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Offensive gegen Rechts

Ronny Blaschke27. Juni 2013

Lange verschlossen Sportverbände die Augen vor rechtsextremen Einflüssen, doch nun entstehen immer mehr Präventionsprojekte. Eine Hürde ist geblieben: Das Wissen lässt sich schwer an die Basis vermitteln.

Blick auf Fanblock in Cottbus 2005 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Plötzlich waren die Kameras da", sagt Gerd Liesegang. "Wir haben uns hilflos gefühlt." Der Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbandes erinnert an den September 2006: Spieler des jüdischen Vereins TuS Makkabi wurden im Osten der Hauptstadt von Neonazis antisemitisch geschmäht. "Synagogen müssen brennen", riefen sie über den Platz, "Vergast die Juden." Auch außerhalb Europas berichteten Medien über diesen Angriff, Reporter bescheinigten den Verbandsvertretern eine ignorante Aufarbeitung. "Wir waren im Ehrenamt überfordert, aber wir haben daraus gelernt", sagt Gerd Liesegang.

Der Berliner Fußball-Verband hat sieben Jahre später die wohl fortschrittlichste Ausrichtung der 21 Landesverbände des Deutschen Fußball-Bundes. Im Kampf gegen Rechtsextremismus hat Liesegang Schulungen für Trainer und Schiedsrichter auf den Weg gebracht, interkulturelle Turniere organisiert, Broschüren und Filme veröffentlicht, Orte des Gedenkens an Opfer des Nationalsozialismus geschaffen. "Wir haben die Probleme benannt und nach Lösungen gesucht", sagt Liesegang. Doch Gewalt und Diskriminierung sind nicht verschwunden. "Die Herausforderung ist es, unsere Konzepte an die Basis zu vermitteln."

Effizienz oder Eitelkeiten?

Lange hatte Angst vor Schlagzeilen und dem Verlust von Sponsoren Vereine schweigen lassen. Lange war es kaum möglich, ein kritisches Bewusstsein gegenüber Rechtsextremen zu schaffen, da Vereine zu verschworenen Gemeinschaften werden können, aus denen niemand ausgestoßen werden darf. Doch in den vergangenen vier, fünf Jahren sind Kampagnen entstanden, lokal und überregional: Ratgeber klären über Codierungen, Kleidermarken, Rekrutierungsversuche auf. Vereinssatzungen werden mit Passagen ergänzt, die den Ausschluss von Neonazis erleichtern sollen. Klubs erarbeiten einen Verhaltenskodex und versuchen, ihr demokratisches Engagement positiv zu besetzen: Für Vielfalt, für Toleranz, für Gleichberechtigung – nicht immer nur gegen Nazis. "Man hat lange genug weg geschaut", sagt der Sportsoziologe Gunter A. Pilz. "Wichtig ist, das erarbeitete Wissen zu vernetzen und weiter zu tragen." Einfach wird das nicht: 27,8 Millionen Mitgliedschaften sind in über 91.000 Sportvereinen organisiert, fast neun Millionen Menschen engagierten sich ehrenamtlich.

Der Wissenschaftler Pilz steht einem Netzwerk vor, das seit Anfang 2011 Ergebnisse bündelt und die engagierten Kräfte zusammenführt, Titel der Kampagne: "Sport und Politik verein(t) gegen Rechtsextremismus". Träger dieses Netzwerks sind führende Sportorganisationen wie der DFB und der Deutsche Olympische Sportbund, politische Machtzentren wie das Bundesinnenministerium oder das Familienministerium, aber auch wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Institutionen. Diese vielschichtige Allianz ist einmalig in Europa, doch lässt sie eine effektive Arbeit ohne Eitelkeiten zu? Gunter A. Pilz formulierte es beim Dialogforum der beteiligten Partner Ende der vergangenen Woche in Frankfurt so: "Die unterschiedlichen Institutionen unterliegen unterschiedlichen Zwängen. Es sind wichtige Schritte gemacht, aber es gibt Luft nach oben, wenn wir gegenseitige Befindlichkeiten außen vor lassen."

Sportsoziologe Gunter A. PilzBild: picture alliance / dpa

Jeder Verband braucht einen Ansprechpartner

Vertreter der lokalen Initiativen wurden in Frankfurt hinter vorgehaltener Hand deutlicher: Im Geflecht der Politik werden Ideen zerrieben, Beamte streiten über Formulierungen in den Handreichungen oder Fragen des Caterings. In kurzen Podiumsdebatten zum Auftakt des Dialogforums durften hochrangige Bündnispartner ihrer Bedeutung wortreich Ausdruck verleihen. Die meisten von ihnen verließen danach sofort die Veranstaltung, ohne mit einem ehrenamtlichen Sportvertreter gesprochen zu haben. Diese Floskeln scheinen der Preis zu sein für den beachtlichen Etat der Kampagne: Neben regelmäßigen Treffen und einem aufwändig produzierten Ratgeberfilm entsteht dadurch eine Studie, die Prävention und Bekämpfung lebensnah formulieren soll.

Die konstruktiven Workshops der Aktivisten am zweiten Tag des Forums stehen noch nicht stellvertretend für das Bewusstsein in der Sportlandschaft. Oftmals werden von öffentlichen Mitteln Broschüren gedruckt, die mit vergleichbarem Inhalt längst auf dem Markt sind und in Regalen von Klubheimen verstauben. Oft bieten Verbände die Beratung von Experten an, aber die Vereine nehmen das Angebot nicht wahr oder erfahren zu spät davon. "Wir sollten die Bildungsangebote an den sportlichen Alltag heranführen", sagt die Expertin Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen. Wenn es um Neonazis im Sport geht, wird sie in der Regel nicht von den Vereinen kontaktiert. "Anders ist es beim Thema Kindeswohl. Da erhalten wir besorgte Anrufe von Eltern und Betreuern." Sie empfiehlt, beide Themen zu verknüpfen, denn auch eine rechtsextreme Vereinnahmung könne das Wohl von Kindern gefährden. "Ziel muss es sein, dass jeder Verband einen kompetenten Ansprechpartner für die Vereine hat." Durch die neue Offensive gegen Rechts ist dieses Ziel wieder ein Stück näher gerückt.

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