Obama stellt Merkels Buch "Freiheit" in den USA vor
2. Dezember 2024Beide sind seit Jahren nicht mehr im Amt, aber beide haben deutliche weltpolitische Spuren hinterlassen. Sie war einst die mächtigste Frau der Welt, er der mächtigste Mensch überhaupt.
Gibt es so etwas wie Freundschaft unter amtierenden Politikern, die vor allem den Interessen ihrer jeweiligen Länder dienen? Offenbar schon. Obamas Präsidentschaft von 2009 bis 2017 wurde von Merkels 16-jähriger Kanzlerschaft von 2005 bis 2021 sozusagen eingerahmt, und in dieser Zeit ist zwischen den beiden eine große Nähe entstanden. Obama bezeichnete Merkel gegen Ende seiner Amtszeit als seine engste Verbündete.
Zunächst die kalte Schulter - von beiden Seiten
Das war nicht immer so. Die Deutschen jubelten, als Barack Obama 2008 zum Präsidenten gewählt wurde. Doch Angela Merkel hatte ihn bereits brüskiert, als Obama noch Wahlkämpfer war: Sie verweigerte ihm im Sommer 2008 als Kanzlerin die Kulisse des Brandenburger Tors für eine Rede.
Der damalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten musste auf den Platz vor der Siegessäule ausweichen, wo ihn rund 200.000 Menschen wie einen zweiten Kennedy und als Erlöser von der zu Ende gehenden Ära George W. Bush feierten. Bush hatte 2003 mit dem Irak-Krieg einen Keil zwischen die USA und einen Teil der Europäer getrieben. Deutschland, damals unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder, war strikt gegen den Krieg. Merkel allerdings hatte sich als Oppositionsführerin auf die Seite Bushs gestellt.
2009, im ersten Jahr seiner Amtszeit, machte Obama trotz zweier Deutschland-Besuche einen Bogen um Berlin. Es wurde als Affront gewertet. Auch später blieb es kühl zwischen Merkel und Obama. Das hatte handfeste politische Gründe, vor allem die deutsche Enthaltung bei der UN-Entscheidung zu einem Militäreinsatz im libyschen Bürgerkrieg 2011.
Aber nicht nur deshalb. Auch damals schon drängte Washington den deutschen Verbündeten, mehr für seine Verteidigung auszugeben und wies auf angeblich zu hohe deutsche Handelsüberschüsse hin. Das alles hat sich später unter Donald Trump deutlich verschärft und dürfte sich mit seiner bald beginnenden zweiten Amtszeit weiter verschärfen.
Ausspähen unter Freunden
Aber trotz - oder gerade wegen - der damaligen Auseinandersetzungen verlieh Obama der Kanzlerin 2011 die "Freiheitsmedaille", die höchste Ehrung, die einem Ausländer zuteil werden kann. War es eine Versöhnungsgeste, eine Aufforderung, mehr Verantwortung zu übernehmen? Beobachter zogen damals beide Schlüsse.
Obama bekam 2013 dann doch noch seine Berliner Bühne am Brandenburger Tor. Er und Merkel legten sich gegenseitig die Hände auf die Schultern und demonstrierten Einigkeit. Doch die Irritationen nahmen wieder zu, vor allem, als der Umfang amerikanischer Ausspähungen des Geheimdienstes NSA bekannt wurde.
Im Oktober desselben Jahres kam heraus, dass die NSA sogar das Handy der Kanzlerin abgehört hatte. Merkel war außer sich und sagte einen Satz, der zu einem ihrer bekanntesten überhaupt werden sollte: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht." Größere politische Konsequenzen bleiben aber aus.
Obamas Lob für Merkels Flüchtlingspolitik
Je länger Merkel und Obama jeweils regierten, desto näher schienen sie sich politisch und persönlich zu kommen. Peter Beyer, Transatlantiker in Merkels konservativer CDU, sagte einmal der DW, Obama habe an Merkel vor allem "Pragmatismus, Verlässlichkeit und Professionalität" geschätzt. Und: "Er brauchte sie." Mit dem gewachsenen politischen und wirtschaftlichen Gewicht Deutschlands sei er an der Kanzlerin gar nicht vorbeigekommen.
Der G7-Gipfel im Sommer 2015 im Schloss Elmau in Bayern brachte das vielleicht berühmteste Foto der beiden, wie Obama mit ausgebreiteten Armen auf einer Bank sitzt und Merkel vor der Alpenkulisse ihm gestenreich etwas zu erklären scheint.
Politisch teilten sie vieles. Aber wie gut passten sie zueinander? Peter Beyer fand: "Sie sind unterschiedliche Charaktere." Aber das habe überhaupt nicht geschadet. "Obama ist ein begnadeter Redner, er geht auf die Menschen zu. Merkel sagt mit nur wenigen Worten das Notwendigste, sie ist keine große Rednerin, sie reißt die Menschen nicht zu Begeisterungsstürmen hin." Doch beide schätzten sich, weil sie sich ergänzten.
Wenige Wochen nach dem G7-Gipfel ließ Merkel die deutsche Grenze offen für Flüchtlinge. Der dramatische Schritt, der vielleicht wie keine andere Merkel-Entscheidung Deutschland polarisierte, wurde von Obama in den höchsten Tönen gelobt: Merkel habe "überzeugend daran erinnert, dass wir uns nicht abwenden dürfen, wenn unsere Mitmenschen vor uns stehen".
Für Trump wurde die Kanzlerin zum Negativbeispiel
Dann kam 2017 Donald Trump. Und Merkel wurde für Obamas Nachfolger im Weißen Haus zum Negativbeispiel. Der Republikaner hatte 2016 im Wahlkampf seine demokratische Rivalin Hillary Clinton zu "Amerikas Angela Merkel" erklärt. Clinton wolle Merkels "verrückte" Flüchtlingspolitik auch in den USA umsetzen, behauptete er.
Mit der Wahl von Trump schienen sich auf entscheidenden Politikfeldern die USA von einem Verbündeten zu einem Gegner Deutschlands zu wandeln: Freihandel, Klimaschutz oder der Umgang mit Flüchtlingen.
Merkel schreibt in ihren Erinnerungen über ein Treffen mit Trump am 17. März 2017: "Wir redeten auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Trump auf der emotionalen, ich auf der sachlichen." Und weiter: "Wenn er meinen Argumenten doch einmal Aufmerksamkeit schenkte, dann zumeist nur, um daraus neue Vorhaltungen zu konstruieren. Eine Lösung der angesprochenen Probleme schien nicht sein Ziel zu sein."
Es ist wie eine Ironie der Geschichte, dass Merkels Buch ausgerechnet jetzt erscheint, da Trump kurz vor seiner zweiten Amtszeit steht - und es wirkt fast wie Trotz, dass es Merkel in den USA zusammen mit Obama vorstellen will.
Obama hatte vor vier Jahren, im November 2020, bereits seine Memoiren "Ein verheißenes Land" veröffentlicht. Der mehr als tausend Seiten dicke Wälzer fand weltweit reißenden Absatz. Merkels mehr als 700 Seiten starkes Buch "Freiheit" soll in mehr als 30 Sprachen erscheinen, das internationale Interesse scheint hoch.
Sie will die englischsprachige Ausgabe zusammen mit Obama an diesem 2. Dezember im Anthem-Theater in Washington vorstellen. Einen besseren Werbeträger als Barack Obama könnte sich Angela Merkel wohl nicht wünschen.