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Kunst

Scheeren: "Wichtig sind Offenheit und Mut"

Rainer Traube
31. Oktober 2016

Er baut mit radikalem Mut zur Moderne und entwirft die Gebäude der Zukunft. Architekt Ole Scheeren erzählt im DW-Interview über Bauen in Asien, das Leben in Hochhäusern und neue Chancen in den USA.

Ole Scheeren Architektur
Bild: OMA

DW: Nächstes Jahr eröffnet in Peking, gleich neben der Verbotenen Stadt, das Guardian Art Center: Auktionshaus und zeitgenössischer Kultur-Ort. Wie haben Sie Ihre chinesischen Auftraggeber überzeugt, einen so zentralen und symbolgeladenen Ort von einem internationalen Architekten gestalten zu lassen?

Ole Scheeren: Es war eine Herausforderung, mich nach dem CCTV-Zentrum, das ja sehr explizit der Zukunft gewidmet war, mit einem historischen Kontext auseinander zu setzen. Der Bauplatz war über fünfzehn Jahre leer, es gab über dreißig Entwürfe, die alle von den Planungs- und Denkmalschutzbehörden abgelehnt wurden. Der Bauherr kam zu uns und sagte: ‚Wir wissen, dass du schon viel Zeit in China verbracht hast und kein opportunistischer, ausländischer Architekt bist, der mal eben hier vorbeikommt. Hättest du Lust, dich damit zu beschäftigen?‘ Wir sind dann mit einem Konzept gekommen, das genau an dieser Schnittstelle zwischen Historie und moderner Stadt ansetzt.

Spektakulärer Neubau: der CCTV-Tower des chinesischen Staatssenders in PekingBild: OMA by Iwan Baan

Das Hauptquartier des chinesischen Staatssenders CCTV (Foto), das Sie zusammen mit Rem Kohlhaas Architekturbüro OMA in Peking verwirklicht haben, wurde von Staatschef Xi Xingping als eines von vielen Beispielen für falsche, un-chinesiche  Architektur („weird architecture") kritisiert. Fühlen Sie sich missverstanden?

Wenn man Gebäude macht, die den Status Quo pushen und die über das Bekannte hinausgehen, begibt man sich immer in ein Terrain, in dem Diskussion stattfindet, Dinge infrage gestellt werden. Das ist auch etwas sehr Positives. CCTV ist eben auch ein Gebäude, das seiner Zeit so weit voraus war.

Dass das Gebäude in der internationalen Wahrnehmung eine zeitgenössische Ikone, inoffizielles Wahrzeichen Pekings geworden ist, freut Sie aber?

Natürlich.

In den Jahren nach der Jahrtausendwende gab es bei Architekten so etwas wie eine China-Euphorie. Unter der heutigen Führung richtet sich das Land seit 2012 wirtschaftlich und kulturell deutlich nationalistischer aus. Hat bei westlichen Architekten Ernüchterung eingesetzt?

Ich glaube, man ist in China vorsichtiger geworden und nimmt sich mehr Zeit zu überlegen. Die erste Welle des großen Bauens, beschleunigt durch die Olympischen Spiele von 2008 als Katalysator, ist erst mal vorbei. Das wird auch dazu führen, dass dort Schritt für Schritt eine andere Architektur entstehen wird.

Architekt Scheeren ist in Asien extrem erfolgreich, hier das Angkasa Raya von ihm in Kuala LumpurBild: Buro-OS

Sie bauen seit dem Beginn ihrer Karriere in China, Singapur, Thailand. Haben sie ein Asien-Gen?

Asien hat einfach in den letzten zehn Jahren einen sehr interessanten Kontext für Architektur bereitgestellt. Die Frage nach der Zukunft stand für mich als Architekt dabei vielleicht an vorderster Stelle. Ich habe auch persönlich eine längere Geschichte mit Asien, war vor fast 25 Jahren das erste Mal in China.

