Nur wenige Klagen gegen Zurückweisungen an deutscher Grenze
6. Juli 2025
In den ersten beiden Monaten der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verschärften Grenzkontrollen wurden nur wenige rechtliche Schritte von Asylsuchenden eingeleitet. Laut einem Bericht des Magazins "Stern" unter Berufung auf eine Anfrage beim Bundesinnenministerium sind bislang lediglich sechs Klagen eingegangen.
Ein erster juristischer Erfolg gelang drei Somaliern. Unterstützt von der Organisation "Pro Asyl" klagten sie erfolgreich gegen ihre Zurückweisung an der deutschen Grenze. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied am 2. Juni in einem Eilverfahren, dass die neue Rückweisungspraxis der Bundesregierung rechtswidrig sei.
Entscheidung auf europäischer Ebene nötig
Das Verwaltungsgericht stützte damit die Argumentation vieler Juristen und Kritiker, wonach Deutschland auch bei Einreisen aus sicheren Drittstaaten gemäß dem europäischen Dublin-Abkommen verpflichtet ist, zumindest zu prüfen, welches Land für das Asylverfahren zuständig ist.
Das Gericht beanstandete insbesondere, dass die Anwendung von Artikel 72 des EU-Rechts - einer Ausnahmeregelung im europäischen Recht - nicht ausreichend begründet sei. Dobrindt erklärte daraufhin, der Europäische Gerichtshof (EuGH) müsse nun über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisungen entscheiden. Ein Sprecher seines Ministeriums kündigte gegenüber dem "Stern" an, die Begründung für Artikel 72 werde im Gerichtsverfahren nachgeliefert.
Opposition fordert Ende der Zurückweisungen
Der innenpolitische Sprecher der regierenden Unionsparteien, Alexander Throm, zeigte sich gelassen: "In unserem Rechtsstaat ist es selbstverständlich, dass Gerichte angerufen werden können." Die Klagen seien angesichts der Tragweite zu erwarten gewesen. "Es handelt sich um eine grundsätzliche europarechtliche Frage, die dann auch nur vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden kann", sagte Throm.
"Pro-Asyl"-Geschäftsführer Karl Kopp hatte dem Berliner "Tagesspiegel" gesagt, ob der Fall der Somalier weiter an den Europäischen Gerichtshof gehe, hänge allein von der Betroffenen ab. Parallel habe "Pro Asyl" jedoch einen Appell an die EU-Kommission gerichtet, damit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet wird.
Der Vize-Fraktionschef der oppositionellen Grünen, Konstantin von Notz, kritisierte, die Rechtsauffassung des Bundesinnenministeriums sei "abwegig". Bis heute könne das federführende Haus maßgebliche Fragen nicht beantworten. "Mit Nachdruck fordern wir Innenminister Dobrindt noch einmal dazu auf, von den Zurückweisungen Abstand zu nehmen und die versprochenen, längst überfälligen Begründungen der Maßnahmen nachzuliefern", sagte er dem "Stern".
Polen führt eigene Grenzkontrollen ein
Die neue deutsche Grenzpolitik bleibt auch im Ausland nicht ohne Folgen. Als Reaktion auf die einseitige Einführung von Zurückweisungen kündigte Polen an, ab Montag selbst wieder Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Litauen einzuführen. Der polnische Grenzschutz hat angekündigt, sich dabei auf bestimmte Fahrzeuge zu konzentrieren.
Die Kontrollen sollen stichprobenartig vor allem Busse, Kleinbusse und PKW mit vielen Insassen betreffen, wie der Sprecher des Grenzschutzes, Konrad Szwed, der Nachrichtenagentur PAP sagte. "Auch Fahrzeuge mit getönten Scheiben werden im Fokus stehen."
An den 52 Grenzübergängen nach Deutschland sowie den 13 Übergängen zu Litauen werde es keine Schlagbäume oder Absperrungen geben, sagte Grenzschutz-Sprecher Szwed. Allerdings würden vor den Kontrollpunkten entweder Fahrbahnverengungen eingerichtet oder Schilder zur Verlangsamung des Verkehrs aufgestellt. "Bei einer Fahrzeugkontrolle werden die Dokumente des Fahrers und der Passagiere sowie der Kofferraum überprüft." Wer die Grenze überqueren wolle, müsse ein Ausweisdokument dabeihaben.
Der Sprecher betonte weiter, die Grenzschützer würden dafür sorgen, dass die Bewohner der Grenzgebiete, insbesondere diejenigen, die zur Arbeit auf die andere Seite der Grenze pendeln, keine Unannehmlichkeiten erfahren. Start für die Kontrollen ist in der Nacht von Sonntag auf Montag um Mitternacht.
Deutschland kontrolliert bereits seit Oktober 2023 stichprobenhaft an der Grenze zu Polen, um irreguläre Migration zu stoppen. Dobrindt hatte kurz nach dem Antritt der neuen Bundesregierung im Mai intensivere Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete der Innenminister an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können.
pgr/wa (afp, dpa, epd)
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