Kurz nach einem persönlichen Schicksalsschlag gewinnt Isabell Werth in Paris ihr achtes Olympia-Gold und ist nun Deutschlands erfolgreichste Olympionikin. Gleichzeitig kämpft die Dressur mit Vorfällen von Tierquälerei.
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"Das war Wahnsinn. Ich dachte schon, es reicht nicht. Es ist super, wunderbar", freute sich Isabell Werth, nachdem ihre Teamkollegin Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera den Olympiasieg im Mannschaftswettbewerb des Dressurreitens unter Dach und Fach gebracht hatte.
Am Ende gaben 0,121 Prozentpunkte den Ausschlag zugunsten der deutschen Equipe vor Dänemark. "Ich glaube, es hat noch nie eine knappere Entscheidung gegeben", sagte Werth. "Es ist mega, super."
Erfolgreichste deutsche Olympionikin
"Mega" und "super" ist auch Werths olympische Bilanz. Der Erfolg im Schlossgarten von Versailles war bereits der achte Olympiasieg der Ausnahmereiterin. Einen Tag später stand sie erneut auf dem Podium. Einen Hauch schlechter in der Bewertung als von Bredow-Werndl sicherte sie sich in der Einzel-Konkurrenz die Silbermedaille. "Hier mit Gold und Silber nach Hause zu fahren, sprengt meine Erwartungen", sagte sie. "Und dann diese Atmosphäre, es ist unglaublich und fanatisch."
Sieben ihrer acht Goldmedaillen gewann Werth mit der Mannschaft. 1996 in Atlanta holte sie auf Gigolo auch im Einzel Gold.
Da Werth zudem sechsmal olympisches Silber im Einzel gewinnen konnte (1992, 2000, 2008, 2016, 2021 und 2024) ist sie nun die erfolgreichste deutsche Olympionikin.
Zuvor hatte Kanutin Birgit Fischer mit acht Gold- und vier Silbermedaillen diesen inoffiziellen Titel inne. Werth quittierte die neue Bestmarke zwar mit Stolz, dachte aber auch ihre Vorgängerin.
"Es ist super. Ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen. Wir haben beide echt etwas hingekriegt", sagte sie.
Isabell Werth und Wendy: "Es hat klick gemacht"
Großes Lob gab es auch von Teamkollegin von Bredow-Werndl. "Sie ist eine Person, zu der man aufschauen kann, weil sie es immer wieder mit den unterschiedlichsten Pferden bis auf das höchste Niveau schafft", sagte die Doppel-Olympiasiegerin von Tokio im Interview mit dem deutschen Fernsehen neben der von diesen Worten gerührten Werth. "Ich bin dankbar von und mit ihr lernen zu dürfen."
Ihr besonderes Gespür für Pferde musste Werth auch vor ihrer siebten Olympia-Teilnahme in Paris unter Beweis stellen. Wendy, die Stute, auf der Werth in Paris zu Team-Gold ritt, ist erst seit wenigen Monaten unter ihrem Sattel.
2021 in Tokio war Werth noch auf ihrem "Herzenspferd" Bella Rose geritten, das aber danach aus dem Sport verabschiedet wurde. Auch ihr zweites Top-Pferd Weihegold stand für Paris nicht mehr zur Verfügung, da der Vertrag mit der Besitzerin Weihegolds geendet war.
Doch mit Wendy passte es von Anfang an. Sie sei "ein Traum", sagte Werth über ihr neues Pferd. "Es hat sofort klick gemacht."
Einen ersten herausragenden Erfolg feierte das Paar vor den Olympischen Spielen beim CHIO in Aachen, wo sie den Großen Preis gewannen. Das Turnier war gleichzeitig auch der entscheidende Ausscheidungswettbewerb, um sich für Olympia zu qualifizieren. Werth und Wendy nahmen diese Hürde mit Bravour.
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Schatten der Tierquälerei
Die zehnjährige Stute war bis Januar 2024 von Andreas Helgstrand geritten worden. Der Däne wurde aus der dänischen Nationalmannschaft ausgeschlossen und bis 2025 gesperrt, nachdem im November 2023 Vorfälle von Misshandlung von Pferden in seinem Stall aufgedeckt worden waren.
Und der Schatten der Tierquälerei, wegen der die Dressur durchaus um ihre olympische Zukunft fürchtet, wurde auch vor Paris noch einmal besonders dunkel: Charlotte Dujardin, eine der Gold-Favoritinnen aus Großbritannien, wurde kurz vor dem Wettbewerb suspendiert, weil ein älteres Video aufgetaucht war, in dem sie beim Training ein Pferd minutenlang mit der Peitsche traktiert.
