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Wachsende Ungleichheit

Carla Bleiker21. Mai 2015

Menschen am oberen Ende der Gehaltsskala verdienen in den Industriestaaten fast zehnmal so viel wie die mit den kleinsten Einkommen, so das Fazit einer neuen OECD-Studie. Und: die Ungleichheit sei schlecht für alle.

Zwei Hände; die linke hält eine Münze, die rechte jede Menge. (Foto: DW)
Bild: DW

Es ist ein Armutszeugnis für die Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Die Ungleichheit im Einkommen zwischen den ärmsten und den reichsten Menschen in der Bevölkerung wächst. Das ist nach Meinung der OECD nicht nur schlecht für die am unteren Ende der Skala, sondern auch für die an der Spitze. "In It Together: Why Less Inequality Benefits All" heißt die Studie, die erklärt, "warum mehr Gleichheit gut für alle ist."

Die Schere geht auf

"In den meisten Ländern ist der Abstand zwischen Reichen und Armen so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr", heißt es in dem Bericht. In den 34 Industrienationen verdienten die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung 9,6 mal so viel wie die ärmsten 10 Prozent.

Und die Schere öffnet sich laut den Zahlen immer weiter: In der Ungleichheitsstudie der OECD vor zwei Jahren lag das Verhältnis noch bei 9,5 zu eins. In den 80er Jahren lag es nur bei sieben zu eins, dann wuchs es jedes Jahrzehnt: In den 90ern verdienten die Reichsten achtmal so viel wie die Armen, in den 2000er Jahren neunmal so viel.

Teufelskreis: Die Kinder von Menschen mit niedrigem Einkommen haben es schwerer, später einen gutbezahlten Job zu bekommenBild: picture-alliance/dpa

"Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria bereits vergangenes Jahr. Schließlich litten nicht nur die Armen unter der ungleichen Einkommensverteilung. Aus der Studie geht hervor, dass das Bruttosozialprodukt eines Landes stärker wachsen könnte, würde mehr Gleichheit herrschen: "Steigende Ungleichheit ist schädlich für langfristiges Wirtschaftswachstum", so die Autoren.

Geschlechterunterschiede

Ein Grund für die Ungleichheit ist der sogenannte "Gender Pay Gap", also der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Laut dem OECD-Bericht verdienen Frauen in den 34 Industrieländern immer noch rund 15 Prozent weniger als Männer.

Das liegt nicht nur, aber auch an ungerechter Bezahlung für gleiche Arbeit, also wenn ein Mann und eine Frau den gleichen Job machen, aber ihr weniger bezahlt wird als ihm. Aber auch der Unterschied zwischen dem Durchschnittseinkommen aller Frauen und Männer ist in Deutschland recht hoch, sagt Arbeitsmarktexperte Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Zum einen arbeiten mehr Frauen als Männer in niedriger bezahlten Jobs wie Kindergärtnerin oder Verkäuferin, so Stettes. "Und das zweite ist, dass Frauen im Vergleich zu Männern weiterhin mehr Betreuungsverpflichtungen in der Familie übernehmen. Das heißt, sie setzen häufiger und länger aus als Männer, wenn ein Kind geboren wird. Und vor allem kehren sie später, wenn sie wieder arbeiten, vorwiegend in Teilzeit zurück." Dieses Muster führe zu Einkommensungleichheit.

In den skandinavischen Ländern, wo der Staat viele Möglichkeiten der Kinderbetreuung anbietet und viele Mütter früh wieder arbeiten, ist die Einkommensverteilung vergleichsweise gleichmäßig. Das sieht man an ihren niedrigen Gini-Index-Werten. Der Gini-Index wird von Wissenschaftlern als Maßstab für Einkommensverteilung benutzt. Die Länder liegen auf einer Skala von null bis eins. Ein Wert näher an eins bedeutet eine größere Ungleichheit in der Einkommensverteilung.

Was ist 'typische' Arbeit?

Ein weiterer Punkt für die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich ist der sich wandelnde Arbeitsmarkt. Mehr und mehr Menschen arbeiten in sogenannten "atypischen Arbeitsverhältnissen". Dazu gehören befristete Stellen, Teilzeitarbeit und Selbstständigkeit. Ihre Anzahl, so heißt es in dem Bericht, macht seit Mitte der 1990er Jahre mehr als die Hälfte aller neuentstandenen Jobs aus. Menschen, die so "atypisch" arbeiten, verdienen häufig weniger als Festangestellte, die Vollzeit und unbefristet arbeiten.

In Deutschland übten nach OECD-Angaben 2013 fast 40 Prozent aller Beschäftigten eine "atypische" Tätigkeit aus. Sie verdienten nur 56 Prozent des jährlichen Arbeitseinkommens eines Festangestellten. Dieser Unterschied ist in keinem OECD-Land außer Österreich größer.

Wege aus der Ungleichheit

Die OECD schlägt viele Wege vor, die die Politik ergreifen kann, um die Einkommensungleichheit einzuschränken. Die Organisation sagt, ein "mächtiges Instrument, das zu mehr Gleichheit und mehr Wirtschaftswachstum führt", sei ein stärker gestaffeltes Steuersystem, bei dem Großverdiener deutlich stärker besteuert werden als Menschen mit geringem Einkommen.

Frauen sollen im Beruf mehr Aufstiegschancen bekommenBild: picture-allianc/dpa

Weitere Vorschläge sind politische Strategien, die es Frauen leichter machen zu arbeiten - und für ihre Gleichberechtigung sorgen sollen - sowie der Ausbau von sicheren und fair bezahlten Arbeitsplätzen.

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