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KonflikteUkraine

Ukraine: Selenskyj stellt Odessa unter Militärverwaltung

Veröffentlicht 15. Oktober 2025Zuletzt aktualisiert 15. Oktober 2025

Am Dienstag hatte der ukrainische Präsident Selenskyj dem bisherigen Bürgermeister von Odessa, Hennadij Truchanow, die Staatsbürgerschaft entzogen. Nun schafft er weitere Fakten. Geht es nur um einen russischen Pass?

Ukrainer mit der Landesflagge auf der Potemkinschen Treppe in Odessa
Ukrainer mit der Landesflagge auf der Potemkinschen Treppe in Odessa (24.08.2025) Bild: Viacheslav Onyshchenko/SOPA Images/IMAGO

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im Konflikt mit dem Bürgermeister der Millionenstadt Odessa, Hennadij Truchanow, die Hafenstadt unter Militärverwaltung gestellt. Per Dekret bestimmte Selenskyj zugleich Geheimdienstgeneral Serhij Lyssak zu deren Chef. Lyssak war seit zweieinhalb Jahren Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk. Von dieser Aufgabe wurde er jetzt entbunden. 

Am Dienstag hatte der Präsident Truchanow die Staatsangehörigkeit entzogen. Ihm wird vorgeworfen, neben der ukrainischen Staatsbürgerschaft noch die russische zu besitzen. Als "Beweis" veröffentlichte der Geheimdienst SBU eine Kopie eines bis Dezember gültigen russischen Reisepasses, der angeblich Truchanow gehören soll.

Zweifel an der Echtheit der Dokumente 

Investigativjournalisten des russischen Portals "The Insider" zweifelten indes die Echtheit der vorgelegten Dokumente an. Die Überprüfung der Passnummer habe ergeben, dass ein derartiger Reisepass fünf Jahre früher und an eine Frau ausgegeben worden sei, hieß es. Zudem enthalte die veröffentlichte Kopie einen Fehler bei der englischen Transliteration des Vornamens Gennadi mit lateinischen Buchstaben. Statt "Gennadiy" sei "Genadiy" geschrieben worden.

Auch Truchanow weist Vorwurf zurück

Der Bürgermeister hat die Anschuldigung bereits mehrfach zurückgewiesen. "Ich habe nie einen russischen Pass besessen", bekräftigte er jetzt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Suspilne. Er verfüge über entsprechende Beweise. Truchanow will gegen den Entzug der ukrainischen Staatsbürgerschaft klagen.

Mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit ist das gewählte Stadtoberhaupt auch praktisch seines Amtes enthoben. Ihm könnte sogar eine Abschiebung drohen.

Zuletzt meldete Odessa am Montag russische Drohnenangriffe auf den Stadtrand Bild: Nina Liashonok/REUTERS

Truchanow, der einst als Politiker mit pro-russischer Ausrichtung galt, vollzog nach Russlands Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 eine Kehrtwende. Er verurteilte das Vorgehen des Kremls öffentlich und konzentrierte sich auf die Verteidigung Odessas und die Unterstützung der ukrainischen Armee.

Gegen Gesetz zur sogenannten Entkolonialisierung

Der heute 60-Jährige zog jedoch Kritik auf sich, weil er sich wiederholt gegen eine sogenannte Entrussifizierung ausgesprochen hatte. So war er gegen den Abriss von Denkmälern für Katharina die Große, Zarin von Russland, und den russischen Dichter Alexander Puschkin. 

Oleksij Hontscharenko, ein Abgeordneter der Opposition in Odessa, sagte, Truchanow habe zwar "viele Fragen" zu beantworten. Doch der Entzug seiner Staatsbürgerschaft gehe zu weit. "Heute werden sie Truchanow holen und wir werden uns alle freuen, weil er 'böse' ist. Aber morgen wird diese Repressionsmaschinerie gegen unbequeme Menschen entfesselt", warnte Hontscharenko auf seinem Social-Media-Kanal.

Auch zwischen Selenskyj und Klitschko knirscht es wiederholt

Selenskyj werden bereits seit längerem autoritäre Tendenzen vorgeworfen. Als Kritiker trat auch immer wieder der Bürgermeister der Hauptstadt Kyjiw, Vitali Klitschko, auf.

Vitali Klitschko: Bürgermeister der Hauptstadt Kyjiw (Archivbild) Bild: Danylo Antoniuk/Anadolu/picture alliance

Zwischen Klitschko und dem von Selenskyj eingesetzten Militärverwalter Tymur Tkatschenko kam es in den vergangenen Tagen zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen. Selenskyj hatte Klitschko nach Stromausfällen in Kyjiw infolge russischer Drohnenangriffe kritisiert.

Im Juli hatte Selenskyj das Oberhaupt der ehemals mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Onufrij, ausgebürgert. Auch ihm wurde vorgeworfen, neben dem ukrainischen zugleich einen russischen Pass zu besitzen. Der 80-Jährige wies die Anschuldigung zurück.

se/AR (dpa, rtr, afp)

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