Im Geiste von JFK
28. August 2008Im Juni 1963 begeisterte John F. Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus die Berliner. 120.000 Menschen jubelten ihm damals begeistert zu. Sein Ausspruch "Ich bin ein Berliner" wurde legendär. Dass Barack Obama seine einzige große Rede in Europa in Berlin gehalten hat, ist nach Ansicht von Dieter Dettke kein Zufall: Der Kennedy-Mythos funktioniere in Deutschland sogar fast noch besser als in den USA, sagt Dettke, der viele Jahre Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington war, und heute an der Georgetown-Universität über europäisch-amerikanische Beziehungen lehrt. Denn Kennedy sei neben dem französischen Präsidenten Charles de Gaulles der erste gewesen, der den Deutschen wieder ein Nationalgefühl gegeben hat.
"Der Kennedy-Mythos besteht sicher aus ganz vielen Elementen", sagt Dettke. "Da ist einmal die Jugend, der Aufbruch. Das alte Amerika suchte nach etwas neuem." Zum anderen ist es der Versuch, das Land zu vereinen – damals die Rassenschranken zu überwinden, heute die Spaltung in Arm und Reich und in beiden Fällen, sich neuen Herausforderungen gemeinsam zu stellen.
Vom Kennedy-Clan geadelt
Auch die Mitglieder der Kennedy-Dynastie sehen diese Gemeinsamkeiten zwischen damals und heute, zwischen Kennedy und Obama. Zum ersten Mal hat ein amerikanischer Politiker durch sie den Ritterschlag erhalten. Es war Caroline Kennedy, die 50-jährige Tochter des ermordeten Präsidenten, die den Anfang machte - mit einem Artikel in der Zeitung "New York Times" im Januar, und einem öffentlichen Auftritt bei einer großen Wahlkampfveranstaltung direkt danach in der American University in Washington. Sie sprach Barack Obama ihre Unterstützung aus.
Zum ersten Mal in ihrem Leben sehe sie einen Mann, der so sei wie ihr Vater: "Barack Obama hat schon jetzt alle Amerikaner inspiriert, junge wie alte. Er fordert uns dazu auf, an uns selbst zu glauben und unsere höchsten Ideale zu verfolgen. Ideale wie Hoffnung, Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Frieden. Wir sollen uns vorstellen, dass wir gemeinsam große Dinge erreichen können."
"Der Traum lebt"
Damals kam Caroline Kennedy nicht allein, sondern brachte ihren Onkel Edward mit – der sich ebenfalls in einer mitreißenden Rede hinter Obama stellte. Am Montag auf dem Parteitag in Denver wiederholte sich das Szenario. Der 76-jährige Senator Kennedy, einer der großen einflussreichen Politiker Amerikas, ist inzwischen schwer an einem Gehirntumor erkrankt. Doch er ließ es sich nicht nehmen, persönlich nach Denver zu kommen und sich mit seiner ganzen Autorität für Barack Obama einzusetzen. Mit Obama werde eine neue Generation in Amerika die Verantwortung übernehmen sagte er: "Die Arbeit fängt wieder an, die Hoffnung ersteht wieder auf, der Traum lebt."
Damit ist der Stab weitergereicht von Camelot, jenem Hof des mythischen Königs Artus, mit dem der Kennedy-Clan so oft verglichen wird, nach Chicago, der Heimat von Barack Obama. Doch wie ähnlich sind sich der weiße Katholik Kennedy und der schwarze Christ Obama? Als Kennedy Präsident wurde, war er 43, also noch einige Jahre jünger als der 47-jährige Barack Obama. Kennedy aber war zu diesem Zeitpunkt schon ein hoch dekorierter Kriegsveteran und hatte 14 Jahre als Abgeordneter und Senator in Washington gedient. Seine Auslandsreisen hatten ihn nach Europa, Asien und den Nahen Osten geführt.
JFK als Vorbild
Dennoch, so Jackson Janes, Leiter des Instituts für zeitgenössische deutsche Studien in Washington, sei Kennedy für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt gewesen: "Kennedy war auch mehr Symbol als Inhalt damals, 1960." Setzt Obama also auf die richtige Strategie? Ja, meint Jackson Janes, aber: "Ich denke, er sollte das nicht übertreiben, denn viele Leute halten die damalige Zeit für einmalig."
Obama selbst nennt immer wieder John F. Kennedy als sein großes Vorbild. Seinen Führungsstil werde er als Präsident der Vereinigten Staaten anstreben, sagte er. Mit seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten am Donnerstag (28.8.2008) wird Barack Obama diesem Ziel einen Schritt näher kommen.
Die Schattenseiten werden verdrängt
Was bei all dem aber unberücksichtigt bleibt, sind die tragischen Elemente, die ebenfalls einen großen Teil des Kennedy-Mythos ausmachen: John F. Kennedy und sein Bruder Robert wurden ermordet, drei ihrer Söhne starben ebenfalls keines natürlichen Todes. John F. Kennedys Frauengeschichten, seine gesundheitlichen Probleme, die Skandale, die die Familie begleiten – an all diese dunklen Seiten will bei den Demokraten zurzeit niemand denken.