Olaf Scholz möchte Bundeskanzler in Deutschland bleiben
19. Februar 2025
Es war im September 2024, als der SPD-Politiker Olaf Scholz in einem Interview für die Berliner Zeitung "Tagesspiegel" danach gefragt wurde, was er hoffe, dass eines Tages über seine Kanzlerschaft in den Geschichtsbüchern stehen werde. Die kurze und trockene Antwort des heute 66-Jährigen: "Ich finde, man sollte sich hüten vor Politikern, die darüber vor oder während ihres Amtes nachdenken."
Mittlerweile wird er vielleicht doch ins Nachdenken gekommen sein. Seine Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ist zerbrochen, am 23. Februar 2025 finden deshalb vorgezogene Neuwahlen statt. In Umfragen liegt die SPD abgeschlagen hinter der konservativen CDU/CSU und der in Teilen rechtsextremen AfD zurück. Sollte Scholz keine Trendwende gelingen, wird er die kürzeste Amtszeit aller Bundeskanzler in den vergangenen fünf Jahrzehnten gehabt haben.
Der stoische Optimist
Doch Olaf Scholz setzt auf Sieg. So unbeirrt, wie er schon die Bundestagswahl 2021 bestritt - und gewann. Auch damals lag die SPD im Wahlkampf in Umfragen bei rund 15 Prozent und Scholz wurde für seinen stoischen Optimismus spöttisch belächelt. Dann machte die CDU einen Fehler zu viel, und die Sozialdemokraten gingen überraschend als Sieger durchs Ziel. Daran erinnert Scholz im Wahlkampf 2025 immer wieder. Doch diesmal deutet sich keine Trendwende an.
Die SPD will mit klassischen sozialdemokratischen Themen punkten. Sie verspricht eine sichere Rente, die finanzielle Entlastung von Familien und Normal-Verdienern und bezahlbaren Klimaschutz. Die schwache Wirtschaft soll wiederbelebt und dafür die Schuldenbremse, die eine weitere Neuverschuldung des Staates verbietet, gelockert werden. Der Staat brauche "Einnahmen aus Krediten", formuliert es Scholz. In der Außenpolitik verspricht er Besonnenheit, vor allem mit Blick auf Waffenlieferungen in die Ukraine.
Olaf Scholz war gerade drei Monate Bundeskanzler, als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel. Seitdem stellt sich die Frage, wie Deutschland das Land militärisch unterstützen kann ohne selbst in den Krieg hineingezogen zu werden. Scholz beantwortete diese Frage stets so, dass ihm auch Zögerlichkeit unterstellt werden konnte. Er selbst nennt es Besonnenheit. Der Krieg hatte und hat Folgen: Die Energiekrise, Inflation, der Einbruch der Wirtschaft. Dazu kommen der europäische Asylstreit und nie dagewesene Wahlerfolge von Rechtsextremen. Wohl nie zuvor hat eine Bundesregierung mit so vielen Problemen gleichzeitig zu kämpfen, wie die Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Die Ampel: Ständig öffentlich ausgetragener Streit
Die sogenannte Ampel-Koalition. Das war ein Bündnis zwischen zwei linken (SPD und Grüne) und einer wirtschaftsliberalen Partei (FDP). Gebildet aus der Not heraus, eine parlamentarische Mehrheit finden zu müssen. Die politischen Widersprüche ließen sich nicht lange überbrücken. Mit ihren ständigen Streitereien schaffte die Koalition es, zur unbeliebtesten Regierung zu werden, die es in der Bundesrepublik je gegeben hatte.
Doch selbst der Vertrauensverlust in der Bevölkerung schien Scholz nie zu beeindrucken. Auch nicht, dass er selbst zum extrem unbeliebten Kanzler wurde. Seine Devise: Umfragen zwar zur Kenntnis nehmen, sie aber weder zu kommentieren noch die eigene Politik daran zu orientieren. Und stets darauf zu verweisen, dass alles möglich sein kann.
