1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Oberstes Gericht berät über Zwangspause

17. September 2019

Hat Boris Johnson gegen das Gesetz verstoßen, als er das Unterhaus in die Zwangspause geschickt hat? Darüber soll in dieser Woche der Supreme Court in Großbritannien entscheiden.

Großbritannien | Proteste vor dem Supreme Court
Proteste gegen Johnsons Politik vor dem Supreme Court in London Bild: Reuters/T. Melville

Großbritanniens oberster Gerichtshof hat mit seiner Anhörung zu der von Premierminister Boris Johnson auferlegten Zwangspause des Parlaments begonnen. Vergangene Woche hatte ein schottisches Berufungsgericht die fünfwöchige Parlamentsschließung für rechtswidrig erklärt - es handle sich um einen "ungeheuerlichen" Versuch, die Abgeordneten kaltzustellen. Die Regierung hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt.

In einem BBC-Interview erklärte Johnson, das Parlament habe durch die Zwangspause lediglich eine Handvoll Tage verloren und werde in der Lage sein, den Brexit-Deal, den er hoffentlich noch abschließen könne, unter die Lupe zu nehmen. Falls es nicht zu einer Einigung mit Brüssel komme, werde das Land am 31. Oktober aber trotzdem austreten, versicherte er nach einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Luxemburg.

Zwei weitere Klagen gegen die Zwangspause, vor dem High Court in London und dem High Court im nordirischen Belfast, waren dagegen abgelehnt worden. Nach Dafürhalten der Richter waren die Klagen unzulässig, weil es sich um eine politische, nicht um eine rechtliche Frage handele. Auch diese Entscheidungen sollen nun vom Supreme Court überprüft werden.

Unzulässiges politisches Manöver?

Der Streit um die Parlamentspause berührt den Kern der britischen Verfassung. Anders als in Deutschland und vielen anderen Ländern handelt es sich dabei nicht um ein einzelnes Dokument, sondern um eine ganze Reihe von Gesetzen, Gerichtsentscheidungen und Konventionen. Sie entwickelt sich ständig weiter und wird neuen Verhältnissen angepasst. 

Das Funktionieren dieses Systems ist davon abhängig, dass sich alle Akteure an bestimmte ungeschriebene Regeln halten. Aus Sicht seiner Kritiker hat Johnson gegen dieses Prinzip verstoßen, weil er die Parlamentsschließung als politisches Mittel eingesetzt hat, um notfalls einen EU-Austritt ohne Abkommen gegen den Mehrheitswillen der Abgeordneten zu erreichen. 

Die Richter müssen nun entscheiden, ob ein Einschreiten der Justiz geboten ist. Erwartet wird, dass der Supreme Court auch am Mittwoch und Donnerstag tagt und am Freitag eine Entscheidung verkündet.

Weiterer Rechtsstreit in Sicht

Begonnen hatte die Zwangspause in der Nacht zum 10. September. Bei der Schließungszeremonie kam es zu tumultartigen Szenen. Oppositions-Abgeordnete hielten Protestnoten mit der Aufschrift "zum Schweigen gebracht" hoch und skandierten "Schande über euch" in Richtung der Regierungsfraktion. Das Parlament soll erst am 14. Oktober - etwa zwei Wochen vor dem geplanten Brexit - wieder zusammentreten. 

Trotz Zwangspause konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz verabschiedeten, das den Premierminister zum Beantragen einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist verpflichtet. Sollte bis zum 19. Oktober kein Abkommen ratifiziert sein, müsste Johnson einen entsprechenden Antrag nach Brüssel schicken. Der Regierungschef will sich dem jedoch nicht beugen. Wie das gehen soll, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, ist unklar. Gut möglich, dass auch dieser Streit wieder vor Gericht landen wird.

ie/hk (dpa, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen