Oberster US-Richter Rehnquist gestorben
4. September 2005Auch Kritiker räumten es am Sonntag (4.9.05) ein: Wer
immer Nachfolger des am Samstag im Alter von 80 Jahren gestorbenen William Hubbs Rehnquist wird, muss in große Fußstapfen treten.
33 Jahre lang trug Rehnquist im ehrwürdigen Justiztempel in Washington die schwarze Robe, die letzten 19 Jahre davon war er der Vorsitzende Richter. Sieben US-Präsidenten sah er in dieser Zeit kommen und gehen und in all den Jahren blieb er seiner Linie treu. Beharrlich und stetig rückte er das Gericht nach rechts.
Wenn er wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse zwischen konservativen und liberaleren Richtern einmal zurückstecken musste, äußerte er seine abweichende Meinung in zornigen schriftlichen Kommentaren. Sie machten ihn fast ebenso berühmt wie sein unerschütterlicher legaler Feldzug gegen die Beschneidung staatlicher Rechte, gegen zu viel Macht in den Händen der Bundesregierung.
Der "Lone Ranger"
Die stille "föderalistische Revolution" spiegelte sich in vielen Entscheidungen wider, die das Gericht unter seiner Führung traf, aber auch in den Fällen, die der Supreme Court von vornherein überhaupt nicht annahm - mit der Begründung, das sei Sache des Staates. Justizhistoriker glauben, dass dies Rehnquist zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der amerikanischen Rechtsgeschichte macht.
Die breite Öffentlichkeit verbindet sein hageres asketisches Gesicht dagegen eher mit einer ganzen Reihe von spektakulären Entscheidungen. Dazu gehören das Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Bill Clinton 1999 und ein Jahr später jener Spruch, der dem Republikaner George W. Bush den Sieg über seinen Herausforderer, den Demokraten Al Gore sicherte.
Rehnquist trug auch schon die Robe, als der Supreme Court 1973 seine historische Entscheidung zu Gunsten des Abtreibungsrechts fällte. Rehnquist war dagegen und machte das auch hinreichend deutlich.
Insgesamt hatte er nie Probleme damit, seine Haltung auch gegen die Mehrheit zu vertreten, gegen den Strom zu schwimmen. Das brachte ihm in Anlehnung an die gleichnamige Fernseh-Cowboy-Serie auch den Spitznamen "Lone Ranger" ein. Dazu nannte man ihn hinter vorgehaltener Hand den "stählernen Chief" - ein Mann, der bei Verhandlungen schlecht vorbereitete Anwälte rügte, Höflichkeit verlangte und die Effizienz des Gerichtes erhöhte, indem er eine Beschleunigung und Beschränkung von Verfahren auf das nötige Minimum durchsetzte.
Trotzdem viel Humor
Letzteres brachte ihm auch den großen Respekt seiner liberalen Kollegen im Gericht ein, die zudem schätzten, was die Öffentlichkeit kaum mitbekam: Rehnquist verfügte bei allem Ernst über eine große Portion trockenen Humors, der auch in Verhandlungen immer wieder durchblitzte. Und er liebte die Tradition: Seine Weihnachtspartys für die Angestellten sind in Gerichtskreisen schon fast legendär.
Rehnquist war der Enkel schwedischer Einwanderer und wuchs in Wisconsin auf. Nach dem Studium an der Stanford-Universität praktizierte er zunächst in Phoenix. Er war erst 47 Jahre alt und Anwalt im Justizministerium, als ihn Richard Nixon 1971 für den Supreme Court nominierte. Damals war das Gericht noch liberal geprägt - aber das sollte sich dann ändern. (kas)