Der frühere US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle produzieren eine Netflix-Serie. Thema: die Arbeit der US-Behörden unter Donald Trump. Die Vorlage stammt von Bestseller-Autor Michael Lewis.
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Die Vorstellung wirkt kurios: Ex-Kanzler Gerhard Schröder produziert anno 2007, rund zwei Jahre nach der Übergabe der Amtsgeschäfte an Angela Merkel, eine Serie über den Einfluss ihrer seiner Ansicht nach inkompetenten Amtsführung auf die Funktionstüchtigkeit der deutschen Behörden. Nun kommentiert Schröder zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Ausscheiden aus dem Amt gerne das aktuelle Politikgeschehen, eine direkte Beteiligung an einer medialen kritischen Aufarbeitung scheint dagegen undenkbar.
In den USA sind solche Grenzen durchlässiger - auch wenn Barack Obama Kritik an Donald Trump eher zwischen den Zeilen formuliert, weil es bei Ex-Präsidenten verpönt ist, sich persönlich über ihrer Nachfolger auszulassen. Die Beteiligung am Netflix-Projekt kann aber getrost als direkte Beanstandung von Trumps Entscheidungen verstanden werden.
Realität unterhaltsam beschrieben
"Erhöhtes Risiko" von Michael Lewis erschien im vergangenen Jahr als eines von mehreren Trump-kritischen Sachbüchern. Michael Lewis ist Spezialist für die unterhaltsame Umsetzung realer Stoffe. Mehrere seiner Werke wurden verfilmt, darunter der Oscar-prämierte Film "The Big Short" über die Praktiken von Investmentbankern und die Finanzkrise.
Die Obamas erwarben die Filmrechte an Lewis' neuestem Buch "Erhöhtes Risiko" im Oktober 2018 für ihre Produktionsfirma Higher Ground. Der Originaltitel "The Fifth Risk" bezieht sich auf Lewis' Befragung eines früheren Regierungsmitarbeiters nach den größten Risiken des Landes. Nach verschiedenen nuklearen Bedrohungen und der Anfälligkeit des Stromnetzes folgte - an fünfter Stelle: schlechtes Management.
Lewis beschreibt in seinem Buch den Staatsapparat unter Trump, der wichtige Positionen mit politisch und fachlich völlig unerfahrenen Vertrauten besetzte und damit begann, den Staatsapparat auszuhöhlen. Zur Übergabe der Amtsgeschäfte durch Regierungsbeamte seien Trumps Leute nicht erschienen, erzählte Lewis dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": "An den Institutionen dieses Staates, dem sie nun plötzlich vorstand, hatte und hat diese Regierung schlicht kein Interesse."
Hollywood macht mobil: Kino versus Trump
Hollywood mag Trump nicht, Trump Hollywood nicht. Auf diese Formel kann man die Beziehung zwischen dem US-Präsidenten und der amerikanischen Filmindustrie bringen. Drei aktuelle Filme spiegeln das schwierige Verhältnis.
Bild: Imago/Sony/BRON Studios
Politik und Medien: Der Spitzenkandidat
In den USA läuft Jason Reitmans Film "The Front Runner" (dt. Titel "Der Spitzenkandidat") schon ein paar Wochen in den Kinos, in Deutschland startet er an diesem Donnerstag (17.1.). In der Rolle des ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Gary Hart ist Hugh Jackman (unser Bild) zu sehen. Thematisiert wird vor allem das Verhältnis zwischen der US-Politik und den Medien im Lande.
Bild: Imago/Sony/BRON Studios
Im Fokus der Regisseure: Donald Trump
Auch der neue Film des amerikanischen Regie-Enfant-Terribles Michael Moore startet jetzt in den Kinos. Moore blickt in "Fahrenheit 11/9" zurück auf den Wahlkampf, in dem Trump (hier in einer Filmszene) vor zwei Jahren seine Konkurrentin Hillary Clinton überraschend hinter sich ließ. Der Film beleuchtet die Macht der Medien in den USA und lässt Gegner und Fans Trumps zu Wort kommen.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Briarcliff Entertainment
Die Macht des Vizepräsidenten: "Vice"
Schließlich spiegelt ein dritter aktueller amerikanischer Film die derzeitige politische Lage in den USA wider. "Vice" von Adam McKay ist in den USA kurz vor Weihnachten in die Kinos gekommen und läuft im Februar in Deutschland an. Es ist ein Porträt des ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney, der unter George W. Bush diente - und kann ebenfalls als Kommentar zu Trump verstanden werden.
