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Pipeline Politik

7. November 2011

Eine neue Pipeline soll Ölsände von Kanada zum Golf von Mexiko bringen. Barack Obamas Anhänger fordern von ihm, die Genehmigung zu verweigern. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit des Präsidenten.

US demonstranten
Tausende sind gekommen, um Präsident Obama zu bewegen, keine Genehmigung für den Aus- und Neubau der Keystone-Pipiline von Kanada zum Golf von Mexiko zu erteilenBild: Christina Bergmann

Zu Tausenden ziehen die zumeist jungen Demonstranten an diesem sonnigen Herbstsonntag um das Weiße Haus. "Yes we can" rufen sie, wie vor drei Jahren, als viele von ihnen mitgeholfen haben, den Hausherren ins Amt zu bringen.

Doch dieses Mal wollen sie keinen Sieg feiern, sondern sie sind aus allen Teilen des Landes gekommen, weil sie eine konkrete Forderung an Barack Obama haben: "Stop die Keystone-Pipeline". "Ich bin enttäuscht, dass [Präsident Obama] keine Führungsstärke für den Klimaschutz und die Stärkung sauberer Energien gezeigt hat", erklärt Courtney Hight, Co-Direktorin der Energy Action Coalition, einem Zusammenschluss von Umweltgruppen, die von jungen Leuten organisiert werden. Die junge Frau, die sich 2007 für die Wahl Obamas ein ganzes Jahr engagiert, spricht aus, was viele hierhergebracht hat: "Er ist der Anführer, den wir gewählt haben und er muss der Ölindustrie entgegen treten und die Pipeline verhindern."

Die 2.700 Kilometer lange Pipeline soll Ölsände von den kanadischen Provinz Alberta quer durch die USA an den Golf von Mexiko bringen. Weil die Pipeline die Landesgrenze überquert, ist das US-Außenministerium für die Genehmigung zuständig.

Der Präsident hat unlängst in einem Interview mit einem Fernsehsender in Nebraska – einem der betroffenen Bundesstaaten – erklärt, dass er sich die Beurteilung des Außenministeriums vorlegen lassen und dann selbst die Entscheidung treffen wird. Dabei wolle er sowohl die wirtschaftlichen Vorteile als auch die Gesundheit der Amerikaner berücksichtigen: "Die Menschen in Nebraska, genauso wie im Rest des Landes," erklärte er, "werden nicht sagen: wir nehmen ein paar Tausend Jobs, wenn das bedeutet, dass unsere Kinder Wasser trinken, das ihre Gesundheit beeinträchtigt, oder wenn das ertragreiche Farmland in Nebraska darunter leidet."

Angst vor einem Ölleck nahe dem Grundwasserreservoir

Umweltschützer fordern einen Stop der PipelineBild: Christina Bergmann

Denn Umweltschützer laufen Sturm. Wenn ein Leck auftritt, erklärt Danielle Droitsch von der Umweltschutzorganisation "National Resources Defense Council", "dann könnte es zu einer Ölverseuchung in einem der größten Trinkwasserreservoire der USA kommen." Mehrere Millionen Menschen, führt sie aus, in sechs Bundesstaaten werden vom Ogallala-Aquifer mit Trinkwasser versorgt. Er ist die Grundwasserquelle für unzählige Farmer im Mittleren Westen der USA.

Seit drei Jahren läuft das Genehmigungsverfahren für die Pipeline des Betreibers TransCanada. Das Außenministerium hat eine Studie zu den Risiken in Auftrag gegeben, doch die Ergebnisse sind umstritten. Der Ingenieur Dr. John Stansbury der Universität von Nebraska hat die Daten nachgeprüft – und ist zu ganz anderen Resultaten gekommen.

Das Risiko eines Lecks und die möglichen Auswirkungen seien viel größer, sagt er, als in der Studie behauptet wird. Auch hält er die Zeit, die TransCanada für das Abschalten der Pipeline angibt, für unrealistisch kurz. Seine Hauptkritik aber richtet sich gegen die Vorgehensweise: "Alle Ergebnisse der Untersuchung stammen direkt von Berichten, Begutachtungen und Erklärungen von TransCanada oder deren Beraterfirmen, keine dieser Dinge sind unabhängig untersucht worden."

