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Obst und Gemüse per Mausklick

Jennifer Fraczek / Stephanie Höppner8. März 2014

Die Deutschen bestellen gerne im Internet: Elektrogeräte, Schuhe, Bücher. Von einem Bereich haben sie aber lange die Finger gelassen - den Lebensmitteln. Experten glauben, dass sich das bald ändern wird.

Ein Obst- und Gemüsekorb (Foto: picture-alliance/chromorange)
Bild: picture alliance/chromorange

Sie wollen die Qualität von Tomaten erfühlen, Äpfel auf Wurmlöcher untersuchen, sich die schönsten Bananen aus dem Regal heraussuchen, und dann alles sofort mitnehmen, zu einem günstigen Preis. So begründen die Deutschen, warum sie lieber in den Supermarkt gehen, als frische Lebensmittel im Internet zu bestellen. Oft ist es auch nicht sonderlich weit bis zum nächsten Rewe, Aldi, Lidl, Kaiser's oder Netto. Die Supermarktdichte in Deutschland ist mit rund 24.800 Geschäften sehr hoch.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Online-Lebensmittelhandel - im Gegensatz zum Online-Handel insgesamt - hierzulande tatsächlich keine große Rolle spielt. Der Umsatz liegt bei rund einer halben Milliarde Euro. Das sind 0,35 Prozent vom Umsatz des gesamten Lebensmittel-Einzelhandels.

Einige große Firmen sehen aber Potenzial: Der Online-Versandhändler Amazon plant offenbar, sein Angebot an Lebensmitteln für deutsche Konsumenten zu erweitern - um Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Milch, also um frische Produkte. In den USA wird das schon getestet. Auch der zweitgrößte deutsche Lebensmittelhändler Rewe, zu dem die gleichnamigen Supermärkte und der Discounter Penny gehören, will sein Online-Angebot ausbauen. Es gibt ein eigenes Internet-Team dafür. "Wir haben dafür ein kleines Silicon Valley bei uns gegründet", sagte Rewe-Chef Alain Caparros kürzlich der Deutschen Presseagentur. Der Konzern will vorbereitet sein auf einen möglichen Boom.

Vervierfachung des Umsatzes bis 2020

Dass der Lebensmittelhandel im Internet den Läden vor Ort nach und nach das Wasser abgraben wird, glauben auch einige Experten. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney prognostiziert, dass der Umsatz bis 2020 auf zwei bis drei Milliarden Euro und der Anteil am Gesamt-Lebensmittelmarkt auf zwei bis zweieinhalb Prozent wachsen werden. Zwei Prozent der deutschen Konsumenten kauften schon jetzt mindestens einmal im Monat online Lebensmittel ein - doppelt so viele wie 2012, sagt Mirko Warschun, Leiter des Beratungsbereichs Konsumgüterindustrie und Handel in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei A.T. Kearney. Warschun ist Mit-Autor einer 2013 veröffentlichten Studie zu dem Thema.

Vorbild in Sachen Online-Lebensmittelhandel: TescoBild: AFP/Getty Images

In einigen anderen Ländern ist man da schon weiter. "In England hat man den Kunden schon früher abgeholt und sensibilisiert", erklärt Lars Hofacker vom EHI Retail Institute in Köln. In Frankreich seien Drive-In-Konzepte populär. Das heißt, dass die Lebensmittel online bestellt und dann abgeholt werden.

Geringe Margen im deutschen Lebensmittelhandel

Ob solche Konzepte in Deutschland Fuß fassen, wird auch vom Preis abhängen. "Die Deutschen sind sehr preisbewusst bei Lebensmitteln, das unterscheidet uns Deutsche auch von anderen Ländern", sagt Hofacker, der beim EHI den Forschungsbereich E-Commerce leitet. Für Online-Händler sei das eine Herausforderung, denn die Gewinnmargen sind beim Lebensmittelverkauf generell recht niedrig - anders als etwa bei Textilien oder Möbeln.

Noch bieten die Supermärkte mehr Auswahl als die meisten Online-LebensmittelshopsBild: picture-alliance/Rainer Hacken

Beim Online-Supermarkt Allyouneed.com würden die Produkte dennoch genauso viel wie bei den großen stationären Händlern kosten, sagt Allyouneed-Sprecher Max Thinius. Größere Margen bei Drogerieartikeln glichen kleinere bei Brot und Butter aus. "Und wir haben natürlich keine Filialen, also keine stationären Kosten."

Zu Buche schlägt im Versandhandel die aufwendige Logistik, also der Transport der Waren zum Kunden. Bei frischen Waren darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden, auch soll nicht zu viel Verpackungsmüll produziert werden. Zahlen zum Umsatz oder den Bestellungen will Allyouneed nicht nennen. Aber was die Margen angehe, sei ihr Geschäftsmodell "nicht uninteressant", sagt Thinius. In England hat die Supermarktkette Tesco im Jahr 2013 mit dem Online-Verkauf von Lebensmitteln schon 150 Millionen Euro Gewinn gemacht.

Nicht den Anschluss verpassen

Dass auch die Deutschen ihre Lebensmittel in Zukunft häufiger per Mausklick ordern werden, davon sind die Experten überzeugt: Viele Städter, sagen sie, werden es aus Bequemlichkeit oder Zeitnot tun, viele Menschen auf dem Land, weil sie es vielleicht müssen, wenn sie nicht weit fahren wollen.

Der Online-Handel sei wie ein Bazillus, sagt Rewe-Chef CaparrosBild: Rewe-Group

So setzt auch Allyouneed auf eine recht breite Zielgruppe: Als potenzielle Kunden sieht man Familien, Paare und Singles in den Ballungszentren, die samstags statt des Wocheneinkaufs lieber einen Ausflug machen oder abends keine Lust mehr haben, in den Supermarkt zu gehen. Im Blick hat man aber auch die Landbevölkerung. Dort gebe es oft weniger Supermärkte, sagt Allyouneed-Sprecher Thinius.

Die sogenannten "Pure Player" wie Allyouneed.com oder Food.de, die ausschließlich im Internet verkaufen, warten also auf die große Trendwende. Die Supermarktketten setzen wohl nicht unbedingt darauf, wollen sie aber auf keinen Fall verschlafen. Rewe-Chef Caparros ist jedenfalls überzeugt, dass das Zögern der deutschen Verbraucher in Sachen Online-Lebensmittelhandel nur eine Schonfrist ist. "Der Tagesbedarf wird schon bald online eingekauft werden", schätzt er die zukünftige Entwicklung ein. Es werde schleichend passieren. "Das ist wie ein Bazillus."

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