Angesprochen auf das Peitschen-Video wurde Werth in Versailles vor ihrem Olympia-Auftritt emotional: "Ich kann nicht nachvollziehen, was da passiert ist. Wir sind alle fassungslos", sagte sie.
Olympischer Erfolg kurz nach dem Tod des Vaters
Im Dressurviereck von Versailles konnte Werth die negativen Einflüsse und Gedanken dann abschütteln. Auf Wendy legte sie den Grundstein für den deutschen Sieg, der schließlich nach einigem Zittern feststand. Die Belohnung für ihr Pferd stand auch schnell fest: "Bananen und Möhren", sagte Werth.
Werth hatte einmal mehr im Dienste der deutschen Mannschaft auf den Punkt ihre Leistung abgeliefert. Dabei musste sie kurz vor den Olympischen Spielen einen schweren persönlichen Schicksalsschlag hinnehmen: Ihr Vater starb am 17. Juli und erlebte den achten Olympiasieg seiner Tochter nicht mehr mit. "Er war so stolz, aber das war er immer, im Sieg und in der Niederlage", sagte Werth.
Für die 55-Jährige sind die Olympischen Spiele indes noch nicht vorbei. Nach dem Sieg mit der Mannschaft, geht es am Sonntag auch im Einzel um Medaillen - und auch hier haben Werth und Wendy gute Chancen, erneut auf dem Siegerpodest zu landen. Die olympische Reise der Isabell Werth, sie geht also weiter.
Der Artikel wurden nach dem Einzel-Wettbewerb am 4. August aktualisiert.
Deutschlands erfolgreichste Sommer-Olympioniken
Bei den Olympischen Spielen Gold zu gewinnen, ist der Traum vieler Sportler. Viele deutsche Athleteninnen und Athleten haben sogar mehrfach gewonnen. Wir zeigen die erfolgreichsten Medaillen-Sammler in Schwarz-Rot-Gold.
Bild: Eibner-Pressefoto/picture alliance
Carl Schuhmann - Turnen und Ringen
Der erfolgreichste Sportler der Olympischen Spiele 1896 in Athen ist ein Multitalent. Er wird Olympiasieger als Ringer im Griechisch-Römischen Stil, als Einzelturner im Pferdsprung und mit der Mannschaft an Barren und Reck. Beim Gewichtheben und in der Leichtathletik bleibt er ohne Medaille. Eine enge Beziehung zu Edelmetall hat Schuhmann auch außerhalb des Sports: Er arbeitet als Goldschmied.
Bild: ANE Edition/IMAGO
Bärbel Wöckel - Leichtathletik
Die Sprinterin gewinnt für die DDR zwischen 1976 und 1980 vier olympische Goldmedaillen: zwei im 200-Meter-Lauf und zwei in der 4x100-Meter-Staffel. Wöckel ist damit nach der Anzahl der Olympiasiege die erfolgreichste aller deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten. Allerdings tauchen später Belege dafür auf, dass Wöckel Teil des DDR-Zwangsdopingsystems war.
Bild: Pressefoto Baumann/IMAGO
Nicole Uphoff - Dressurreiten
Wenn Pferd und Reiterin perfekt harmonieren und eine Einheit bilden, sind sie oft unschlagbar. Bei Uphoff und ihrem Wallach Rembrandt ist das bei den Olympischen Spielen 1988 und 1992 der Fall. Sie gewinnen jeweils Gold im Einzel und mit der Mannschaft. 1996 in Atlanta verletzt sich Rembrandt im Wettkampf, und das Paar kann die Erfolgsserie nicht fortsetzen.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Ludger Beerbaum - Springreiten
Perfekte Harmonie herrscht 1992 in Barcelona auch zwischen Ludger Beerbaum und seinem Pferd Classic Touch. Die beiden gewinnen Gold im Einzel und mit dem Team. Mit der deutschen Spring-Equipe wird Beerbaum auch 1988, 1996 und 2000 Olympiasieger. Ein weiteres Teamgold wird 2004 nachträglich aberkannt, weil im Blut von Beerbaums Pferd Goldfever ein unerlaubtes Medikament gefunden wird.
