Kurz geschlürft - dann weggeworfen: Einmal-Trinkhalme aus Plastik sind eine Umweltsünde und eine Gefahr für unsere Meere, meinen Anhänger der Initiative #StopSucking. Sie fordern: Schluss mit der Saugerei!
Anzeige
Diese Initiative scheint bestimmte Softwareprogramme ganz schön zu verwirren - und zwar solche, die uns vor anstößigen Inhalten schützen wollen. Wer die Twitter-Seite von @LonelyWhale besuchen möchte, bekommt - je nach Voreinstellungen - eine Warnung angezeigt: "Dieses Profil enthält potenziell sensible Inhalte. Möchtest Du es trotzdem ansehen?"
Tja, zu häufiges Benutzen des Worts 'Sucking' auf einer Webseite ist halt verdächtig. Dabei hat die Stiftung 'Lonely Whale' ein ganz und gar unanrüchiges Ziel: Unter dem Hashtag #StopSucking ('Hört mit dem Saugen auf') plädiert sie dafür, weniger Einmal-Plastik-Strohhalme zu benutzen.
"Jedes Jahr gelangen 10 Millionen Tonnen Plastik ins Meer", sagt Adrian Grenier, Mitgründer der Stiftung. "Plastikstrohhalme sind zwar nur ein kleiner Teil davon - aber sie sind ein guter Anfang, etwas zu verändern." Er verweist darauf, dass angeblich allein in den USA jeden Tag 500 Millionen Plastikstrohhalme benutzt werden.
Wenn solche Halme im Meer landen, können sie beispielsweise Meerestieren gefährlich werden. So sorgte vor kurzem ein Video auf YouTube für Aufsehen, das zeigt, wie Umweltschützer einer Meeresschildkröte unter viel Blut einen Strohhalm aus der Nase ziehen, der sich dort festgesetzt hatte.
Zur Gewohnheit werden
"Wir alle saugen jeden Tag an Wegwerf-Kunststoffhalmen - im Durchschnitt benutzt jeder von uns zwei pro Tag", sagt Adrian Grenier. Auf der von der EU ausgerichteten Meeresschutzkonferenz "Our Ocean", die diese Woche auf Malta stattfindet, präsentierte er die #StopSucking-Initiative. Am Ende seiner Rede forderte er die Delegierten aus aller Welt dazu auf, aufzustehen und zu geloben, in Zukunft keine Plastikhalme mehr zu benutzen.
"Wir bitten die Leute, nur eine Kleinigkeit zu ändern - und das dann zur Gewohnheit werden zu lassen", sagt Grenier. So wie jemand, der eine Cola bestellt, unter Umständen "ohne Eis" hinzufügt oder seinen Kaffee automatisch "ohne Milch und Zucker" möchte, so sollen Menschen bei jedem Getränk, das sie bestellen, einfach sagen: "ohne Strohhalm, bitte."
Lonely Whale ist nicht die einzige Organisation, die in den kleinen langen Plastikröhrchen ein Problem sieht. Die Kampagne "The Last Straw" beispielsweise fordert Veranstaltungsorte in Australien auf, auf Strohhalme zu verzichten, und die Initiative "Last Plastic Straw" in den USA demonstriert anhand von Strohhalmen, wie absurd Einmalplastik ganz allgemein ist.
Kurze Geschichte vom Strohhalm
Umweltschützer verweisen darauf, dass Strohhalme "total überflüssig" sind.
Aber nicht jeder mag vielleicht auf die liebgewonnene Gewohnheit, an seinem Strohhalm zu nuckeln, verzichten. Vor allem, da Strohhalme quasi eine Tradition der Menschheit sind und schon mehrere tausend Jahre alt.
Historiker datieren den Gebrauch von Strohhalmen zurück auf das dritte Jahrtausend vor Christus. Allem Anschein nach haben bereits die Sumerer in Mesopotamien Trinkhalme für ihr Bier benutzt. "Wenn man ungefiltertes Bier trinkt, war ein Strohhalm vermutlich nötig, um die Schichten aus Hülsen und Hefe zu durchstoßen, die auf der Oberfläche schwammen", schreiben die Historikerin Mary Voigt und der Anthropologe Solomon Katz.
Damals waren Trinkhalme natürlich nicht aus Plastik. Die meisten bestanden vermutlich aus Schilfrohr. Forscher fanden aber auch Trinkhalme aus purem Gold, womit vermutlich die Reichen von damals ihr Bier genossen haben.
Erst im 19. Jahrhundert entstand die heutige, moderne Form des Strohhalms. Es heißt, die Idee dazu habe ein Bürger aus Washington DC gehabt, als er einen Cocktail schlürfte. Bis in die 1960er Jahre bestanden Trinkhalme aus Papier, danach begann der Siegeszug des Plastiks.
