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Umstrittenes Gesetz

Michael Knigge28. Juni 2012

Die Entscheidung des Obersten Gerichts der USA über die Verfassungsmäßigkeit von Obamas Gesundheitsreform wird mit Spannung erwartet. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben.

US Supreme Court
Bild: dapd

Für US-Präsident Barack Obama steht in dieser Woche viel auf dem Spiel. Wenn das höchste Gericht des Landes, der Supreme Court, am Donnerstag (28.06.2012) über das Schicksal der Gesundheitsreform entscheidet, dann fällt er gleichzeitig auch ein Urteil über die erste Amtszeit Obamas.

Schließlich hatte der Präsident selbst die nach zähem Ringen gegen den erbitterten Widerstand der Republikaner verabschiedete Reform als sein wichtigstes Projekt bezeichnet. In einem Interview nannte er die Gesundheitsreform sogar das bedeutendste innenpolitische Gesetz seit der Einführung der Sozialversicherung in den dreißiger Jahren.

Historische Reform

Und tatsächlich ist das von den Republikanern abschätzig als Obamacare titulierte Gesetz ein Meilenstein der amerikanischen Gesundheits- und Sozialpolitik. Durch die vor zwei Jahren beschlossene Reform werden rund 30 Millionen Amerikaner in die Krankenversicherung aufgenommen, die dazu bisher keinen Zugang hatten. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Verbot, Menschen aufgrund ihrer medizinischen Vorgeschichte die Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung zu verwehren. Bisher war es für Menschen mit gesundheitlichen Problemen schwer oder unmöglich, Versicherungsschutz zu bekommen.

Das bedeutendste - und umstrittenste - Element des sogenannten Affordable Care Act ist jedoch die Versicherungspflicht. Im Grundsatz bedeutet das: Jeder Amerikaner muss ab 2014 krankenversichert sein, entweder selbst, wofür es auch staatliche Hilfen gibt, oder durch seinen Arbeitgeber. Wer keine Versicherung hat, muss Strafen bezahlen.

Zwang zur Versicherung

Und genau dieser Zwang sich zu versichern ist der Stein des Anstoßes. Für die Republikaner und andere Gegner steht das Gesetz für staatliche Regulierungswut der Demokraten unter Präsident Obama, die ganz eindeutig gegen die Verfassung verstößt. Im Klartext: Die US-Regierung habe nicht das Recht, alle Amerikaner zum Kauf einer Krankenversicherung zu verpflichten.

Wie unpopulär die Reform in weiten Teilen des Landes ist, verdeutlicht die Tatsache, dass mehr als zwanzig Bundesstaaten bereits Klage gegen die Reform eingereicht hatten, bevor Obama das Gesetz überhaupt unterzeichnet hatte. Laut einer aktuellen Umfrage lehnt die Mehrheit der Amerikaner die Gesundheitsreform ab - gleichzeitig befürworteten eine Mehrheit der Befragten zahlreiche Elemente der Reform. Mit einer Ausnahme: dem Versicherungszwang - dem Kern des Gesetzes - der von den meisten Amerikanern abgelehnt wird.

Für Barack Obama steht viel auf dem SpielBild: AP

Düstere Aussichten für Obama

Die meisten Rechtsexperten gehen nach der mündlichen Verhandlung - die für die US-Regierung äußerst schlecht lief - inzwischen davon aus, dass die Obersten Richter womöglich nicht das ganze Gesetzeswerk, aber zumindest Teile davon für verfassungswidrig erklären. Der Versicherungszwang, vermuten Verfassungsjuristen, dürfte bei den Richtern einen schweren Stand haben.

Sollte der Supreme Court den Versicherungszwang tatsächlich für verfassungswidrig erklären, dann wäre dies ein Tiefschlag für die Obama-Regierung. Selbst wenn die Richter andere Teile des Gesetzes intakt ließen, ist auch für Juristen unklar, wie das Gesetz ohne das Kernelement Versicherungszwang aufrecht erhalten werden könnte.

Persönlich und politisch wäre es für Obama kurz vor der Präsidentschaftswahl ein Desaster. Denn die Gesundheitsreform war praktisch die einzige innenpolitische Maßnahme, mit der der Präsident bei der liberalen Basis der Demokraten noch punkten konnte. Sollte dieser historische Erfolg nun auch noch zerpflückt werden, hat Obama nach vier Jahren Amtszeit innenpolitisch nur wenig vorzuweisen. Denn nach Meinung vieler Anhänger des Präsidenten ist die ursprünglich scharfe Finanzreform - Obamas zweites innenpolitisches Kernthema - ebenfalls stark unter die Räder gekommen.

Wahlkampfmunition für Republikaner

Für die Republikaner freilich wäre das Veto des Gerichts zur Gesundheitsreform ein weiterer Erfolg im Wahljahr. Sie könnten sich damit brüsten, die Gängelung der Bürger durch die Regierung im Sinne der Mehrheit der Amerikaner in die Schranken gewiesen zu haben. Außerdem hätten sie damit schon lange vor der Wahl eine Hauptaufgabe ihres Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney eingelöst: Der verkündet schließlich immer wieder, seine wichtigste Priorität in den ersten 100 Tagen als Präsident sei es, Obamacare zu beerdigen - und das, obwohl er als Gouverneur von Massachusetts eine Gesundheitsreform unterzeichnete, die Obama als Vorbild diente.

Romney's Gesundheitsreform gilt als Modell für Obamas PläneBild: Christina Bergmann
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