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Politik

Scholz: Deutlich beliebter als die SPD

15. September 2021

Olaf Scholz ist seit August 2020 Kanzlerkandidat der SPD. Die lag in den Umfragen lange zurück, aber Scholz kämpft unbeirrt und punktet als nüchterner Krisenmanager. Ein Porträt von Sabine Kinkartz.

Deutschland | Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) | PK
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Olaf Scholz geht mit ernstem Blick durch vom Hochwasser zerstörte Gebiete und sagt milliardenschwere Hilfen zu. Im Angesicht der vierten Corona-Welle verspricht der Bundesfinanzminister bedrängten Unternehmen, pandemiebedingte Kredite und finanzielle Stützen bis Ende des Jahres zu verlängern. Mit dem Handy am Ohr steht Scholz vor dem Kapitol in Washington, wo er eine globale Mindeststeuer verhandelt. Er jagt mit einem Schnellboot durch die Lagune von Venedig, wo er beim G20-Gipfel auf international abgestimmte Steuern drängt.

Olaf Scholz in WashingtonBild: Xander Heinl/photothek/imago images

Im Wahlkampf bemüht sich die SPD, die Regierungsverantwortung von Olaf Scholz in den Mittelpunkt zu stellen. "Er macht die Arbeit und er kann das" - das ist die Botschaft, mit der die Sozialdemokraten ihren Kanzlerkandidaten inszenieren. Seit 2018 ist Scholz Finanzminister im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel und in der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD zugleich der Vizekanzler.

Das Wahlprogramm ist links, der Kandidat eher nicht

Kanzlerkandidat der SPD ist Scholz seit August 2020. Seine Nominierung durch die Partei-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans 13 Monate vor der Bundestagswahl war eine echte Überraschung. Zum einen, weil es durchaus riskant ist, mehr als ein Jahr lang unter dauernder Beobachtung der Öffentlichkeit zu stehen. Alles wird gewichtet und gewertet. Jeder Satz hat Bedeutung, jeder Fehler könnte der letzte sein.

Überraschend war die Nominierung aber vor allem, weil Scholz und das Duo Esken/Walter-Borjans nur wenige Monate zuvor noch erbitterte Konkurrenten im Kampf um den SPD-Parteivorsitz gewesen waren.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken (links) kämpften gegen Olaf Scholz und Klara Geywitz (rechts) um den SPD-ParteivorsitzBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Der für einen Sozialdemokraten eher konservative Scholz verlor den Mitgliederentscheid Ende 2019 gegen das ausgeprägt ­linke Führungsduo. Die SPD entschied sich für einen Kanzlerkandidaten, den sie als Parteivorsitzenden nicht gewollt hatte.

Kurz schütteln und dann unbeirrt weitermachen

"Wir haben einen Weg gefunden, sehr eng und sehr harmonisch und emotional zusammenzuarbeiten", sagte Scholz nach seiner Nominierung. "Wir haben eigentlich gleich nach der Wahl des SPD-Vorsitzenden angefangen, eng miteinander zu kooperieren und darüber ist ein ganz enges Vertrauen gewachsen, so dass ich irgendwann ganz sicher das Gefühl hatte, die beiden werden mich vorschlagen und die beiden hatten auch sehr rechtzeitig das Gefühl, dass sie mich vorschlagen werden." 

Nach mehr als 20 Jahren in der Politik beherrscht Scholz den souveränen AuftrittBild: Xander Heinl/photothek/imago images

Ein Satz, der exemplarisch zeigt, wie Olaf Scholz mit Krisen umgeht: Aufstehen, unbeirrt weitermachen und nie an sich zweifeln. Der 63-Jährige ist mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gesegnet. In seiner jahrzehntelangen politischen Karriere hat er schon so manche Erschütterung erlebt, keine hat ihn längerfristig aus der Bahn werden können.

Mit dem Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet (links) besuchte Olaf Scholz das Überschwemmungsgebiet in Stolberg Bild: Marius Becker/DPA/AP/picture alliance

Nüchtern und pragmatisch - in der Krise kommt das an

Auch nicht der Cum-Ex-Steuerskandal und der Wirecard-Betrugsfall. Zwar gab Scholz in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen keine gute Figur ab, politische Folgen hatte das für ihn aber nicht. Wohl auch, weil die Corona-Pandemie seit mehr als einem Jahr alles andere in den Schatten stellt. Scholz weiß das zu nutzen. "Es ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun", versprach er im Frühjahr 2020, unmittelbar nachdem die Pandemie auch Deutschland erreicht hatte.
Egal, wie hoch die Schulden wachsen, Deutschland kann die Pandemie finanziell verkraften, so lautet das Motto. "Wir werden jedes Mittel nutzen, das uns zur Verfügung steht und sicherstellen, dass wir diese schwierigen Zeiten mit allen unseren ökonomischen Möglichkeiten durchstehen können und dafür sorgen, dass wir aus der Situation rauskommen." Bei den Bürgern kommt das an. In der Krise ist Pragmatismus mehr gefragt als Charisma. Das ist etwas, das Scholz nicht hat. Aus sich herausgehen, Emotionen zeigen, das ist ihm fremd. Selbst in Momenten größter Freude zeigt er die Beherrschtheit eines britischen Butlers.