Kampf gegen die Plastikflut
Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen in den Ozeanen und gefährden Fische und andere Meerestiere. Am World Oceans Day legt die DW den Fokus auf Folgen der Verschmutzung durch Plastik - und auf Wege, diese zu bekämpfen.
Bild: picture-alliance/dpa/M.Nelson
Mehr Müll als Fische?
Nicht weniger als acht Millionen Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Wird nichts unternommen, könnte bis 2050 mehr Plastik in den Meeren schwimmen als Fische. Ein Großteil des Mülls sammelt sich in mehreren großen Strudeln weit draußen im Meer. Strände, wie auf den Midwayinseln im Pazifischen Ozean, sind ebenfalls betroffen.
Bild: picture-alliance/dpa/R.Olenick
Dem Plastik verfallen
Plastik zerfällt mit der Zeit in kleine Partikel, die Meerestiere oft mit Nahrung verwechseln. Laut einer Studie der Universität Uppsala führt als Nahrung aufgenommenes Plastik bei Fischen zu gehemmtem Wachstum und einer erhöhten Sterberate. Fische scheinen Plastik sogar ihrer gewöhnlichen Nahrung vorzuziehen. Plastik in Fisch könnte auch ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen.
Bild: picture-alliance/dpa/R.Olenick
Essbare Alternativen
Die Ocean Conservancy schätzt, dass bereits mehr als 690 Arten von Meerestieren vom Plastikmüll betroffen sind. In dem Bestreben den Müll zu reduzieren, haben einige Unternehmen Alternativen entwickelt. So etwa die Delray Beach Brauerei in Florida: Essbare Träger für Sixpacks aus Reststoffen wie Weizen und Gerste sollen die alten Plastik-Träger ersetzen. Geplant ist die Produktion für Oktober.
Bild: picture-alliance/dpa/J. McDonald
Biologisch abbaubare Verpackungen
Einweg-Plastiktüten machen einen Großteil des Mülls in den Meeren aus. Ein polnischer Betrieb begegnet diesem Problem mit einer biologisch abbaubaren Alternative: Statt Plastik wird einfach Weizen-Kleie genutzt. Dem Erfinder Jerzy Wysocki zufolge kann die Biotrem-Verpackung in Ofen und Gefrierfach verwendet werden und soll sich in 30 Tagen zersetzen - und essbar ist sie auch noch.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Reszko
Ist Bambus die Rettung?
Der schnell wachsende Bambus ist eine weitere Alternative zu Plastik und kann für die Produktion von Duschvorhängen, Zahnbürsten und sogar Computer-Zubehör genutzt werden. Das Unternehmen Tonggu Jiangqiao aus der Bambus- und Holzindustrie, im Bild oben, begann im Jahr 2008 mit der Massenproduktion von Tastaturen, Mäusen und Monitorgehäusen.
Bild: picture-alliance/dpa/Z.Haibin
Schöpfkelle für den Ozean
Alternativen mögen helfen, den Müll zu reduzieren, doch Millionen Tonnen von Plastik treiben weiterhin für Jahrhunderte in den Weltmeeren. Das niederländische Projekt Ocean Cleanup will mit einem 100-Kilometer langen, schwimmenden Dammsystem das Plastik in den Meeren auffangen, ohne Fische oder andere Meerestiere zu gefährden. Die Anwendung im Pazifischen Ozean soll bis 2020 realisiert werden.
Bild: picture-alliance/dpa/E.Zwart
Mode aus Müll
Ein Teil des Plastiks könnte recycled und in anderer Form wiederverwendet werden, beispielsweise für Blumentöpfe, als Dämmmaterial oder – im Fall der spanischen Firma Ecoalf – für Kleidung. Das Modelabel aus Madrid nutzt Plastikmüll, der von Fischerbooten im Mittelmeer gesammelt wird und macht daraus Polyesterfasern – die wiederum zu Jacken, Rucksäcken oder anderen Modeartikeln verarbeitet werden.
Bild: AFP/Getty Images/P. Armestre
Reduce, Reuse, Recycle
Plastikmüll kann außerdem noch in seiner originalen Form wiederverwendet werden: Auf der Rio +20 Konferenz der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung im Jahr 2012 – 20 Jahre nach dem ersten World Oceans Day – wurden gigantische Fische aus Plastikflaschen entlang der Promenade von Rio de Janeiro ausgestellt.
Bild: picture-alliance/dpa/A.Lacerda
8 Bilder1 | 8
Es gibt Alternativen
Heutzutage wird Bier gefiltert, eigentlich braucht man also keine Strohhalme mehr. Von Ausnahmen mal abgesehen: Eine Schauspielerin, die für die Bühne geschminkt ist und dann Durst bekommt, kann mit einem Trinkhalm ihr Lippen-Make-Up schützen und sich ein erneutes Schminken ersparen.