Der australische Hollywood-Schauspieler Hugh Jackman ist im Film "Der Spitzenkandidat" in die Rolle des demokratischen Hoffnungsträgers Gary Hart geschlüpft, der 1988 schon als künftiger US-Präsident gehandelt wurde. Berichte über eine außereheliche Affäre brachten ihn damals zu Fall. Im Vergleich zu den Skandalen um Donald Trump erscheint der Fall Gary Hart heute harmlos.
Bild: Imago/Sony/BRON Studios
Ein Politiker in Bedrängnis
Die Affäre des Demokraten Gary Hart (hier eine Szene, in der Hart sich mit Journalisten auseinandersetzt) brachte diesen zu Fall. Jahre später ereignete sich der "Fall Lewinsky", der Präsident Bill Clinton in arge Bedrängnis brachte. Bei beiden Skandalen berichteten die Medien äußerst kritisch. Heute hat Donald Trump einen wichtigen Teil der Medien, den TV-Sender "Fox-News", auf seiner Seite.
Bild: Imago/Sony/BRON Studios
Skandalen auf der Spur: Michael Moore
Anders als der Film "Der Spitzenkandidat" versucht Michael Moore den Tücken der amerikanischen Gesellschaft und Politik mit dokumentarischen Mitteln zu Leibe zu rücken. Moore blickt dabei nicht nur nach Washington. Er reist durchs Land und schaut auch auf die Machenschaften korrupter Politiker in den einzelnen US-Bundesstaaten.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Briarcliff Entertainment
Was treibt die Amerikaner um?
Michael Moore, der 1998 mit Trump schon einmal in einer TV-Show saß, lässt in seinem Film viele Prominente zu Wort kommen, meist Gegner von Trump. Moore kritisiert dabei auch die seiner Meinung nach falsche Wahlkampf-Politik der Demokraten. Vor allem aber blickt der Regisseur auch auf die Basis, zeigt zum Beispiel die Proteste von Gegnern der US-Waffenpolitik nach einem Massaker im Mai 2018.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Briarcliff Entertainment
Der Mann im Hintergrund: "Vice"
"Vice" hingegen ist wieder ein Spielfilm. Regisseur Adam McKay inszeniert Schauspieler Christian Bale, der dafür soeben einen Golden Globe für die beste Hauptrolle bekam, als ebenso gewieften wie gewissenlosen Vize-Präsidenten Dick Cheney. Die Macht im Weißen Haus - so die Interpretation von Regisseur McKay - hatte nicht Präsident George W. Bush in der Hand -, sondern sein Stellvertreter.
Cheney und seine Frau Lynne (Amy Adams) sind in dem Film die eigentlichen Taktgeber der US-Politik in Washington. Sie bestimmen, wohin die Reise geht. Sie sind es, die in der Außen- und Militärpolitik ebenso wie in wirtschaftlichen und finanzpolitische Fragen die Vorgaben machen. Das könnte man auch als Kommentar zur derzeitigen Konstellation Donald Trump/Mike Pence interpretieren.
"Erhöhtes Risiko" ist ein Plädoyer für die lenkende Rolle der Verwaltung und die Bedeutung erfahrener Staatsdiener und steht damit im krassen Gegensatz zu US-Präsident Trump: "Er glaubt tatsächlich, dass der Staat nutzlos ist, er hat keine Ahnung, was seine Behörden tun, und er will es auch nicht wissen", so Lewis im "Spiegel".
Vor einem Jahr hatte der Streamingdienst Netflix die Zusammenarbeit mit den Obamas bekannt gegeben. Higher Ground arbeitet laut Netflix auch an einer Umsetzung des "New York Times"-Projekts "Overlooked" ("Übersehen"), das Nachrufe auf Verstorbene mit historischer Bedeutung veröffentlicht, über deren Ableben zum Todeszeitpunkt nicht berichtet wurde - weil sie Schwarze oder Frauen waren.