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OECD: Aufschwung mit Risiken

1. Dezember 2021

Als "vorsichtig optimistisch" bezeichnet die OECD ihren globalen Wirtschaftsausblick. Demnach wird sich die Konjunkturerholung fortsetzen. Doch die Forscher warnen vor großen Gefahren.

Shenzhen Hafen
Bild: Chen Wen/China News Service/picture-alliance/dpa/MAXPPP

Die Weltwirtschaft werde in diesem Jahr um 5,6 Prozent wachsen, da die Pandemie inzwischen besser unter Kontrolle sei als im Vorjahr und in den meisten Ländern von einer konjunkturstützenden Geld- und Fiskalpolitik flankiert werde.

Zu dieser Prognose kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), einer Organisation 38 meist wohlhabender Länder mit Sitz in Paris. Gegenüber ihrer letzten Prognose im September hat die OECD ihren Ausblick um 0,1 Prozentpunkte reduziert. 

Die Erwartung der OECD liegt leicht unterhalb der 5,9 Prozent, die der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem im Oktober veröffentlichten Wirtschaftsausblick für das kommende Jahr vorhersagt.

Für das kommende Jahr geht die OECD dann von 4,5 Prozent Wachstum aus, dass sich dann 2023 auf 3,2 Prozent abschwächt.

Allerdings beklagt die OECD die in vielen Ländern noch sehr geringen Impfquoten, die negative Folgen für die Weltwirtschaft haben. "Dass es nicht gelungen ist, überall auf der Welt eine rasche und wirksame Durchimpfung der Bevölkerung zu gewährleisten, kommt die Welt nun teuer zu stehen", heißt es in der am Mittwoch in Paris und Berlin veröffentlichten Konjunkturprognose.

Omikron kann alles ändern

Die OECD hat ihren Wirtschaftsausblick erstellt, bevor sich die Omikron-Variante des Coronavirus über die Welt zu verbreiten begann. Welche Auswirkungen diese erneute Mutation haben wird, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass die Infektionszahlen in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern schon vor dem Auftauchen der ersten Omikron-Fälle neue Rekordwerte erreicht haben.

Die Autoren des OECD-Berichts stellen ihre Prognose deshalb unter Vorbehalt: "Die Zunahme der COVID-19-Fälle und die anhaltenden Angebotsengpässe in wichtigen Wirtschaftszweigen könnten die Konjunkturerholung verlangsamen." Was bedeutet, dass die gerade erst veröffentlichten Zahlen schon bald vielleicht nach unten korrigiert werden müssen.

Deutsche Wirtschaft wächst...

Für Deutschland erwartet die OECD ein Wachstum von 2,9 Prozent in diesem Jahr, gefolgt von 4,1 Prozent (2022) und 2,4 Prozent (2023).

Die Erholung werde durch die weiterhin bestehenden Lieferengpässe für Vorprodukte beeinträchtigt, darunter etwa die von der Autoindustrie benötigten Halbleiter. "Angesichts des hohen Auftragsbestands könnte es jedoch zu einer kräftigen Belebung kommen, wenn die Angebotsknappheit abnimmt", heißt es in dem Bericht.

Die Experten erwarten zudem, dass der private Konsum und die Investitionstätigkeit der Unternehmen anziehen werden, nicht zuletzt dank weiterhin niedriger Zinsen.

Der Australier Mathias Cormann hat Anfang Juni den Mexikaner Angel Gurria als Generalsekretär der OECD abgelöstBild: Ian Langsdon/AP Photo/picture alliance

Bei der zuletzt mit 5,2 Prozent sehr hohen Inflation in Deutschland erwartet die OECD im kommenden Jahr etwas Entspannung, glaubt aber nicht, dass sich die Teuerungsrate bald auf die von der Europäischen Zentralbank (EZB) gewünschten zwei Prozent einpendeln wird: "Der Preisauftrieb dürfte 2022 nachgeben, aber auf einem erhöhten Niveau bleiben."

Alles in allem stellt die OECD fest, dass die Wirtschaftsleistung der meisten ihrer Mitgliedsländer inzwischen das von 2019, also vor Beginn der Pandemie, übertroffen haben. Gleichzeitig warnt die Organisation vor wachsender Ungleichheit: "Länder mit niedrigerem Einkommen, insbesondere solche mit geringen Impfraten, drohen zurückzufallen", heißt es im Bericht.

... deutsche Mittelschicht schrumpft

Auch innerhalb der OECD-Länder sieht die Organisation wachsende Ungleichgewichte. Auf Deutschland bezogen deckt sich das mit einer Analyse, die die Bertelsmann-Stiftung ebenfalls am Mittwoch in Gütersloh veröffentlicht hat.

Demnach ist die Mittelschicht in Deutschland geschrumpft, das Armutsrisiko dagegen gewachsen. Zwischen 1995 und 2018 sei der Anteil der Mittelschicht an der deutschen Bevölkerung um sechs Prozentpunkte auf 64 Prozent zurückgegangen. Umgekehrt hätten sich die Chancen für Menschen, binnen vier Jahren in die Mittelschicht aufzusteigen, um mehr als zehn Prozentpunkte auf rund 30 Prozent verringert.

Im Vergleich mit 23 anderen Länder der OECD sei die Mittelschicht in Deutschland damit besonders stark geschrumpft, nur in Schweden, Finnland und Luxemburg sei der Rückgang noch stärker gewesen.

Warnungen

In ihrem Konjunkturausblick warnt die OECD ihre Mitglieder davor, wichtige Lektionen der Pandemie zu verschlafen. Dazu zählt sie die Reform der nationalen Gesundheitssysteme und eine bessere Koordination bei der Verteilung von Medikamenten. Auch täten die Staaten zu wenig, um jungen Menschen zu helfen, die durch Schulschließungen Nachteile bei der Ausbildung und beim Einstieg ins Berufsleben erlitten haben.

Und schließlich müssten auch die öffentlichen Finanzen überdacht werden. Die Hilfen und Konjunkturprogramme während der Pandemie seien richtig gewesen. Jetzt aber müsse wieder die Zukunft in den Fokus rücken, heißt es im Bericht: "Jetzt sollte die Fiskalpolitik produktive Investitionen unterstützen, die das Wachstum verstärken, darunter Investitionen in Bildung und Infrastruktur."

Als "alarmierend" bezeichnen die Forscher dagegen, dass im Kampf gegen den Klimawandel noch immer zu wenig unternommen werden. Hier werde "zu viel geredet und nicht genug gehandelt", so der Bericht.

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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