Wahl in Japan: Rechter Tiefschlag für Regierungskoalition
21. Juli 2025
Aufgrund der hohen Zugewinne von rechtspopulistischen Parteien hat die japanische Minderheitsregierung von Premier Shigeru Ishiba bei der Wahl am Sonntag (20.7.) ihre Mehrheit im Oberhaus verloren. Damit untergraben nun auch in Japan Rechtspopulismus und Polarisierung die politische Stabilität.
Ungeachtet seines zweiten Wahldebakels in neun Monaten will Premierminister Shigeru Ishiba aber weiterregieren. Er werde das Ergebnis "demütig hinnehmen" und "weiterhin Verantwortung für nationale Angelegenheiten übernehmen", erklärte Ishiba unter Verweis auf die laufenden Verhandlungen mit den USA über ein Zollabkommen. Ohne Vertrag tritt zum 1. August ein US-Einfuhrzoll von 25 Prozent auf alle japanischen Waren in Kraft.
Ishibas Verbleib im Amt hängt jedoch nicht mehr allein von ihm ab. Die erstarkte Opposition könnte ihn jederzeit über ein Misstrauensvotum stürzen. Allerdings sind sich diese Parteien nicht einig genug, um selbst eine Regierungskoalition zu schmieden. Auch droht Ishiba ein Aufstand innerhalb der eigenen Liberaldemokratischen Partei (LDP), die seit 70 Jahren fast ununterbrochen regiert und bisher immer mindestens eine Parlamentskammer kontrollierte. Das konservative LDP-Schwergewicht Taro Aso sagte, er könne Ishiba als Premier "nicht akzeptieren".
Doch scheinen mögliche Nachfolger erst einmal in Deckung zu bleiben. "Niemand will Ishiba in dieser für die LDP so schwierigen Zeit ersetzen", sagte der Politologe Masahiro Iwasaki von der Nihon-Universität.
Unerwartet knapper Ausgang
Bei der Neuwahl von 125 der 248 Sitze des Oberhauses verpasste die Regierungskoalition aus LDP und buddhistischer Komei-Partei das selbstgesetzte Ziel, ihre bisherige Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer zu behalten. Allerdings fehlten der Koalition am Ende nur drei Sitze, ein unerwartet knapper Ausgang verglichen mit den Prognosen. Die LDP dürfte nun versuchen, einige unabhängige Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Selbst wenn dies gelingt, steht die Regierung weiter auf wackeligem Grund.
Eine Option von Ishiba wäre, sein Regierungsbündnis zu erweitern. Aber die großen Oppositionsparteien erklärten bereits, sie würden in keine Große Koalition eintreten. Offenbar bezweifeln sie, dass Ishiba mittelfristig Premier und LDP-Chef bleibt.
Damit bleibt dem 68-jährigen Politiker nur die Option einer punktuellen Zusammenarbeit mit einzelnen Oppositionsparteien, wie er es bereits seit dem Verlust der Mehrheit im wichtigeren Unterhaus Ende Oktober praktiziert. Ohne schmerzhafte Zugeständnisse wird dies nicht gelingen, etwa in Steuerfragen.
So lehnte Ishiba vor der Wahl Oppositionsforderungen nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel ab. Statt desssen versprach er jedem Bürger eine Barzahlung von 20.000 Yen (116 Euro) bis zum Jahresende, um den Verlust der Kaufkraft durch die ungewohnt hohe Inflation auszugleichen.
Aufstieg der Rechtspopulisten
Laut japanischen Medien ist das Wahldebakel der LDP auf die Unzufriedenheit vieler Wähler mit den seit drei Jahren sinkenden Reallöhnen durch die hohe Inflation und die starke Zunahme an ausländischen Arbeitskräften und Touristen zurückzuführen. Davon profitierten zwei junge, rechtspopulistische Parteien am meisten, aber die größte Oppositionsgruppe, die Konstitutionelle Demokratische Partei von Ex-Premier Yoshihiko Noda, dagegen kaum.
Die erst fünf Jahre alte Sansei-Partei erhöhte die Zahl ihrer Sitze im Oberhaus von zwei auf 14 und die Demokratische Partei für das Volk von neun auf 17. In der Summe erhielten sie einer Schätzung zufolge mehr Stimmen als die LDP.
Die Sansei-Partei zog mit dem offen fremdenfeindlichen Slogan "Japan zuerst" in den Wahlkampf und warf der Regierung eine "Politik der verdeckten Einwanderung" vor. Die Zahl der Ausländer mit Wohnsitz wuchs im Vorjahr um zehn Prozent auf knapp vier Millionen. Die Ausländer, die wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung als Arbeitskräfte angeworben werden, würden die soziale Harmonie im Land stören, meint die Sansei-Partei. Ihr Gründer Sohei Kamiya nannte die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) und andere rechte Parteien in Europa als seine Vorbilder.
Die Demokratische Partei für das Volk mit ihrem charismatischen Vorsitzenden Yuichiro Tamaki ist nun die drittstärkste Kraft im Parteiensystem, was ihrer wichtigsten politischen Forderung nach Steuersenkungen Nachdruck verleiht. "Beide rechte Parteien konnten die Wut der jüngeren Generationen auf das politische System der 'Silberdemokratie' (Anm. d. Red.: Silber steht in Japan für die grauen Haaren der Senioren) und eine Wirtschaft mit steigenden Lebenshaltungskosten und stagnierenden Löhnen für sich nutzen", meinte der Analyst Tobias Harris.