Nvidia-Chips für KI-Fabrik in Armenien
1. Oktober 2025
Hankavan liegt etwa eine Autostunde von Armeniens Hauptstadt Eriwan entfernt und ist für seine Campingplätze bekannt. Jeden Sommer locken verschiedenste Programme auch Studierende hierher.
In der letzten Augustwoche kamen mehr als hundert junge Menschen, um Karrierewege im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) kennenzulernen. Die gemeinnützige Stiftung für armenische Wissenschaft und Technologie hatte das Camp im Rahmen ihrer Bemühungen organisiert, junge Armenier auf Berufe im Technologiebereich vorzubereiten.
Am letzten Tag des Programms saßen armenische Technikexperten mit Schülern aus dem ganzen Land zusammen, um sich auszutauschen. Einer der Redner des Tages, der Forscher und Softwareentwickler Tigran Ishkhanyan, sagte, das neue KI-Rechenzentrum werde ein Segen für Armenien sein, insbesondere für junge Menschen wie die Studierenden im Camp. "Die Nvidia-KI-Fabrik wird mit Sicherheit bahnbrechend sein, denn sie werden viele Fachkräfte brauchen und natürlich zunächst versuchen, jemanden aus Armenien einzustellen, sagte Ishkhanyan.
Wettbewerbsvorteil
Nvidia hat eine Partnerschaft mit dem kleinen US-Unternehmen Firebird und der armenischen Regierung angekündigt, um im nächsten Jahr eine KI-Fabrik im Wert von 500 Millionen US-Dollar das sind etwa 426,5 Millionen Euro, zu errichten. Es sollen Tausende von Mikrochips, sogenannte Grafikprozessoren (GPUs), zum Einsatz kommen.
Nvidia und das armenische Ministerium für Hightech-Industrie lehnten Interviewanfragen ab, Firebird reagierte nicht. Rev Lebaredian, Vizepräsident von Nvidia, sagte kürzlich voraus, dass "jeder" auf der Welt irgendwann über eine grundlegende Infrastruktur für KI verfügen werde. In einem Podcast verglich er die Technologie mit der Erfindung der Elektrizität, die zunächst auch nur an wenigen Orten verfügbar war, bevor sie sich überall verbreitete.
Doch bis KI allgegenwärtig ist, wird das neue Rechenzentrum Armenien einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen, so Lebaredian. "Was wir mit diesem Supercomputer aufbauen, ist nicht nur ein weiteres Geschäft", sagte er im Juni. "Dies wird ein Motor für die Grundlagenforschung sein, aus der dann Unternehmen entstehen, die wachsen und einen großen Teil der Wirtschaft ausmachen und Armenien zu einem bedeutenden Akteur im Technologiebereich auf der Weltbühne machen."
Der Nvidia-Topmanager erklärte auch, wie eine KI-Fabrik funktioniert. Er sagte, die neue Anlage werde Unmengen an Daten aufnehmen, diese mit Nvidia Blackwell GPUs schnell verarbeiten und sogenannte Token mit komprimierten Informationen für alle möglichen Anwendungen ausgeben. "Je mehr Token man produzieren kann, desto effizienter ist man und desto mehr Wert wird geschaffen", fügte Lebaredian hinzu.
Gewinner und Verlierer der KI
Die meisten teuren KI-Fabriken werden in reichen Ländern wie den USA, in Europa und China gebaut. Ein Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2024 äußerte schon wachsende Besorgnis, dass Länder mit weniger Ressourcen abgehängt werden.
Riesige Rechenzentren treiben die KI-Forschung voran und entfachen einen Wettbewerb um GPUs. Allerdings kosten sie sehr viel Geld, verbrauchen eine Menge Strom und benötigen sehr viel Wasser zur Kühlung.
Neuer Kolonialismus?
Experten warnen, dass das Wachstum der KI eine neue digitale Kluft schaffen könnte, die die Ungerechtigkeiten des Kolonialismus wiederholt. "Da sich die Weltwirtschaft zunehmend auf KI-gesteuerte Produktion und Innovation verlagert, laufen weniger entwickelte Länder Gefahr, weiter ins Hintertreffen zu geraten, was die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede verschärft", heißt es in einem UN-Bericht, der vom Büro des Gesandten des Generalsekretärs für Technologie erstellt worden ist.
Nvidias Pläne würden Armenien - das etwa drei Millionen Einwohner hat und immer noch unter den jüngsten Kriegen mit dem benachbarten Aserbaidschan leidet - zum einzigen Land in der Region machen, das über eine solche KI-Fabrik verfügt. Laut Lebaredian wird die neue Anlage überschüssigen Strom aus dem einzigen Kernkraftwerk des Landes beziehen.
Lokaler Tech-Boom
Lebaredian lebt laut seinem LinkedIn-Profil in der San Francisco Bay Area. In Armenien schreiben die Menschen armenischen Expats wie ihm zu, dass sie in den letzten Jahren zum Aufbau des Technologiesektors des Landes beigetragen haben.
Experten zufolge ist ein weiterer Faktor hinter Armeniens Tech-Boom schlichte Notwendigkeit. Das Land ist etwas kleiner als Belgien und verfügt nur über wenige natürliche Ressourcen. Somit wenden sich immer mehr Investoren und Pädagogen der Technologie zu. Laut einer aktuellen Studie der armenischen Non-Profit-Organisation Bootcamps gibt es in Armenien mehr als 1200 Technologieunternehmen, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von 2,3 Milliarden US-Dollar erzielten.
Die Zahlen erfassen sowohl einheimische Unternehmen und lokale Außenstellen ausländischer Firmen, von denen einige Berichten zufolge aus Russland hierher gezogen sind, um die westlichen Sanktionen zu umgehen, die Russland aufgrund der Invasion in der Ukraine auferlegt wurden. Einige der zukünftigen Mitarbeiter von Nvidias KI-Fabrik werden wahrscheinlich aus den außerschulischen Programmen des armenischen Tumo Center for Creative Technologies hervorgehen.
Pegor Papazian, Tumos Chief Development Officer, sagte DW gegenüber, er und andere Technologieführer in Armenien hätten an Gesprächen über die Gründung der neuen KI-Fabrik teilgenommen. "Wir waren eingeladen, ein paar Ideen vorzustellen, wie wir kostenlose Computernutzung für Bildungs- und Forschungszwecke nutzen könnten", sagte er. "Es sieht so aus, als könnten wir direkt davon profitieren."
Große Hoffnungen
Tumo hat laut Papazian Projekte vorgeschlagen, darunter eine Studie über Schülerverhaltensdaten zur Personalisierung von Lernpfaden und eine Studie mit Schwerpunkt auf armenischer Architektur. Am letzten Tag des Hankavan-Camps dauerten die Gespräche über KI-Karrieren bis in den Abend.
Viktoria Melkonyan, eine 16-jährige Informatikstudentin, setzt große Hoffnungen in die neue Fabrik. "Es ist sehr überraschend, dass sie so viel Geld in den Bau von Servern investiert haben", sagte sie uns. "Ich denke, diese Investition von Nvidia in Armenien wird großartig sein. Sie wird der Welt zeigen, dass Armenien nicht zurückfällt, sondern aufholt und auch andere voranbringt."
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.