. Vor 20 Jahren gab es erst 3000 Privatschulen, inzwischen sind es rund 36.000.

Für die weniger wohlhabenden Familien kommen nur die staatlichen Schulen in Frage. Dort kostet der Unterricht nichts. Aber die Lernbedingungen sind schlecht. "Wir haben keinen Strom, kein Wasser, keine Schulmöbel", klagt Muhammed Zameer. Er unterrichtet an einer staatlichen Schule 30 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Islamabad – als einziger Lehrer für fünf Schulklassen. "Ich habe beim Bildungsministerium um mehr Personal gebeten", sagt Zameer. "Auf eine Antwort warte ich immer noch vergeblich."

Koranschule in KarachiBild: AP

Außer den oft heruntergekommenen staatlichen Schulen gibt es noch rund 15.000 Koranschulen, die freie Unterkunft, Essen, Kleidung und gebührenfreien Unterricht bieten. Das sind "Soziale Auffangbecken" sagt Rainhard Sauer von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Und meint das nicht als Beleidigung. Denn rund ein Drittel aller Kinder in Pakistan hätte keine Chance, lesen und schreiben zu lernen, wenn es die günstigen Koranschulen nicht gäbe, fügt Sauer hinzu. Hier haben auch Waisen und sozial schwache Kinder Zugang zu einem Minimum an Bildung.

Die Regierung tut etwas, aber zu wenig

"Das Bildungssystem teilt unsere Nation in zwei Lager: in die da oben und die da unten" sagt Khalid Alavi, Professor an der Internationalen Islamischen Universität in Islamabad. Das Bildungssystem sei zu stark auf die wohlhabende Schicht zugeschnitten aber "kein Durchschnittspakistaner wird je eine der teueren Privatschulen betreten." Deshalb fordert Alavi, dass das öffentliche System gestärkt wird. Ansätze dafür gibt es bereits. Die Regierung hat in einigen Proveinzen kostenlose Schulbücher verteilt. Sie hat Schulen bauen lassen, neue Lehrer eingestellt und Stipendien für die besonders benachteiligte Schülergruppe der Mädchen eingeführt. Aber insgesamt macht Bildung in Pakistan nur zwei Prozent des Staatshaushalts aus - im Vergleich zu rund 30 Prozent für Verteidigungsausgaben.

Bürgerschulen als Alternative

Die Eltern in dem kleinen Ort Kot Radha Kishen, ein Autostunde von Lahore entfernt, wollten nicht auf die Regierung warten. Sie haben einfach selbst angepackt und eine Bürgerschule gegründet, die gute und erschwingliche Bildung garantiert. Die Lehrer in Kot Radha Kishen werden besser bezahlt und sind motivierter und besser ausgebildet als in anderen Schulen. Es gibt Stipendien für arme Familien und Schulbusse für Kinder, die weiter weg wohnen. "Wir hatten eigentlich geplant, wegen der Ausbildung der Kinder nach Lahore zu ziehen. Aber dann hat diese Schule geöffnet." sagt ein Vater. Er ist froh, in seinem Ort geblieben zu sein: "Die anderen Schulen bieten nicht die Art von moderner Bildung, die unsere Generation verändern kann."

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