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Politik

"Freude und Rührung nahmen mir die Worte"

10. Oktober 2019

Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk wurde mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Sie war kein Liebling der Regierung, doch jetzt will Kulturminister Piotr Glinski ihre Werke wieder lesen.

Schweden Stockholm Nobelpreis Literatur 2018 Autorin Olga Tokarczuk
Bild: Imago Images/Leemage/S. Bassouls

Als sie erfuhr, dass der Literaturnobelpreis in ihre Hände geht, fuhr sie gerade durch Deutschland - auf der Autobahn. Olga Tokarczuk musste anhalten, um die Nachricht aufzunehmen und erstmal durchatmen, bevor sie die Entscheidung des Nobelpreis Komitees kommentieren konnte. Auf Facebook schrieb sie: "Literaturnobelpreis! Freude und Rührung nahmen mir die Worte. Ich bedanke mich für alle Glückwünsche". Als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte, sagte sie dem Privatsender TVN gefasst und mit einer für sie typischen Bodenständigkeit: "Ich bin stolz darauf, dass ich den Preis mit Peter Handke bekommen habe (…) und das meine Bücher universell und für Menschen auf der ganzen Welt wichtig sein können, obwohl sie doch sehr lokal sind und viele Handlungen in kleinen Orten in Polen spielen. Das ist unglaublich." 

Sie erhalte den Preis "für die erzählerische Vorstellungskraft, die mit enzyklopädischer Leidenschaft das Überschreiten von Grenzen als Lebensform" repräsentiere, hieß es in der Begründung der Schwedischen Akademie. Wer Tokarczuk gelesen hat weiß, diese Beschreibung trifft ihren Stil: Präzise bis zum kleinsten Detail und mit Hingabe zu jedem einzelnen Lebewesen. Um ihre Bücher lesen zu können, muss man sich konzentrieren. Sie fordert den Leser heraus, verwebt Figuren, Zeiten und Ereignisse literarisch. In ihrer Prosa gelangt sie vom Detail zum Universellen und kommt darin der Poesie von Wislawa Szymborska nahe, der ersten Polin die 1996 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. 

Nicht ganz überraschend 

Ganz überraschend kam die Entscheidung nicht. In den letzten Tagen wurde schon gemunkelt, dass der Preis an sie gehen könnte. Tokarczuks Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Bei einer Preisverleihung äußerte sie sich zu ihrem auch in Deutschland erschienenem Werk "Unrast": "Ich beharre darauf, dass 'Unrast' ein Roman ist. Nur wird hier die ganze Welt zum Handlungsort. Das ist auch eine Erfahrung des gegenwärtigen, reisenden, beweglichen Menschen." Oft beschäftigt sie sich mit Themen wie Reisen, Ökologie, Tierwelt, Natur, Freiheit. Es reizen sie Gegensätze. Die Aufgabe der Literatur sieht sie im Verbinden. Im heutigen, stark gespaltenen Polen - eine Herausforderung. 

Die Literatur-Nobelpreisträger 2019: Peter Handke und Olga Tokarczuk.

In Interviews äußerte sich Tokarczuk indirekt zur Politik der PiS-Regierung, die kommenden Sonntag gute Chancen auf einen erneuten Wahlerfolg hat. 2017 nahm sie im Gespräch mit der Deutschen Welle zur Abschottungspolitik der polnischen Regierung Stellung. Sie warf ihr vor, dass Flüchtlingsthema auf eine "zynische Art und Weise" genutzt zu haben, um damit Angst zu schüren. Es sei einfach, die Welt in die der "Unseren und Fremden" zu teilen, sagte sie damals. 

Ein Versprechen des Ministers 

Gratulationen kommen nun nicht nur von ihren Lesern. Auch Politiker verschiedener Lager melden sich zur Wort. Premierminister Mateusz Morawiecki beglückwünscht Tokarczuk "zum großen Erfolg" und Präsident Andrzej Duda schrieb auf Twitter "Herzlichen Glückwunsch für Olga Tokarczuk. Es ist ein großer Tag für die polnische Literatur (…) Bravo!". Doch Applaus vom Regierungslager gab es für die Nobelpreisträgerin früher nicht. Ihr Name war auch nicht unter denjenigen, die im Ausland gefördert sein sollten. Erst vor zwei Tagen wurde Kulturminister Piotr Glinski auf ihre Bücher hin angesprochen, auch im Hinblick auf einen eventuellen Nobelpreis. Er sagte, er habe versucht, Tokarczuk zu lesen, es aber nie zu Ende geschafft. Die Ursache dafür ließ er offen, aber es verwundert nicht, dass ihm diese Worte nun vorgehalten werden. Kurz nachdem die schwedische Akademie ihre heutige Entscheidung heutige Entscheidung bekannt gegeben hatte, konnte man auch den Minister erneut im Staatssender TVP hören. 

Was er dort versprach, bekräftigte er sogleich auf Twitter: Dass er sich nochmals an Tokarczuks Bücher trauen und die begonnene Lektüre fortsetzen wolle. Tokarczuk, angesprochen auf die Äußerungen des Ministers reagierte so, wie man sie kennt - einfach und mit einer gewissen Lockerheit: "Es gibt solche Leser, für die es langweilig sein kann, oder für ihr Temperament schwierig. Es muss schließlich nicht jeder meine Bücher lesen". 

"Ich beharre darauf, dass 'Unrast' ein Roman ist".

Auch der EU-Ratspräsident twitterte nicht ganz ohne Anspielung: "Herzliche Glückwünsche. Was für eine Freude, was für ein Stolz. Ich werde hier in Brüssel damit prahlen als Pole und treuer Leser, der alles vom Anfang bis zum Ende gelesen hat". 

Die, die Tokarczuk gut kennen, sagen, jetzt stünden ihr schwere Zeiten hervor, denn die Zeit nach der Nobelpreisverleihung sei für Schriftsteller nicht gerade einfach. Gerade Tokarczuk war nie jemand, dieToka Ruhm oder mediale Aufmerksamkeit suchte. Jetzt wird sie damit leben müssen. 

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