Olaf Scholz bei seiner Nominierung zum SPD-KanzlerkandidatenBild: Reuters/Bensch

Mit dem Charme einer Maschine

Viele Jahre haftete ihm die karikierende Bezeichnung "Scholzomat" an, ein Wortspiel aus "Scholz" und "Automat". Die Wochenzeitung "Die Zeit" kreierte den Begriff 2003, weil der damalige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz bei seinen Auftritten immer wie eine Maschine wirkte. Wenn Scholz gefragt wurde, antwortete er fast ausschließlich in technokratischen Sprechformeln, die er ständig wiederholte. "Ich war der Verkäufer der Botschaft. Ich musste eine gewisse Unerbittlichkeit an den Tag legen", rechtfertigte sich Scholz später.

Damals ging es um die umstrittene Arbeitsmarktreform Agenda 2010, die für die Betroffenen harte Einschnitte mit sich brachte. Es gab viel Widerstand gegen die Durchsetzung, auch in der SPD. Nicht um seine eigenen Befindlichkeiten sei es gegangen, sondern darum, "absolut loyal" gegenüber Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder und der SPD zu sein, so Scholz. Er habe sich "wirklich als Offizier" gefühlt.

Oktober 2002: Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem frisch gewählten SPD-Generalsekretär Olaf ScholzBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Am Ende ging nicht nur der Rettungsversuch schief und die SPD verlor das Kanzleramt an die CDU, sondern Olaf Scholz hatte auch ein Image weg, das er lange nicht mehr loswurde: In der Öffentlichkeit galt der Jurist fortan als langweiliger und spaßbefreiter Bürokrat.

Geräuschloser und effizienter Aufstieg

Auch die SPD tat sich nie leicht mit dem eher introvertierten, sachorientierten Pragmatiker aus Hamburg, der stets nur so viel sagt, wie unbedingt nötig. Wenn er für Parteiämter kandidierte, fuhr Scholz in der Regel die schlechtesten Ergebnisse ein. Trotzdem gelang es ihm, sich auf der politischen Karriereleiter nach oben zu arbeiten. Geräuschlos und effizient. Scholz war SPD-Generalsekretär, Bundesarbeitsminister, Innensenator und Regierender Bürgermeister von Hamburg, bevor er 2018 ins Kabinett von Angela Merkel wechselte.

Von 2011 bis 2018 war Olaf Scholz Erster Bürgermeister von HamburgBild: picture-alliance/dpa/J. Pollex

Auch wenn Olaf Scholz dem konservativen Flügel zugerechnet wird, scheinen politische Kategorien wie rechts oder links auf ihn eigentlich nicht zuzutreffen. Als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos vertrat er durchaus radikalsozialistische und kapitalismuskritische Thesen.

Doch zwischen seinem SPD-Eintritt als Schüler im Jahr 1975 und seiner Wahl in den Bundestag 1998 vergingen viele Jahre, in denen Scholz als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Hamburg viel darüber lernte, wie Wirtschaft und selbständiges Unternehmertum funktioniert. Das prägte ihn.

Ein bisschen Show muss sein

Erst spät hat Olaf Scholz gelernt, dass es in der Politik auch darum geht, sich selbst und seine Botschaft in Szene zu setzen und gut zu verkaufen. Er wirkt inzwischen emotionaler, zugewandter und vor allem auch freundlicher. Das zeigt Wirkung. In den Umfragen ist er inzwischen der beliebteste aller drei Kanzlerkandidaten. Er liegt deutlich in Führung vor Armin Laschet, der für CDU/CSU antritt und der Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock.

Nahbarer als üblich: Auch Olaf Scholz tourt durch DeutschlandBild: Jens Schlueter/Pool Photo/AP/picture alliance

Am 26. September 2021 werden allerdings Parteien gewählt und nicht Personen. Lange verharrte die SPD in den Wahlumfragen auf Platz drei hinter Union und Grünen. "Wer will, dass ich Bundeskanzler werde, muss die SPD wählen", stellt Olaf Scholz dazu fest. Das hat offensichtlich gefruchtet. In den letzten Wochen legte die SPD in Umfragen deutlich zu und überholte zuerst die Grünen und inzwischen auch die Union.

 

Meinungsumfragen zeigen, dass die Aufholjagd maßgeblich auf den SPD-Kanzlerkandidaten zurückzuführen ist. Scholz hofft darauf, dass die SPD ihren Vorsprung halten, oder besser noch, ausbauen kann. Dann hätte er mehrere Möglichkeiten, eine Koalition zu bilden: beispielsweise mit den Grünen und der Linkspartei oder aber mit den Grünen und der FDP. "CDU und CSU sollen sich in der Opposition erholen", betont der SPD-Kanzlerkandidat im DW-Interview

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