Aber das ist kein Problem, stellt Lonely Whale auf seiner Webseite klar: "Wir sind nicht gegen Strohhalme allgemein, wir sind nur gegen Einmalplastik." Es gebe ozeanfreundliche Alternativen, etwa Halme aus Metall, Glas oder eben die guten alten Halme aus Papier.
Auf der Meeresschutzkonferenz in Malta stellt Adrian Grenier klar, dass die #StopSucking-Initiative "einen kleinen messbaren Erfolg" erreichen wolle. "Es geht nicht darum, alles sofort zu tun."
Letzten Monat hatte sich die Initiative zum Ziel gesetzt, den Strohhalmgebrauch in Seattle an der Westküste der USA einzudämmen. Sie überredete hunderte Restaurants und Bars sowie zwei Sportstadien, auf Trinkhalme entweder völlig zu verzichten oder zumindest auf solche aus Papier umzusteigen. "Insgesamt haben wir zwei Millionen Halme gespart", sagt Grenier. "Und das von jetzt an für jeden Monat." Ihr Ziel sind 60 Millionen gesparte Trinkhalme jedes Jahr - alleine in Seattle.
Letzten Endes sei die Anti-Strohhalm-Initiative nur ein Beispiel dafür, "wie wir unseren Lebensstil ändern können und die Art, wie wir leben wollen", sagt Grenier. Verglichen mit so vielen anderen Opfern, die Umweltschützer von uns fordern, mag das Verzichten auf einen Strohhalm tatsächlich kaum weh tun.
Das Interview mit Adrian Grenier hat One Ocean FM durchgeführt.
Manilas Strände: Müll, so weit das Auge reicht
Philippinen - da denken Sie an Palmen, Sandstrände und Inselromantik? Auch. Aber vor allem gibt es massenweise Plastikmüll. Umweltaktivisten haben sich jetzt mal genauer angesehen, was da alles angeschwemmt wird.
Bild: Jilson Tiu/Greenpeace
Müll statt Sand
Die künstlich erschaffene Freedom-Insel in der Bucht von Manila könnte so schön sein: Ein Mangrovenwald zieht Zugvögel aus aller Welt an. Aber an den Stränden der Insel hat sich inzwischen noch etwas ganz anderes breit gemacht: Plastikmüll - ebenfalls aus aller Welt.
Bild: Daniel Müller/Greenpeace
Genug ist genug
Es reicht jetzt, fanden Umweltaktivisten von Greenpeace Philippines und der internationalen "Break free from Plastic"-Bewegung. Gemeinsam schritten sie zu einer Putzaktion.
Bild: Daniel Müller/Greenpeace
Harte Arbeit
Styropor, weggeworfene Flip-Flops, Plastiktüten, Verpackungen - Freiwillige investierten laut Greenpeace 10.000 Arbeitsstunden, um die Strände an der Freedom-Insel von ihrem ganzen Müll zu befreien.
Bild: Jilson Tiu/Greenpeace
Was kommt woher?
Die Aktivisten räumten den Müll allerdings nicht nur weg - sie sortierten ihn auch. Denn sie wollten wissen, welche Art von Abfall an den Stränden der Philippinen landet und wo er herkommt.
Bild: Daniel Müller/Greenpeace
Das Ergebnis
Der Plastikmüll stamme hauptsächlich von drei Konzernen, sagen die Umweltaktivisten: Nestlé, Unilever und das indonesische Unternehmen PT Torabika Mayora. Allein 9000 Verpackungsteile von Nestlé-Produkten habe man am Strand aufgeklaubt.
Bild: Daniel Müller/Greenpeace
Einmal und nie wieder
Besonders verheerend sind laut Greenpeace kleine handliche Einmalverpackungen, die portionsweise alles von Shampoo bis Tütensuppe enthalten. Der Kundenbedarf nach solchen Convenience-Verpackungen sei groß. Aber bisher existiere kein Abfallmanagement, das mit den riesigen Mengen Abfall klarkommt.
Bild: Daniel Müller/Greenpeace
Damit keiner aufräumen muss
Unternehmen sollten ihre Verpackungsstrategien überdenken, mahnen die Aktivisten, und mehr nachfüllbare Verpackungen verwenden. Die Devise: von vorne herein Abfall vermeiden.
Bild: Jilson Tiu/Greenpeace
Eklig
Nach einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2015 zählen die Philippinen zu den drei größten Meeresverschmutzern aufgrund von Plastikmüll, gleich hinter China und Indonesien.
Bild: Jilson Tiu/Greenpeace
So kann es auch aussehen
Saubere Sandstrände - so stellt man sich die Philippinen vor. Aber auch nach einer Aufräumaktion wie dieser wird es nicht lange dauern, dann wird schon der nächste Plastikmüll angespült werden. Und wer räumt den dann weg?