1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Der unfreiwillige Youtube-Star

8. Januar 2017

Er ist berühmt-berüchtigt für seine verbalen Fauxpas, bekannt für schlechtes Englisch und seinen schwäbischen Akzent - weniger für seine politischen Leistungen. Trotzdem macht Günther Oettinger in der EU Karriere.

Europäer unter sich
Bild: DW/C. Hasselbach

Eines kann EU-Kommissar Günther Oettinger wie wohl wenige seiner CDU-Parteigenossen: Youtube-Hits landen. Mehrere Millionen Menschen schauten sich allein seine Rede auf einer Konferenz der Columbia-Universität in Berlin an. Vier Minuten lang geisterte Oettinger 2009 scheinbar ahnungslos durch seinen englischen Redebeitrag - und scheiterte an Aussprache und Betonung der einfachsten Vokabeln. Selbst das Wort "energy" war für den damals designierten EU-Kommissar für Energie eine kaum zu überwindende Hürde. Seitdem ist Günther Oettinger auch über deutsche Landesgrenzen hinaus bekannt als "der Mann mit dem Akzent" (NZZ). Es war nicht das erste Mal, dass der CDU-Politiker durch unpassende Wortbeiträge auffiel - und nicht das letzte Mal. 

Seine oft grenzwertigen Äußerungen sind bei Medienvertretern und Parteikollegen bereits als "echte Oettinger" bekannt. So zum Beispiel das Fettnäpfchen, in das er 2007 - als frisch gewählter Ministerpräsident von Baden-Württemberg - trat: Bei der Trauerfeier seines Amtsvorgängers Hans Filbinger erklärte Oettinger den ehemaligen NS-Richter zum "Gegner des NS-Regimes". Erst nach massivem Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel distanzierte sich der Schwabe von seinen Äußerungen.

Für heftige internationale Reaktionen sorgte der EU-Kommissar Ende Oktober 2016: In einer - eine halbe Million Mal geklickten - Rede vor Unternehmern in Hamburg (siehe Video) bezeichnete er Chinesen als "Schlitzaugen" und "Schlitzohren", worauf sogar die chinesische Regierung protestierte. Außerdem sprach Oettinger von einer drohenden "Pflicht-Homoehe" und machte missverständliche Äußerungen zur Frauenquote. Erst nach einem Gespräch mit seinem Vorgesetzten Jean-Claude Juncker entschuldigte sich Oettinger und erklärte, er habe die Rede "frei von der Leber" gehalten.

Kritische Fragen nach Oettingers Beförderung

Auch wegen dieser Rede muss sich Oettinger nun den kritischen Fragen des EU-Parlaments stellen - in den Ausschüssen für Haushalt, Haushaltskontrolle und Recht. Die Aussprache ist ein Pflichttermin, denn Günther Oettinger ist zum Jahresbeginn von Kommissionschef Juncker zum Haushalts- und Personalkommissar befördert worden. Nun ist er zugleich Kommissions-Vizepräsident. Das bedeutet für den bisherigen Kommissar für Digitales einen großen Machtzuwachs.

Von 2014 bis 2016 war Oettinger EU-Kommissar für DigitalesBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Vor diesem Gespräch haben zehn Nichtregierungsorganisationen einen offenen Brief an die EU-Parlamentarier geschrieben, in dem sie Oettingers Eignung für die neue Funktion anzweifelten. Er habe "in der Vergangenheit mehrfach rassistische, sexistische und homophobe Bemerkungen" gemacht. 

Zu große Nähe zu Industrievertretern?

Zur Sprache kommen auch sein umstrittener Flug im Privatjet eines Kreml-nahen Lobbyisten und weitere Treffen mit Industriellen. Das steht in dem bereits vorab veröffentlichten Fragenkatalog der EU-Parlamentarier. Oettinger sei "eindeutig" der EU-Kommissar mit den meisten Begegnungen mit Wirtschaftsvertretern. Nicht einmal jeden zehnten Gesprächstermin habe der Digitalkommissar mit Nichtregierungsorganisationen gehabt. 

Schon zu Beginn seiner Zeit als EU-Kommissar im Jahr 2010 - damals noch zuständig für das Ressort Energie - warfen ihm viele eine zu große Nähe zu den führenden deutschen Energiekonzernen vor. Er galt als Befürworter der Atomenergie, weshalb ihn Greenpeace von Anfang an als "schlechte Wahl" bezeichnete.

Nach der öffentlichen Trennung von seiner ersten Ehefrau, gab Oettinger die Beziehung zu Friederike Beyer (38) bekanntBild: picture-alliance/dpa/H. Boesl

Oettinger, der "Gigant des Details"

Ungeachtet dessen machte sich Günther Oettinger in den EU-Institutionen auch positiv einen Namen: Er ist bekannt für seine Detailtreue und Gewissenhaftigkeit. Selbst die Grünen im Europaparlament lobten ihn schon wenige Monate nach Amtsantritt für seine Sachkenntnis und Ausdauer. Er habe jetzt den Job, der zu ihm passe, bilanzierte der "Spiegel" 2011.

Seine jetzige Ernennung zum Vizepräsidenten der EU-Kommission zeigt, dass er in Brüssel Fuß gefasst hat. Jean-Claude Juncker begründete Oettingers Beförderung mit seiner "großen politischen Erfahrung" und seiner "Professionalität".

Professionell - aber keiner weiß es

Günther Oettinger (rechts) eröffnet als Ministerpräsident Baden-Württembergs ein VolksfestBild: picture-alliance/dpa/N. Försterling

Dass diese in weiten Teilen der Öffentlichkeit wenig Beachtung findet, bringt den 63-Jährigen nicht aus der Ruhe. Mit Kritik geht er gelassen um. Als er einmal - noch als baden-württembergischer Ministerpräsident - für seine feucht-fröhlichen Bilder bei offensichtlich alkoholreichen Abenden kritisiert wurde, sagte er, diese Dinge lägen "außerhalb der Kernarbeitszeit".

Seine lockere Zunge will er sich offenbar trotz "Schlitzaugenaffäre" bewahren. So hat er jüngst Europa als weltweit einmalig bezeichnet, während andere Kontinente weniger vielfältig seien und es deshalb nicht ganz so schwer hätten: "Nur der australische Kontinent hat mehr Kooperation, und der hat es zwischen den Einheimischen und ihren Kängurus relativ leicht."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen