1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Gericht stoppt drei Agrargesetze in Indien

12. Januar 2021

Wochenlang haben Zehntausende Bauern unermüdlich gegen eine Agrarreform in Indien protestiert. Nun hat das Oberste Gericht deren Umsetzung auf Eis gelegt.

Indien Oberster Gerichtshof in Neu Dehli
Der Oberste Gerichtshof Indiens in Neu DelhiBild: picture-alliance/NurPhoto/N. Kachroo

"Wir suspendieren bis auf Weiteres die Implementierung der drei Landwirtschaftsgesetze", erklärte der Vorsitzende Richter Sharad Arvind Bobde. Man wolle die Mediation zwischen der Regierung und den protestierenden Bauern erleichtern, betonte das höchste Gericht Indiens. Es kündigte zudem die Gründung eines Komitees aus Experten an, die im Dialog mit den Konfliktparteien nach einer Lösung des festgefahrenen Streits suchen sollen. Das Gremium solle dem Gericht später einen Bericht zuleiten. Zuvor hatten mehrere Gesprächsrunden zwischen Bauern und der Regierung keine Einigung gebracht.

Der Vorsitzende Richter kritisierte den Umgang der Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi mit dem Konflikt als äußerst enttäuschend. "Jeder von uns wird dafür verantwortlich sein, wenn etwas Schlimmes passiert", warnte er.  "Wir wollen kein Blut an unseren Händen." 

Geplanter Direktverkauf

In Indien wurde Getreide bisher in staatlich organisierten Großmärkten zu garantierten Mindestpreisen gehandelt. Die umstrittenen Gesetze zu einer Liberalisierung der Märkte sehen vor, dass die Bauern ihre Ware ohne Mittelmänner auch direkt an Privatfirmen verkaufen können.

Ende November hatten Zehntausende Landwirte begonnen, aus Protest gegen das Gesetzespaket an den Stadträndern der indischen Hauptstadt zu kampieren. Zeitweise blockierten sie fünf große Einfallstraßen ganz oder teilweise. Die Polizei wurde massiv verstärkt und baute Barrieren, um die Bauern am Weiterziehen zu hindern. Mitte Dezember riefen die Organisatoren der Proteste zu einem eintägigen Hungerstreik auf.

Furcht vor übermächtigen Konzernen

Das Protestforum der Bauernverbände AIKSCC will vor allem drei im September beschlossene Gesetze zu Fall bringen, die nach seiner Einschätzung das Einkommen der Landwirte drücken und die Gewinne großer Agrarkonzerne steigern würden. Die Bauern verweisen zudem auf das Beispiel des Bundesstaats Bihar, der seinen Markt bereits weitgehend liberalisiert hat. Dort müssten die Produzenten nun ihre Waren mit einem Abschlag von 25 bis 30 Prozent verkaufen.

Protestierende Bauern am Stadtrand von Neu Delhi (im Dezember)Bild: Altaf Qadri/AP Photo/picture alliance

Indiens Premierminister argumentiert hingegen, die Gesetze würden die Bauern von antiquierten Marktordnungen befreien und ihnen bessere Preise auf dem freien Markt ermöglichen. Zudem würden die Reformen zu einer Modernisierung der Landwirtschaft führen. Die Regierung erklärte weiter, die neuen Regelungen komme den 150 Millionen Farmerfamilien zugute, auch wenn kurzfristig Schwierigkeiten zu erwarten seien.

Mehr als 60 Tote

Die meisten der Demonstranten in Neu-Delhi stammen aus den nordindischen Bundesstaaten Punjab und Haryana, der Kornkammer Indiens. Ihr Streik wird von Gewerkschaften und mindestens 15 Oppositionsparteien unterstützt. Es ist einer der größten Proteste in Indien seit Jahren.

Bei den Protesten sind nach Angaben von Bauernvertretern bisher mehr als 60 Landwirte zu Tode gekommen. Sie seien etwa bei Verkehrsunfällen oder wegen der nächtlichen Kälte ums Leben gekommen. Aus Protest gegen die Neuregelung haben sich allein vier Bauern das Leben genommen.

Die Landwirtschaft trägt rund 15 Prozent zur indischen Wirtschaftsleistung bei und ist Lebensgrundlage für rund 60 Prozent der 1,3 Milliarden Einwohner des Landes.

kle/AR (dpa, afpe, epd)