Es gibt ästhetisch und technisch beeindruckende Architektur, die zur Eröffnung Bauherren, Politiker und Architekten glücklich macht, nicht aber die Menschen, die später darin leben oder arbeiten sollen. Schauen sie sich bei ihren Bauten an, wie sie im Alltag funktionieren?

Ja, so oft es geht. Es ist mir wichtig an den Orten zu sein, bevor ich baue und genauso, wenn sie einmal gebaut sind. Das Begleiten ist etwas ganz Entscheidendes. Mich interessiert im Entwurf wirklich die Vorstellung von den Dingen, die in den Gebäuden stattfinden können. Nehmen sie als Beispiel den Maha Nakhon Tower, der gerade in Bangkok fertig wurde. Die Fassade ist keine rein formale Geste. Es ging darum, einen dreidimensionalen Lebensraum zu schaffen, der den Innenraum des Turmes mit dem Außenraum verbindet, der große Terrassen, Balkone und auch schwebende Gebäudeteile schafft. Das Leben im Gebäude soll sich in die Stadt hinaus projizieren und so ein Dialog zwischen diesen zwei Räumen entstehen.

Radikal futuristisch: Architektur-Entwurf von Ole Scheeren für das Maha Nakhon in BangkokBild: OMA

Das Büro Ole Scheeren expandiert in Richtung USA, mit einem Büro in New York und neuen Projekten. Liegt die Zukunft der Architektur wieder in Nordamerika?

Die USA sind durchaus wieder mit ins Spiel gekommen. Warum? Ich glaube Mut und Nach-vorne-Schauen bleiben zentrale Fragen der Architektur. Da unterscheiden sich diese zwei Gesellschaften vielleicht - aus sehr unterschiedlichen Gründen - eben doch. Es ist also interessant, sich nicht immer nur auf einen Markt oder ein Territorium zu konzentrieren.

Stellt sich die Frage: Wann baut Ole Scheeren in Berlin?

Vielleicht kommt es ja noch. Wir haben letztes Jahr hier das Büro eröffnet, weil ich Berlin einfach für einen ganz tollen Ort mit viel kreativem Potential halte. Das ist unser Standort für Europa.

DW-Redakteur Rainer Traube und Ole Scheeren (re) beim Interview im Berliner Architekten-BüroBild: DW/R. Traube

Denken wir in Deutschland zu mutlos, zu klein für richtig große Architektur?

Es ist falsch zu glauben, nur hier wäre alles von Regularien belegt und in Asien könnte man alles machen. Singapur etwa ist auch ein Land, das extrem genau geregelt ist. Selbst China ist mittlerweile dort angekommen.

In Deutschland würde ich gerne Gelegenheit haben, so mutig mit Dingen umgehen zu können, wie wir das in Asien getan haben. Wirklich auf radikalere Art Fragen in der Architektur stellen zu dürfen und Vorschläge zu machen. In welchem Bereich, das ist für mich offen. Wir sind im Wohnungsbau tätig, wir bauen Firmenzentralen. Wichtig ist, offen zu denken und mutig zu sein.

 

Der gebürtige Karlsruher Ole Scheeren (45) gilt als Ausnahmetalent der internationalen Architekturszene. Sein Meisterstück lieferte er als Asienchef von Rem Koolhaas Architekturbüro OMA  mit dem ikonischen CCTV-Tower ab, der Zentrale des Chinesischen Staatsfernsehens in Peking. Vorzeigeprojekte in Asien sind auch der neue 310 Meter hohe Maha Nakhon Tower in Bangkok und die spektakuläre gestapelte Wohnanlage „The Interlace" in Singapur, 2015 als „Building of  The Year" ausgezeichnet. 2017 eröffnet im historischen Zentrum Pekings Scheerens „Guardian Art Center", ein von historischen chinesischen Bauprinzipien inspiriertes Kunstauktionshaus

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