Olga Kharlan vor Fecht-WM: "Russen nicht die Hand schütteln"
17. Juli 2025
Sie sei "wütend und enttäuscht" über die jüngste Entscheidung des Fecht-Weltverbands FIE, sagt Olga Kharlan der DW. Gemessen an der Medaillenzahl ist sie die erfolgreichste Olympionikin der Ukraine: Die 34 Jahre alte Säbelfechterin wurde 2008 in Peking und 2024 in Paris Olympiasiegerin mit der ukrainischen Säbelmannschaft und gewann im Einzel einmal Silber (2016) und dreimal Bronze (2012, 2016, 2024).
Die FIE hatte vor knapp einer Woche die Neutralitätsregeln für russische und belarussische Fechterinnen und Fechter gelockert. Künftig ist deren Militärangehörigkeit nicht mehr ein Ausschlusskriterium für internationale Wettbewerbe, wie es seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine üblich war.
Damit darf auch Kharlans langjährige Rivalin, Sofya Velikaya, die für den Armeeklub ZSKA Moskau startet und den militärischen Rang einer Majorin hat, bei den Weltmeisterschaften starten - sie beginnen kommende Woche in der georgischen Hauptstadt Tiflis (22. bis 30. Juli).
"Der Sport ist ein Propagandawerkzeug der russischen Armee", sagt Kharlan. "Diese Armee, die von den Athletinnen und Athleten repräsentiert wird, fällt in der Ukraine ein und tötet Menschen. Auch ukrainische Sportler." Die Fechterinnen und Fechter ihres Landes empfänden es als Ungerechtigkeit, russischer Konkurrenz bei Wettkämpfen zu begegnen. "Wir werden ihnen niemals die Hand geben oder mit ihnen reden", so Kharlan.
Kharlan: "Russischer Einfluss wird immer größer"
Die erfolgreichste Fechterin der Ukraine warnt davor, dass ihr Sport durch russisches Geld korrumpiert wird. Im November 2024 wurde der russische Milliardär Alisher Usmanov für eine fünfte Amtszeit als FIE-Präsident wiedergewählt – und das, obwohl die Europäische Union ihn einst als "einen von Wladimir Putins Lieblingsoligarchen" bezeichnete und er in fast 40 Ländern mit Sanktionen belegt ist. Nur wenige Tage nach seiner Wiederwahl trat er vom Amt des Präsidenten zurück. Es wird vermutet, dass er dennoch hinter den Kulissen weiter die Fäden zieht. "Der russische Einfluss in der FIE wird immer größer", sagt Kharlan.
Daher könnte es dem Fecht-Weltverband wie dem internationalen Boxverband IBA ergehen: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte dem russisch dominierten Verband die olympischen Rechte entzogen. Zwischenzeitlich drohte sogar der Ausschluss des Boxsports von den Spielen 2028 in Los Angeles. Inzwischen hat das IOC den neu gegründeten Weltverband World Boxing anerkannt. Damit ist klar: Boxen bleibt vorerst weiter olympisch.
"Mit all den Skandalen und der schlechten Presse für das Fechten sind wir wirklich kurz davor, unseren Status als olympische Sportart zu verlieren", glaubt Kharlan. "Warum sollte Fechten bei Olympischen Spielen dabei sein, wenn die Sportart für solche Probleme sorgt?"
Die FIE verteidigte derweil ihren Kurswechsel in Sachen Russland. Die Aktiven dürften "nicht die Folgen geopolitischer Ereignisse tragen, die sich ihrer Kontrolle entziehen", argumentierte der Weltverband.
Athletinnen und Athleten fordern FIE zur Umkehr auf
Kharlan gehört zu mehr als 440 Fechterinnen und Fechtern aus 40 Staaten, die einen offenen Brief unterzeichnet haben. Darin wird die FIE aufgefordert, ihre Entscheidung zurückzunehmen und die "gründlichen Überprüfungen und Kontrollen" in Sachen Neutralität von Aktiven aus Russland und Belarus wieder aufzunehmen.
Die Entscheidung der FIE, das Verfahren zu lockern, widerspreche "den Grundprinzipien des Fechtsports - Respekt, Integrität und Fairplay", heißt es in dem offenen Brief, der von der Athleten-Vertretung Global Athlete initiiert wurde.
Zu den Unterzeichnenden gehören auch 14 aktuelle oder ehemalige Fechterinnen und Fechter aus Deutschland, darunter Säbelfechterin Lea Krüger und Max Hartung, Gründungspräsident von Athleten Deutschland.
Auch der europäische Fechtverband EFC protestierte gegen die Entscheidung des Weltverbands. "Das einzige Gebiet, das von Russlands Handlungen direkt betroffen ist, ist das europäische", schrieb die EFC an die FIE. "Dennoch wurde Europa nicht ein einziges Mal konsultiert, um eine fundierte Entscheidung zu treffen." Der Weltverband habe wiederholt Aufrufe der Europäer zum Dialog ignoriert.
Kharlan warnt vor dem Vergessen
Bei den Olympischen Spielen in Paris hatte die ukrainische Topfechterin Olga Kharlan ihre Bronzemedaille im Einzel nach dem Wettbewerb allen von Russland getöteten ukrainischen Sportlern gewidmet. Ein Jahr später fürchtet sie, dass die Menschen im Weltsport den Kampf der Ukraine zu vergessen beginnen.
"Leider wollen die meisten Leute es nicht verstehen. Oder sie sind es einfach leid. Oder sie sympathisieren mit Russland", sagt Kahrlan der DW. Dass viele Menschen des Konflikts müde seien, werde ausgenutzt. "Es ist jetzt einfacher, sich hinzustellen und zu sagen, dass der Konflikt schon viel zu lange dauert. Dabei hat sich seit der Zeit, als die russischen Fechterinnen und Fechter suspendiert wurden, nichts geändert. Es ist vielmehr noch schlimmer geworden. Mehr Tote, mehr Zerstörung."
Dieser Artikel wurde aus dem englischen Original Ukraine's "Olga Kharlan worries for fencing's Olympic future" adaptiert.