1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

OECD: Deutschland macht bei Integration einen guten Job

5. Juli 2024

Trotz vieler Probleme gelinge die Integration von Zuwanderern in Deutschland gut, betont eine Studie der OECD. Sorgen bereiten vor allem Menschen mit geringer Bildung. Und die meisten Zuwanderer kommen aus der EU.

In einem Friseursalon in Berlin schneidet ein Mann einem Kunden die Haare
Ein Friseursalon in Berlin: 70 Prozent der Zuwanderer in Deutschland gehen einer Arbeit nachBild: Ponizak/Caro/picture alliance

Glaubt man der gefühlten Ansicht vieler Menschen in Deutschland, dann gelingt die Integration von Zuwanderern und Geflüchteten eher schlecht. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)  zeigt jetzt, dass dieser Eindruck falsch ist. Trotz großer Probleme, etwa bei der Weiterbildung, steht Deutschland im Vergleich mit vielen europäischen Ländern bei der Integration gut da.

Die meisten Migranten kommen aus der EU

Der Migrationsexperte der OECD, Thomas Liebig, hat Daten zur Zuwanderung in Deutschland mit denen aus Staaten wie Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien und den skandinavischen Ländern verglichen. Mitgeholfen haben dabei erstmals umfangreiche Datensätze der Europäischen Union. Ergebnis: Die Öffentlichkeit konzentriert sich auf Asylsuchende und Geflüchtete etwa aus der Ukraine, aber der Hauptanteil der Zuwanderer kommt aus der EU selbst.

Während der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie erklärt Liebig: "Nur rund jede fünfte Person, die in den letzten zehn Jahren eingewandert ist, ist ein Geflüchteter. Der weit überwiegende Anteil der Zuwanderung nach Deutschland kam aus der Europäischen Union." Tatsächlich zeigt ein Blick auf die deutsche Migrations-Landschaft: Fast 60 Prozent der Menschen kommen, weil EU-Bürgern hierzulande ein leichter Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird.

Alabali-Radovan: "Wir sind ein Einwanderungsland"

Und längst, so die Studie, sind Zugewanderte in Deutschland ein großer und fester Teil der Gesellschaft. Das sieht auch Reem Alabali-Radovan so, die Beauftragte der Regierung für Migration und neuerdings auch Antirassismus. Die SPD-Politikerin hat die Studie gefördert und sagt jetzt: "Wir waren schon immer ein Einwanderungsland und das hat uns auch stark gemacht. Deutsche Einwanderungsgeschichte ist sehr divers. Sie besteht aus Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, aus Gast- und Vertragsarbeitern, aus Spätaussiedlern und Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien, später dann auch aus Syrien und aus Afghanistan."

Die Migrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) plädiert für eine sachlichere Debatte über MigrationBild: Malte Ossowski/Sven Simon/picture alliance

Wesentliches Merkmal für eine gelungene Integration ist, wie den Zugewanderten der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt gelingt. Die Studie zeigt: 70 Prozent der Zugewanderten sind in Deutschland erwerbstätig. Das ist mehr als in fast allen EU-Ländern und für Deutschland selbst ein Rekordwert, der nur durch die Corona-Pandemie kurzzeitig geringer ausfiel.

Probleme bei fehlender Schulbildung

Probleme gibt es aber dennoch viele: Zwar sprechen fast zwei Drittel der zugewanderten Menschen fünf Jahre nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik gut Deutsch. Aber von den Migranten, die aus ihren Herkunftsländern über gar keine oder nur eine geringe Schulbildung verfügen, erreicht nur ein Viertel nach fünf Jahren ein gutes Sprachniveau.

"Trotz allem Schatten sehen wir aber viel Licht" - Thomas Liebig (hier bei einer Veranstaltung in Wien)Bild: Slovenik/EXPA/Eibner Europa/IMAGO

Und hier liegt dann die Erwerbsquote auch nur bei rund 50 Prozent. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Zugewanderten mit Hochschulabschluss nur in Italien geringer als in Deutschland. Hier will Alabali-Radovan vor allem ansetzen. Sie sagt: "Das Bildungssystem ist immer noch nicht eingestellt auf diese Einwanderungsgesellschaft, die wir ja schon längst sind.  Deswegen braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung."

Ein weiteres Problem ist die Erwerbsquote von jungen Frauen mit mindestens einem Kind, die allein nach Deutschland kommen. 2021 waren nur rund 40 Prozent dieser Frauen auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Bei im Inland geborenen Frauen waren es 70 Prozent. Eine Lücke, die in Deutschland weit größer ist als in vielen anderen Ländern. Und die zuletzt vor allem Mütter aus der Ukraine betraf.

Aufruf zu mehr Sachlichkeit in aufgeheizter Migrationsdebatte

Aber bei allen Problemen: Eine Debatte darüber, ob Deutschland nun ein Einwanderungsland ist oder nicht, kann sich die Politik eigentlich nicht leisten, so die Studie. Thomas Liebig sagt: "In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 14 Millionen Eingewanderte, und wenn wir die direkten Nachkommen von Zuwanderern mit zwei eingewanderten Zuwanderern dazu nehmen, dann ist mehr als jede fünfte Person entweder im Ausland geboren oder hat eingewanderte Eltern."

Ähnlich klingt die Migrationsbeauftragte Alabani-Radovan: "Ich habe diesen Bericht auch deshalb gefördert, weil wir mehr Sachlichkeit brauchen in der aufgeheizten Debatte. Integration gelingt viel besser als ihr Ruf im internationalen Vergleich ist."

Nach den USA größtes OECD-Einwanderungsland

Nach den Vereinigten Staaten von Amerika ist Deutschland das OECD-Land mit der zweitgrößten Einwanderungsgesellschaft. Zu den 14 Millionen Menschen kamen 2022 noch einmal eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer hinzu. Und rund 600.000 Asylsuchende. Zu den 38 Mitgliedsländern der OECD zählen neben den EU-Staaten auch die Türkei, Norwegen und viele lateinamerikanische Länder.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen