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Übermaß

Irene Haider22. September 2008

Das Münchner Oktoberfest ist eröffnet. Doch nicht jeder darf hautnah mit dabei sein. Die Zelte sind regelmäßig wegen Überfüllung geschlossen. Vor allem für Touristen, die von weit her kommen, ist das ziemlich ärgerlich.

Oktoberfestbedienungen posieren im Dirndl und mit Maßkrug.
Dirndl und Lederhosen sind wieder in Mode auf der Wies'nBild: AP

Elf Flugstunden einfach für 1000 Euro. Und dann auch noch das Geld für die Übernachtung. Jeremy und Christopher aus Südafrika lassen sich ihren Oktoberfestbesuch einiges kosten. Für drei Tage sind sie in München, um Bier zu trinken, zu flirten, zu lachen und zu tanzen. Zum Auftakt der "Wiesn", wie die Einheimischen zum Oktoberfest sagen, läuft für sie aber noch nicht alles nach Plan. "Vor jedem Zelt ist eine ewig lange Schlange. Und die Türsteher lassen keinen rein hier", beklagt sich Jeremy. Er war schon im vergangenen Jahr zum Oktoberfest in München. Damals bekam er immer einen Sitzplatz im Zelt. Und weil es so schön war, ist er wieder gekommen. Doch in diesem Jahr werden er und Christopher von einem Türsteher nach dem anderen abgewiesen.

"Das ist nicht sehr gastfreundlich", meint Christopher, der zum ersten Mal in München – und ein bisschen geschockt ist. "Schließlich würden die viele Touristen ja auch viel Geld nach München bringen", betont er.

In dieser Hinsicht hat Christopher die volle Rückendeckung des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude. Der Gastgeber ist sich voll bewusst, dass die Bier-Urlauber dafür sorgen, dass in den zweieinhalb Wochen Wiesn-Zeit die Münchner Hotels bis auf das letzte Zimmer ausgebucht sind. Essen, Trinken und sonstiger Konsum kommen noch obendrauf. Der Stadtkämmerer kann sich in jedem Jahr über ein hübsches Sümmchen Gewerbesteuer freuen - Wirtschaftsfaktors Oktoberfest.

Jeder findet Platz im Zelt

Am ersten Wochenende kamen 900.000 Menschen zum 175. Münchner OktoberfestBild: AP

Glaubt man aber der Münchner Tourismus-Chefin Gabriele Weishäupl findet auf dem Oktoberfest jeder Gast seinen Platz. Schließlich habe die Wiesn 16 Tage, der Großteil der Plätze dürfe ohnehin nicht reserviert werden. Wer wirklich sicher gehen will, sollte sich aber schon frühzeitig und am besten unter der Woche ins Zelt begeben. Sicher ist sicher. Doch Jeremy und Christopher hilft das in diesem Moment nicht weiter. Aus der Not machen sie eine Tugend – schlendern über die bunte Festwiese, vorbei an rasanten Fahrgeschäften, Fressbuden mit Zuckerwatte und Lebkuchenherzen sowie Schießbuden. Schließlich führt sie der Durst aber doch wieder zu einem Bierzelt.

Und dieses Mal haben sie Glück. Der Türsteher lässt sie eintreten und den beiden Männern aus dem fernen Süden öffnet sich die Tür in eine Tanzhölle, in der es nach Bier, Schweinebraten und Schweiß riecht. Das hält nur aus, wer einfach mitmacht – beim Trinken, Essen, Schwitzen.

Es dauert keine fünf Minuten, bis Jeremy und Christopher ihre erste Maß Bier in der Hand haben, sich zuprosten und auf die Bierbank klettern. "Wunderbar", sei das Gefühl des ersten Schlucks, sagen sie. Und Jeremy empfindet das Bier als eine Wohltat, die sogar "entgiftend" wirke. Da spricht einer, der wohl schon einige Bier-Erfahrung hinter sich hat. Von seinem letzten Oktoberfest-Trip, bei dem er täglich bis zu sieben Liter Bier getrunken haben will. So richtig gut sei es ihm anschließend zwar nicht mehr gegangen, aber zwischendurch habe er wenigstens seinen Spaß gehabt.

Tracht ist Pflicht

Das Bier fließt auch dieses Jahr wieder in StrömenBild: AP

Dann wendet er sich wieder seinen Tischgenossen zu – einer Gruppe Deutscher, alle in Dirndl und Lederhose gekleidet. Tracht ist in den vergangenen fünf Jahren zur Pflicht geworden auf dem Oktoberfest – zumindest für Einheimische. Doch auch immer mehr Urlauber legen sich die Wiesn-Uniform zu. Eine richtige Trachtenindustrie hat sich in den vergangenen Jahren rund um die Festwiese angesiedelt. Auch wenn so manche Kombination echte Trachtenliebhaber die Stirn runzeln lässt, angesichts der Rocklänge und manch kitschiger Verzierung.

Doch vielen gefällt’s und nach ein paar Maß schaut ohnehin keiner mehr so genau hin. Ähnlich ist es mit dem Hinhören, wenn das traditionelle Liedgut der Bayern ausgepackt wird. Denn wenn etwa die Südafrikaner Jeremy und Christopher bayerisch grölen, hört sich das für den Einheimischen sehr interessant an.

Doch auch das ändert sich nach ein paar Stunden, wenn die ersten Freundschaften geschlossen, die ersten Texte frei übersetzt sowie Musik und Bier ins Blut übergegangen sind.

Dann hat sich selbst der Ärger über das lange Warten vorm Zelt in Bierdunst aufgelöst - Prost.

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