Unabhängigkeit der Studie angezweifelt

Umweltschützer weisen auch darauf hin, dass die Firma, die die Studie erstellt hat – Cardno ENTRIX – TransCanada als eine seiner früheren Hauptklienten aufführt und dass einer der Top-Lobbyisten der Ölfirma ein enger Berater von Außenministerin Hillary Clinton während deren Präsidentschaftskampagne war. Aus allen diesen Gründen fordern sie wenn schon nicht das Aus für die Pipeline, dann zumindest eine neue, unabhängige Studie.

Pipelinebefürworter wie das American Petroleum Institute (API) ficht das nicht an. John Kerekes, der beim API für die Region zuständige Direktor, sagt, man habe jetzt lange genug geprüft und es sei Zeit für eine Entscheidung.

Sollte die Baugenehmigung wie geplant noch in diesem Jahr erteilt werden, könne mit dem Bau umgehend begonnen werden. 2014 soll die Pipeline dann fertig sein. "Pipelines sind immer noch eine der sichersten und am besten geregelten Möglichkeiten, Rohöl und Petroleum zu transportieren", so Kerekes. Die geplante neue Keystone XL Pipeline entspreche der neuesten Technologie "und ist sicher".

Ebenfalls umstritten: Die Zahl der Arbeitsplätze, die durch die Pipeline tatsächlich geschaffen wird. Ursprünglich war von 13.000 Jobs für den Bau und 7.000 bei den Zulieferern die Rede. Inzwischen haben aber alle Seiten zugegeben, dass die tatsächliche Zahl weit darunter liegt. Hinzu kommt, dass die Förderung von Ölsänden einen besonders großen Kohlendioxidausstoß verursacht – 30 bis 40 Prozent mehr als bei der konventionellen Gewinnung von Öl, erklärt Umweltschützerin Danielle Droitsch. Die Europäische Union überlegt deswegen gerade, die Einfuhr von Ölsänden zu verbieten.

Obamas enttäuschte Anhänger

Der Chemiker Roger Shamel aus Boston fordert: "Obama setz Dich für das Klima ein"Bild: Christina Bergmann

Und dann ist da noch das Argument, dass man lieber das Öl des Nachbarn und Freundes Kanada nutzen soll, statt es aus dem Nahen und Mittleren Osten oder Südamerika zu importieren. Doch die Demonstranten vor dem Weißen Haus lassen das alles nicht gelten. Eine Genehmigung der Pipeline würde bedeuten, so erklärt Alex Russell, Zwölftklässler der James Madison High School aus Vienna, Virginia: "Wir fördern Öl aus jeder nur erdenklichen Quelle statt nach einer sauberen alternativen Energiequelle zu suchen."

Alex ist mit seinen Schulfreunden in die Hauptstadt gekommen, um gegen die Pipeline zu protestieren. Im nächsten Jahr darf er wählen – und er wird sich auf jeden Fall für Amtsinhaber Obama entscheiden, sagt er. Doch er würde sein Kreuz mit mehr Begeisterung machen, wenn der Präsident jetzt das richtige Signal setzt.

Nicht jeder ist dazu bereit. Der Chemiker Roger Shamel trägt ein Schild, das er aus einem der Obama-Wahlkampfplakate von 2008 gebastelt hat. "Obama setz Dich für das Klima ein" heißt es darauf. Der Präsident soll die Umweltpolitik zum Thema einer nationalen Ansprache machen, fordert Shamel, der wegen Obama und seiner Versprechen einer anderen Klimapolitik die Partei gewechselt hat. Ob er noch einmal für ihn stimmt, weiß er noch nicht.

Die Hoffnung stirbt zuletztBild: Christina Bergmann

Auch Steve France ist von Obama enttäuscht. "Mr. Obama - Wir haben immer noch Hoffnung" steht trotzdem auf seinem Schild. "Wir müssen für ihn stimmen", sagt er etwas resigniert, "wir haben keine Wahl." Aber: "Es ist ein Unterschied, ob die Leute dich wählen, oder ob sie begeistert von dir sind." Nur wenn sie begeistert sind, dann klopfen sie an Türen, machen Telefonanrufe und engagieren sich in ihrer Freizeit für ihren Kandidaten. Zumindest für die Umweltschützer in den USA, die viel von Präsident Obama erwartet haben, wird seine Entscheidung über die Keystone-Pipeline dafür den Ausschlag geben.

Autor: Christina Bergmann, Washington

Redaktion: Rob Mudge

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