Nur vier Prozent verdienen mehr als 250 Euro
13. September 2002Köln, 12.9.2002, BETA, DW-radio / Serbisch
BETA, serb., 11.9.2002
Die Lage im Journalismus in Serbien ist besorgniserregend. Die erste Assoziation mit dem Wort Journalismus ist Stress, und viele Journalisten würden gern ihren Beruf wechseln. Dies zeigte eine Umfrage unter Journalisten in Serbien, die heute (11.9.) in Belgrad vorgestellt wurde. An der Umfrage, die von der Agentur "Strategic Marketing" im Auftrag des Unabhängigen Journalistenverbandes Serbiens (NUNS) durchgeführt wurde, nahmen 700 Journalisten von 19 Fernseh-, 31 Rundfunkstationen, elf Tageszeitungen und 23 Periodika und Wochenzeitschriften in Serbien teil. (...)
DW-radio/Serbisch, 11.9.2002
Die von "Strategic Marketing" durchgeführte Umfrage (...) habe dramatische und keineswegs ermutigende Ergebnisse gebracht, erklärte die Vorsitzende des Unabhängigen Journalistenverbandes Serbiens (NUNS) Milica Lucic-Cavic. Das Projekt wurde im Juli unter allen vier Mediengruppen durchgeführt – unter den Rundfunk- und Fernsehstationen sowie bei der Tagespresse und den Periodika.
Srdjan Bogosavljevic, Direktor von "Strategic Marketing" stellte einige Teilaspekte der Umfrage vor. Demnach beurteilen Journalisten ihre Tätigkeit als anstrengend und stressbehaftet und erst im Folgenden als kreativ und interessant. Die Wenigsten bewerten ihre Arbeit als gesellschaftlich angesehen und im Verhältnis zu anderen Berufen angemessen bezahlt. Mehr als die Hälfte der Befragten fürchtet, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und fast die Hälfte würde gerne den Beruf wechseln, sagte Bogosavljevic. Ferner bewertete wiederum die Hälfte der befragten Journalisten die Lage des Journalismus in Serbien als schlecht. Außerdem sind die Journalisten nicht mit dem Stand der Pressefreiheit zufrieden. Jeder dritte Journalist vertritt die Ansicht, dass die Einschränkungen in dieser Hinsicht zu hoch sind. Schließlich sind über 70 Prozent der Journalisten keinem Berufsverband angeschlossen, da sie keinen Nutzen in einer Mitgliedschaft erkennen können.
Der bedrückendste Teil der Umfrage bezieht sich auf den beruflichen und den Lebensstandard der Journalisten. Jeder zweite bis dritte Journalist erklärte, dass er regelmäßig Überstunden leiste, und zwar ohne Bezahlung oder nur gegen eine symbolische Bezahlung. Daher erklärte die NUNS-Vorsitzende Milica Lucic-Cavic für DW-radio, warum ihrer Ansicht nach die Umfrageergebnisse dramatisch seien: "Ich glaube die Resultate sind wirklich dramatisch, da ein Drittel der Journalisten weder kranken- noch rentenversichert ist. 40 Prozent von ihnen leben noch bei den Eltern. Das sind erwachsene Menschen, die ihrem Beruf nachgehen und eine eigene Familie haben, aber sie leben noch bei Mama und Papa. Weitere 17 Prozent der Befragten wohnen zur Miete. Das heißt, ihre Wohnsituation ist überhaupt nicht geklärt. Die Gehälter sind unglaublich. Ich habe es mir nicht träumen lassen, dass es Gehälter in Höhe von 2 000 Dinar gibt. Dies entspricht 35 Euro. Ich nehme an, dies erhalten Journalisten, die gelegentlich arbeiten. Aber die Tatsache ist erniedrigend, dass sich für 90 Prozent der Journalisten die oberste Gehaltsgrenze auf 16 000 Dinar oder 250 Euro beläuft. Lediglich vier Prozent der Journalisten in Serbien beziehen ein höheres Gehalt".
Die Ergebnisse dieser Umfrage werden Lucic-Cavic zufolge künftig die Grundlage für weitere Aktionen von NUNS bilden: "Das heißt also, ein Beruf der unendlich verantwortungsvoll ist, wird sehr niedrig entlohnt. Ich glaube, das ist sehr erniedrigend, und wir, der Unabhängige Journalistenverband Serbiens, werden aufgrund dieser Ergebnisse Programme erarbeiten, die uns als Strategie für die kommenden zwei bis drei Jahre dienen werden. Für uns gehört nun die existentielle, soziale Lage der Journalisten zur obersten Priorität. Wir werden diese Programme der serbischen Regierung, der Bundesregierung (...) und den internationalen Organisationen sowie allen Chefredakteuren und den Eigentümern privater Medien vorlegen. Wir möchten damit erreichen, dass alle Anstrengungen unternommen werden, diesen Zustand zu ändern". (md)