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Kein Ende der Flüchtlingskrise in Sicht

Sabine Kinkartz, Berlin22. September 2015

Eine Million Menschen fliehen in diesem Jahr nach Europa, die meisten davon nach Deutschland. Die OECD sorgt sich: Angesichts der angespannten Lage in den Heimatländern wird die Fluchtbewegung anhalten.

Deutschland Grenze Freilassing Flüchtlinge Menschenmenge
Bild: Reuters/D. Ebenbichler

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet für das laufende Jahr einen Rekordwert an Asylanträgen in ihren 34 Mitgliedstaaten. Mit bis zu einer Million Anträgen könnte in diesem Jahr der höchste gemessene Wert seit Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht werden, heißt es im Migrationsausblick 2015. Als wichtigste Zielländer werden Deutschland, die USA, die Türkei, Schweden und Italien genannt. Deutschland sei inzwischen das zweitwichtigste Einwanderungsland weltweit, sagt der OECD-Ökonom Thomas Liebig.

Thomas Liebig, Ökonom bei der OECD in ParisBild: picture-alliance/dpa

Mit Blick auf die Zahlen spricht er von einer "großen Herausforderung", die Deutschland derzeit allerdings nicht überlasten werde. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland das wirtschaftlich stärkste Land in der Europäischen Union ist und die meisten Einwohner hat." Pro Kopf gerechnet nimmt Deutschland deutlich weniger Asylbewerber auf als Österreich und Schweden, das mit 7,8 Asylanträgen pro tausend Einwohner eine Spitzenposition einnimmt.

Männer reisen ihren Familien voraus

Doch die Anziehungskraft Europas wird in Zukunft nicht nachlassen. Dafür gibt es in der geographischen Nähe zu viele Krisen gleichzeitig. "Die Situation wird auf absehbare Zeit sehr angespannt bleiben", so Liebig. Der Bürgerkrieg in Syrien, die sich verschlechternde Sicherheitslage in Irak, Afghanistan und Libanon, aber auch die Versorgungssituation in Transitländern wie der Türkei lassen die OECD auch für die kommenden Jahre weiter sehr hohe Flüchtlingszahlen erwarten. "Auf lange Sicht wird das für Deutschland eine extrem hohe Herausforderung bedeuten, die auch ein Land wie Deutschland alleine nicht bewältigen kann." Es sei wichtig, eine gesamteuropäische Lösung zu finden.

Syrische Flüchtlinge, die nicht in der Türkei bleiben wollenBild: DW/A.L. Miller

Die Erfahrung zeigt, dass rund 40 Prozent aller Asylanträge positiv beschieden werden. Für 2015 würde das bedeuten, dass 400.000 bis 450.000 Flüchtlinge auf Dauer in Europa bleiben würden, die meisten davon in Deutschland. Dazu kommen die Menschen, die über den Familiennachzug in die europäischen Industrieländer kommen.

Nach Erkenntnissen der OECD sind derzeit 32 Prozent der Flüchtlinge jünger als 18 Jahre und 71 Prozent sind erwachsene Männer. Gleichzeitig sind in der Türkei die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge Frauen und Kinder. Es ist also davon auszugehen, dass die Männer die Vorhut sind und nach ihrer Anerkennung als Asylberechtigte ihre Familien nachholen werden.

Herausforderung Integration

Die OECD geht davon aus, dass die Integration in den kommenden Jahren besser verlaufen wird als zu Beginn der 90er Jahre. Es gebe bei allen Unterschieden Hinweise auf einen besseren Ausbildungsstand der Flüchtlinge. In Deutschland sei die öffentliche Meinung zu Flüchtlingen positiver geworden und das Land sei mit einer effizienteren Asylinfrastruktur und einer besseren Integrationspolitik inzwischen gut vorbereitet. Das gilt nach Ansicht der OECD auch für Österreich.

Während Flüchtlinge in den 1990er Jahren noch vom Arbeitsmarkt abgeschnitten waren, erhielten nach Daten der Bundesagentur für Arbeit im ersten Halbjahr 2015 knapp 11.000 Asylbewerber mit weniger als 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland eine Arbeitserlaubnis. Männer mit Migrationshintergrund haben in der Bundesrepublik inzwischen genauso oft einen Arbeitsplatz wie Männer, die im Land geboren sind. Das ist ein besserer Wert als in Kanada.

Flüchtlinge sollten vor allem in Regionen mit einem gut ausgebauten Arbeitsmarkt angesiedelt werden. "Im Idealfall sollte man Flüchtlinge dorthin bringen, wo gute Jobaussichten sind und nicht dort, wo günstiger Wohnraum zur Verfügung steht", fordert Thomas Liebig. Erfahrungen in Schweden hätten gezeigt, dass diese Art der Integration erfolgreicher sei. Im Durchschnitt dauerte es in der Vergangenheit in den europäischen Ländern etwa fünf bis sechs Jahre, bis die Mehrheit eine Beschäftigung hatte. "Je früher die Kinder in die Schulsysteme integriert werden und die Erwachsenen in den Arbeitsmarkt, desto besser ist die langfristige Integration."

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