Bild: Carsten Rehder/dpa/picture alliance
Kathrin Boron - Rudern
Noch mehr Medaillen als auf dem Pferderücken gewinnen Deutschlands Olympia-Athletinnen und -athleten auf dem Wasser. Kathrin Boron (2.v.r.) ist mit vier Olympiasiegen die erfolgreichste deutsche Ruderin bei Olympischen Spielen. Von 1992 bis 2004 gewinnt sie viermal in Folge Gold, immer abwechselnd im Doppelzweier und Doppelvierer.
Bild: Kosecki/IMAGO
Katrin Wagner-Augustin - Kanu
Die Kanutin gewinnt zwischen 2000 und 2008 bei drei aufeinander folgenden Olympischen Spielen vier Goldmedaillen, eine im Kajak-Zweier (2000) und drei im Kajak-Vierer (2000, 2004, 2008). Bei drei ihrer vier Olympiasiege sitzt auch Deutschlands erfolgreichste Olympionikin Birgit Fischer mit im Boot.
Bild: Stefan Matzke/sampics/picture alliance
Kornelia Ender - Schwimmen
Die DDR-Schwimmerin erringt ihre vier Olympiasiege als 17-Jährige bei den Spielen 1976 in Montreal. Zwei Goldmedaillen gewinnt sie innerhalb von nur 25 Minuten. Anders als viele Teamkollegen gibt Ender nach der Karriere zu, dass sie bei vielen Rennen gedopt war. Ihre Laufbahn endet 1977, als sie sich weigert, weiter anabole Steroide einzunehmen. Danach darf sie nicht mehr für die DDR starten.
Bild: Werner Schulze/IMAGO
Roland Matthes - Schwimmen
Der beste Rückenschwimmer seiner Zeit ist von 1978 bis 1982 Kornelia Enders Ehemann. Auch er ist vierfacher Olympiasieger, gewinnt seine Goldmedaillen für die DDR allerdings 1968 in Mexiko-City und 1972 in München. Wegen seines eleganten Stils, wird er "Schwimm-Mozart" genannt. Er bleibt zwischen 1967 und 1974 sieben Jahre lang ungeschlagen. Mit Doping, so Matthes, sei er nie in Kontakt gekommen.
Bild: Pressefoto Baumann/IMAGO
Hans Günter Winkler - Springreiten
Deutschlands erfolgreichster Springreiter ist fünffacher Olympiasieger. Er holt von 1956 bis 1972 viermal Teamgold und siegt 1956 in Stockholm außerdem in der Einzelwertung. Mit seinem Goldritt auf "Wunderstute" Halla wird er damals berühmt: Winkler sitzt trotz eines gerissenen Muskels im Sattel und hat große Schmerzen. Halla - so die Legende - trägt ihn über die Hindernisse zum Olympiasieg.
Bild: dpa/picture alliance
Kristin Otto - Schwimmen
Die vielseitige Schwimmerin holt ihre sechs Goldmedaillen für die DDR allesamt bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul: in Freistil-, Rücken-, Schmetterling- und Lagen-Rennen. Es gibt Hinweise, dass Otto Teil des DDR-Zwangsdopings war. Die heutige Fernseh-Sportjournalistin bestreitet jedoch nach wie vor, je wissentlich gedopt zu haben.
Bild: Rauchensteiner/Augenklick/picture alliance
Reiner Klimke - Dressurreiten
Zwischen 1964 und 1988 bejubelt Reiner Klimke sechsmal olympisches Gold, fünfmal gewinnt er dabei mit der deutschen Mannschaft. 1984 in Los Angeles kommt neben dem Olympiasieg mit dem Team auch der im Einzel hinzu. Damals reitet Klimke auf Ahlerich, seinem erfolgreichsten Pferd.
Bild: UPI/dpa/picture alliance
Birgit Fischer - Kanu
Zwischen 1980 und 2004 gewinnt die Ausnahmekanutin acht olympische Goldmedaillen, die ersten drei noch im Trikot der DDR. Dazu kommt insgesamt viermal olympisches Silber. Am erfolgreichsten ist Fischer im Kajak-Vierer. In ihrem Paradeboot wird sie viermal Olympiasiegerin.
Bild: Kosecki/IMAGO
Isabell Werth - Dressurreiten
Sie ist die erfolgreichste deutsche Olympia-Sportlerin. Die Dressurreiterin erlebt 2024 in Paris ihre siebten Spiele und feiert dort mit dem Team ihren achten Olympiasieg. 1996 in Atlanta holt sie auf Gigolo Doppelgold im Einzel und mit dem Team. In Barcelona (1992), Sydney (2000), Peking (2008), Rio (2016), Tokio (2021) und Paris (2024) gibt es neben Team-Gold im Einzel Silber für Werth.