Juso, Jurist, Minister und dann Regierungschef
Für Scholz war die Kanzlerschaft die Krönung seiner jahrzehntelangen politischen Laufbahn. Die begann bei der Jugendorganisation der SPD (Jusos), wo er als stellvertretender Vorsitzender noch radikalsozialistische und kapitalismuskritische Thesen vertrat. Zwischen seinem SPD-Eintritt als Schüler im Jahr 1975 und seiner Wahl in den Bundestag 1998 liegen viele Jahre, in denen Scholz als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Hamburg viel darüber lernte, wie Wirtschaft und selbständiges Unternehmertum funktionieren. Das prägte ihn. Mit linker Politik konnte er danach nichts mehr anfangen.
Sein politisches Rüstzeug verdiente er sich als Hamburger Innensenator, als Bundesarbeitsminister in der ersten großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel und schließlich als langjähriger Erster Bürgermeister von Hamburg. "Wer Führung bei mir bestellt, der bekommt sie", mit diesen Worten trat er 2011 in der Hansestadt an. 2018 wechselte er als Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler in einer erneuten großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel zurück nach Berlin.
Der "Scholzomat"
Prägend waren auch die Jahre von 2002 bis 2004 als SPD-Generalsekretär an der Seite des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Aus dieser Zeit stammt eine Wortschöpfung, die tatsächlich eine Menge über ihn aussagt. Aus "Scholz" und "Automat" machte die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" damals "Scholzomat", weil sich der Generalsekretär praktisch nur in technokratischen Sprechformeln äußerte. Wie eine Maschine, deren Aufgabe darin besteht, unbeirrt und emotionslos Politik zu "verkaufen".
Das Image des langweiligen und spaßbefreiten Bürokraten wurde Scholz nie los. Selbst sah er sich als sachorientierten Pragmatiker, der sich nicht gerne nach vorne spielt. Kein Mann der großen Worte, sondern jemand, der nur so viel sagt, wie unbedingt nötig. Einer, der versucht, möglichst geräuschlos und effizient zu arbeiten.
Als Parteichef wollte ihn die SPD nicht
Erst spät hat Olaf Scholz gelernt, dass es in der Politik auch darum geht, sich selbst und seine Botschaft in Szene zu setzen und gut zu "verkaufen". Zu beobachten erstmals, als die SPD-Kandidaten für den Parteivorsitz im Herbst 2019 durch Deutschland tourten.
Emotionaler, zugewandter und vor allem auch freundlicher wirkte er, machte aber - wie üblich von sich selbst überzeugt - auch keinen Hehl daraus, dass er sich selbst die besten Chancen für den SPD-Vorsitz ausrechne. Es überraschte ihn sehr, dass er gegen ein weithin unbekanntes, linkes Politiker-Duo verlor.
Vom Verlierer zum Kanzlerkandidaten
Hier zeigte sich einmal mehr, wozu Scholz in der Lage ist: abhaken und weitermachen. Er konzentrierte sich auf die Regierungsarbeit als Finanzminister und verkniff sich jeden Seitenhieb gegen das politisch unerfahrene SPD-Führungsduo.
Seine Loyalität wurde belohnt. Die SPD-Vorsitzenden machten ihn im August 2020 zum Kanzlerkandidaten. Wissend, dass sie selbst dafür nicht in Frage kamen. Scholz hatte die politische Erfahrung. In der Coronapandemie hatte er zudem als Finanzminister gepunktet, indem er rasch gehandelt, Kredite und Finanzhilfen zur Verfügung gestellt hatte. "Wumms" und "Doppel-Wumms", mit diesen Begriffen drückte er kurz und knapp aus, wofür andere viele Worte gebraucht hätten.
Der schweigsame Kanzler
Nur so viel zu sagen, wie unbedingt nötig, dabei blieb er auch als Kanzler - und verkannte, dass in diesem Job weitaus mehr Kommunikation gefragt ist. Ein Regierungschef, der selbst in den größten Krisen schweigt, der zu selten die richtigen Worte findet, das kam bei den Bürgern nicht gut an.
Seine niedrigen Beliebtheitswerte ließen manchen in der SPD darüber nachdenken, ob die Partei nicht besser mit Verteidigungsminister Boris Pistorius an der Spitze in die Bundestagswahl 2025 ziehen sollte. Er ist in Umfragen seit Monaten der beliebteste Politiker Deutschlands. Doch Scholz ließ sich die Kandidatur nicht nehmen.