US-Oligarchenliste bringt Moskau in Wallung
30. Januar 2018Mit der Veröffentlichung einer sogenannten Oligarchenliste haben die USA neue Verstimmung mit Russland ausgelöst. Zwar sah die US-Regierung zunächst davon ab, neue Sanktionen gegen Moskau wegen dessen mutmaßlicher Einflussnahme auf die US-Wahl 2016 zu verhängen. Das Finanzministerium veröffentlichte aber eine Liste mit zahlreichen Politikern und Wirtschaftsmanagern, gegen die Strafmaßnahmen verhängt werden könnten.
In dem im Internet veröffentlichten Dokument stehen unter anderem Regierungschef Dmitri Medwedew, Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Insgesamt werden dort 114 Politiker und 96 Oligarchen wie Rosneft-Chef Igor Setschin und der Gazprom-Vorstandsvorsitzende Alexej Miller genannt.
Trump sagte trotz Vorbehalten ja
Die US-Regierung verzichtete auf die Verhängung neuer Strafmaßnahmen mit der Begründung, die bestehenden Sanktionen zeigten bereits Wirkung und belasteten russische Unternehmen. So hätten die Sanktionen ausländische Regierungen von geplanten Käufen von russischen Rüstungsgütern im Volumen von mehreren Milliarden Dollar abgehalten.
US-Präsident Donald Trump hatte Anfang August 2017 - trotz Vorbehalten - ein vom Kongress nahezu einstimmig verabschiedetes Gesetz über neue Sanktionen gegen Russland in Kraft gesetzt. Damit sollte Moskau wegen möglicher Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 bestraft werden. Trump hatte sich gegen die Verschärfung gestemmt, weil er darin eine Gefahr für seine Bemühungen um bessere Beziehungen zu Russland sah. Das Gesetz ermächtigt das Außen- und das Finanzministerium sowie die Geheimdienste der USA, eine Liste von regierungsnahen Politikern und Wirtschaftsmanagern zu erstellen, die für Sanktionen infrage kämen. Darauf beschränkte sich die US-Regierung zunächst. Damit werden gegen die auf der Liste Aufgeführten, darunter auch die Chefs der beiden größten Banken sowie Unternehmensführer aus den Branchen Stahl und Gas, aber keine sofortigen Strafen wie etwa Kontensperren oder Einreiseverbote verhängt.
Putin: "Ein unfreundlicher Akt"
Die Veröffentlichung der US-Liste löste in Moskau heftige Kritik aus. Präsident Wladimir Putin bezeichnete sie als "unfreundlichen Akt". "Dies erschwert die ohnehin komplizierten russisch-amerikanischen Beziehungen zusätzlich, und natürlich schadet die Liste den internationalen Beziehungen als Ganzes", sagte Putin der Agentur Interfax zufolge in Moskau.
Putins Name steht nicht auf der Liste. Deswegen sei er "beleidigt", sagte er dann aber sichtlich augenzwinkernd vor Anhängern. Auf Vergeltung wolle er verzichten: "Wir sind nicht daran interessiert, unsere Beziehungen zu den USA zu verschlechtern", sagte Putin. "Wir wollen keinen Ärger." Russland wolle "langfristige, stabile Beziehungen" zu Washington aufbauen.
Vize-Regierungschef Arkadi Dworkowitsch meinte, die Liste "sieht aus wie das 'Who is Who' der russischen Politik". Die schlechte Beziehung zu Washington werde die Zusammenarbeit für die nächsten Jahre stark beeinflussen. Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sagte, die Liste wirke auf ihn, als ob Washington lediglich das Telefonverzeichnis des Kremls kopiert habe. "Das ist politische Paranoia, die sehr schwer zu behandeln ist", schrieb er auf Facebook. "Nach dieser Logik wird das gesamte russische Kabinett - vom Minister bis zum Regierungschef - als Feind der USA bezeichnet. Soweit ich mich erinnere, befinden wir uns aber nicht in einem Kriegszustand", sagte der Vorsitzende des Außenausschusses des russischen Parlaments, Leonid Sluzki.
Russlands Börsen reagieren positiv
Die Börsen in Russland legten indes nach dem Verzicht der USA auf neue Wirtschaftssanktionen zu. Auch von der Oligarchen-Liste ließen sich Anleger nicht beirren. Der Effekt dieser Liste auf die russische Wirtschaft lasse sich nur schwer abschätzen, sagte Dimitri Polewoj, Chef-Volkswirt der ING-Bank in Moskau. Entscheidend sei, ob europäische Firmen ihre Beziehungen zu Unternehmen der dort genannten Personen auf Eis legten. Der Moskauer Aktienmarkt gewann zeitweise 1,1 Prozent. Unabhängig davon stellte die Rating-Agentur Moody's in einem Reuters-Interview eine Anhebung der Bonitätsnote Russlands in Aussicht. Die russische Wirtschaft sei inzwischen stark genug, um den westlichen Sanktionen zu widerstehen, betonte Moody's-Managerin Kristin Lindow. Bis zum Jahresende sei eine Anhebung der Bonitätsnote von derzeit "Ba1" möglich.
sti/uh (afp, dpa, rtr)