Obamas symbolträchtiger Besuch
5. Mai 2011Trauer statt Triumph, Stille statt Jubel: Bei einem Besuch mit viel Symbolkraft in New York hat US-Präsident Barack Obama am Donnerstag (05.05.2011) der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 gedacht. Er legte an Ground Zero einen Kranz nieder - dort, wo vor fast zehn Jahren Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers steuerten und die Gebäude zum Einsturz brachten. 2600 Menschen starben damals in New York. Als Drahtzieher des schlimmsten Anschlags in der US-Geschichte gilt Osama bin Laden. Der meistgesuchte Terrorist der Welt und Chef des Al-Kaida-Netzwerks war in der Nacht zum Montag bei einer Kommandoaktion in seinem Unterschlupf, einem Anwesen im pakistanischen Abbottabad, getötet worden.
Ohne (öffentliche) Worte
An Ground Zero wandte sich Obama nur an die Menschen, die bei dem Terrorakt Familienmitglieder oder Freunde verloren hatten. Es gab keine öffentliche Ansprache und nur geladene Gäste kamen näher an den Ort heran. Nach der Kranzniederlegung traf Obama mit Familien von Opfern zusammen. Auf seinen Wunsch hin hatte sein erster Besuch als Präsident an dem symbolträchtigen Ort einen privaten Charakter. Obama wollte mit den Menschen von Angesicht zu Angesicht sprechen.
Auch beim vorherigen Besuch der Feuerwache "Pride of Midtown" mussten die Journalisten nach einer Weile nach draußen. Mit 15 toten Feuerwehrleuten hatte es diese Wache besonders schlimm getroffen - eine komplette Schicht starb. "Als wir sagten, wir werden niemals vergessen, meinten wir das auch so", rief Obama den Feuerwehrleiten nun zu.
Weitere Einsätze in Pakistan möglich
Trotz Spannungen mit Pakistan schließt Obama weitere militärische Einsätze gegen Terrorverdächtige in dem Land nicht aus. Obama behalte sich das Recht vor, gegen Terroristen vorzugehen, die sich in Pakistan aufhielten, sagte sein Sprecher Jay Carney. Obama habe bereits zuvor deutlich gemacht, dass er Einsätze in Pakistan anordnen würde, sollten dort Terrorverdächtige aufgespürt werden. Er sei weiterhin der Ansicht, so Carney, dass dies der "richtige Ansatz" sei.
Obama hatte 2008 erklärt, er werde gegen bin Laden oder andere ranghohe Vertreter des Terrornetzwerks auch in Pakistan vorgehen, wenn die dortige Regierung "unfähig oder nicht willens" sei zu handeln. Die USA hatten Pakistan nicht im Voraus über die Kommandoaktion in Abbottabad informiert. Laut CIA-Chef Leon Panetta fürchtete Washington, dass pakistanische Beamte bin Laden sonst warnen könnten.
"Weder inkompetent noch nachlässig"
Pakistan seinerseits machte deutlich, dass es nicht-autorisierte Angriffe auf Terrorverdächtige auf seinem Territorium nicht dulde. Die pakistanischen Streitkräfte und die Regierung werden im eigenen Land heftig dafür kritisiert, dass sie die Verletzung ihres Hoheitsgebiets durch die USA hinnehmen. Der pakistanische Außenstaatssekretär Salman Bashir sagte dazu: "Die pakistanischen Sicherheitskräfte sind weder inkompetent noch nachlässig in ihrer heiligen Pflicht, Pakistan zu beschützen." Niemand solle daran zweifeln, dass eine Wiederholung einer Aktion wie der vom Montag verheerende Konsequenzen haben werde. Zugleich sagte er: "Wir erkennen an, dass die USA ein wichtiger Freund sind." Die Beziehungen zu Washington seien weiter wichtig und intakt.
Bashir widersprach Vorwürfen, der pakistanische Geheimdienst ISI habe bin Laden möglicherweise gedeckt. "Es ist leicht zu sagen, dass der ISI oder Elemente innerhalb der Regierung mit Al Kaida unter einer Decke steckten." Dieser "falsche Vorwurf" könne durch nichts belegt werden. Auch bestritt Bashir – aufgrund von laut werdenden Zweifeln im Inland – erneut, dass die Regierung in Islamabad schon vor der Landung der Hubschrauber in Abbottabad von dem Einsatz wusste. Die Streitkräfte hätten zwei Kampfflugzeuge entsandt, als sie bemerkt hätten, dass Hubschrauber über die Stadt flogen, sagte er. Offenbar seien die Flugzeuge aber zu spät eingetroffen.
Weniger Hilfe für Pakistan?
Pakistan hatte einst das Taliban-Regime in Afghanistan unterstützt, war aber nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 an der Seite der USA in den Kampf gegen den Terrorismus eingetreten. Seither überwiesen die USA Milliardenbeträge an Hilfsleistungen nach Pakistan. Einige US-Abgeordnete haben sich dafür ausgesprochen, die finanzielle Unterstützung zu kürzen. Barack Obama und andere hochrangige US-Politiker äußerten sich angesichts der wichtigen politischen Bedeutung Pakistans in der Region bislang nur vorsichtig zu möglichen Kürzungen.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Marko Langer