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Olympia-Schwimmstar Marchand und das "unmögliche Double"

Jonathan Crane in Paris
8. August 2024

Léon Marchand ist der erfolgreichste Athlet der Olympischen Spiele in Paris. Im DW-Exklusivinterview spricht der französische Superstar über seinen Bruch mit der Schwimmtradition und Vergleiche mit Michael Phelps.

Léon Marchand präsentiert vor dem Eiffelturm eine seiner vier Goldmedaillen
Der viermalige Olympiasieger Léon Marchand wurde zum Gesicht der Olympischen Spiele in ParisBild: Stéphane Geufroi/dpa/picture alliance

Es sind nicht nur die vier Goldmedaillen. Oder die Emotionen, für die er bei seinen enthusiastischen Landsleuten auch weiterhin sorgt. Léon Marchand hat in Paris etwas geschafft, was fast alle für unmöglich hielten. Und genau dafür wird er als die prägende Figur der Olympischen Spiele 2024 in die Geschichte eingehen wird. Einzel-Gold über 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Brust und das am selben Abend, innerhalb weniger Stunden - sogar sein Trainer Bob Bowman glaubte nicht daran.

"Mein Trainer wollte eigentlich nicht, dass ich das mache, weil es eigentlich ausgeschlossen war und noch nie zuvor geschafft worden war", sagt Marchand der DW. "Es war eine große Chance für mich, und ich war wirklich aufgeregt, es zu versuchen. Aber ich wusste nicht, ob es möglich war."

Viermal Gold - Léon Marchand feierte im Becken in Paris vier Einzel-Olympiasiege und holte Bronze mit der StaffelBild: David G. McIntyre/Zumapress/picture alliance

Selbst der mit Abstand erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, US-Schwimmlegende Michael Phelps, war überrascht über Marchands Coup. Es sei das "wahrscheinlich größte Double in der Geschichte des Sports", sagte Phelps, der einst selbst von Bowman trainiert worden war.

Phelps noch weit weg - vorerst

Marchand wurde in diesen Tagen von Paris häufig mit dem großartigen Schwimmer aus den USA verglichen, der in seiner Karriere insgesamt 23 olympische Goldmedaillen gewann. Mit 22 Jahren hat Marchand noch Zeit, seinen Medaillen-Rückstand aufzuholen. Aber ohne so starke Staffeln wie jene der USA in der Ära Phelps dürfte es ein schwieriges Unterfangen sein. Dennoch fühlt sich der Schwimmer aus der Stadt Toulouse geschmeichelt, nun in einem Atemzug mit US-Schwimmlegenden genannt zu werden.

"Ehrlich gesagt, bin ich sehr stolz darauf, wenn man mich mit Mark Spitz [siebenmal Gold bei Olympia 1972 in München - Anm. d. Red.] oder Michael [Phelps] vergleicht," sagt Marchand. "Die Jungs sind Legenden. Sie haben den Sport für immer verändert. Ich vergleiche mich nicht mit ihnen. Ich denke, sie standen weit darüber. Und alles, was sie erreicht haben, ist erstaunlich."

Die französischen Sportfans sind da weniger bescheiden. Sie feiern Marchand als neuen Nationalhelden. Er selbst beginnt erst allmählich zu ahnen, welche Wirkung seine glanzvollen Olympia-Auftritte auf sein Heimatland haben. "Ich habe das Gefühl, dass meine Erfolge Paris eine Woche lang verändert haben", schwärmt der Schwimmstar. "Es war magisch hier. Es war erfolgreich. Die Olympischen Spiele waren unglaublich. Jeder hat den Sport verfolgt, und das ist wirklich selten und ganz besonders für uns Athleten."

Diese gegenseitige Zuneigung wurde nie deutlicher als bei Marchands Sieg im Brustschwimmen, dem zweiten Teil des "unmöglichen" Doppel-Triumphs: Jedes Mal, wenn er auftauchte, um Luft zu holen, brüllte das Publikum "Allez!" (Los!). "Am Anfang hat es mich fast geschockt, dass 15.000 Menschen mir zujubelten", erinnert sich Marchand an diesen Moment. "Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Und ich habe diese Energie wirklich genutzt, um so schnell wie möglich zu schwimmen. Dieser Jubel bei jedem Atemholen - das war schon ziemlich verrückt."

In den USA Selbstvertrauen getankt

Marchand wird sich darauf einstellen müssen, dass nach seinem spektakulären Erfolg bei Olympia 2024 in Paris sein ganzes Leben ziemlich verrückt werden dürfte, inklusive aller Versuchungen, die der plötzliche Ruhm mit sich bringt. Doch dem Franzosen geht es nach eigenen Worten auch weiterhin vor allem darum, seine sportlichen Grenzen auszuloten.

"Ich weiß nicht, wie schnell ich sein kann oder wo meine Grenzen liegen", sagt Marchand der DW. "Deshalb trainiere ich jeden Tag so hart wie möglich, um dorthin zu gelangen. Das Schöne am Schwimmen ist, dass es um Zeiten geht. Wir wissen nie, was wir erreichen können. Und ich bin einfach nur aufgeregt und neugierig darauf."

Das Schwimmen wurde Marchand geradezu in die Wiege gelegt. Seine Mutter Céline Bonnet startete bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona, sein Vater Xavier Marchand bei den Spielen 2000 in Sydney. Léon Marchand lebt und trainiert seit drei Jahren in den USA. Das habe sich ausgezahlt, findet der Schwimmstar, der in Paris neben viermal Einzelgold auch noch Bronze mit der französischen Lagenstaffel gewann. "Ich bin wirklich dankbar für das, was ich in den USA gelernt habe", sagt Marchand. "Ich habe eine Menge Selbstvertrauen gewonnen. Die Menschen dort können über ihre Ambitionen sprechen. Sie haben keine Angst, zu versagen." Marchand anscheinend auch nicht.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.