Olympiasiegerin Caster Semenya: "Es ist niemals vorbei"
8. Oktober 2025
Die zweimalige Olympiasiegerin Caster Semenya hat Berichte zurückgewiesen, wonach sie ihren juristischen Kampf gegen die Regeln zur Geschlechtszugehörigkeit im Leistungssport aufgegeben habe. "Wir kämpfen für immer", sagte die Südafrikanerin gegenüber der Deutschen Welle.
Im Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Semenya einen Teilerfolg in ihrem jahrelangen Rechtsstreit beschert. Das Gericht urteilte, dass ein Schweizer Berufungsgericht ihren Fall nicht sorgfältig genug geprüft habe. Dieses Urteil lässt die Möglichkeit weiterer rechtlicher Schritte gegen den Leichtathletik-Weltverband World Athletics offen.
Vergangene Woche zitierte die Nachrichtenagentur Associated Press Semenyas Anwalt Patrick Bracher mit den Worten, die Klage werde "unter den gegebenen Umständen nicht weiterverfolgt".
In einem Interview mit der Deutschen Welle auf der Sportkonferenz "Play the Game" im finnischen Tampere deutete Semenya jedoch an, dass Bracher möglicherweise falsch wiedergegeben wurde.
"Es geht nicht darum, aufzuhören - es ist niemals vorbei", sagte Semenya. "Sie haben nicht verstanden, was mein Anwaltsteam gesagt hat. Es ist nicht das Ende, es ist erst der Anfang, um sicherzustellen, dass wir für die richtige Sache kämpfen. World Athletics ändert ständig seine Richtlinien. Mit den neuen Regelungen kämpfen wir ununterbrochen. Wir wollen sicherstellen, dass Athletinnen geschützt werden."
"[Die Gerichtsverfahren] sind nicht unbedingt vorbei", fügte Semenya hinzu. "Ich habe noch nicht entschieden, ob wir den juristischen Weg weitergehen. Ich warte noch darauf, dass mein Anwaltsteam alles abschließend klärt."
Erbitterter Rechtsstreit seit 2018
2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro gewann Caster Semenya über 800 Meter olympisches Gold. Sie wurde mit einer sogenannten "Differences of Sexual Development" (DSD) geboren - einer genetischen Besonderheit, die in ihrem Fall bedeutet, dass sie X- und Y-Chromosomen besitzt und deutlich höhere Testosteronwerte aufweist als die meisten Frauen.
Während ihrer aktiven Karriere führte der Leichtathletik-Weltverband - damals noch unter dem Namen IAAF bekannt - neue Regeln ein, die Athletinnen mit DSD dazu verpflichteten, ihren Testosteronspiegel zu senken. Die Begründung: Ihre körperliche Konstitution verschaffe ihnen einen unfairen Vorteil im Frauenwettbewerb. Semenya jedoch lehnte es ab, Medikamente zur Unterdrückung ihres natürlichen Hormonspiegels einzunehmen.
Das Urteil des EGMR ist der jüngste Schritt in einem langjährigen juristischen Tauziehen, das 2018 begann, als Semenya ihren Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) brachte. Sie argumentierte, die Regelungen des Verbandes seien diskriminierend und verletzten ihre Menschenrechte. Sowohl der CAS als auch das Schweizer Bundesgericht entschieden zugunsten von World Athletics.
"Wenn man mit bestimmten körperlichen Merkmalen geboren wird, dann sind das eben die eigenen Merkmale - und sie machen einen nicht automatisch zu einer großartigen Athletin", sagte Semenya, die heute 34 Jahre alt ist. "Man wird durch Training, harte Arbeit, tägliche Präsenz und Hingabe zur Spitzensportlerin. Nicht wegen des Körpers, den man bekommen hat."
Kritik an der Führung von World Athletics
Inzwischen hat World Athletics seine DSD-Regeln überarbeitet und verlangt nun von allen Athletinnen, sich einem Geschlechtstest zu unterziehen. Präsident Sebastian Coe erklärte im Juli: "Wir sagen: Auf Elite-Niveau muss man biologisch weiblich sein, um in der Frauenkategorie antreten zu dürfen."
Wird bei einer Athletin das sogenannte SRY-Gen festgestellt - es befindet sich auf dem Y-Chromosom und löst die Entwicklung männlicher Merkmale aus - darf sie nicht mehr in der Frauenkategorie antreten.
Allerdings sind solche Tests in einigen Ländern, darunter Frankreich und Norwegen, aus nicht-medizinischen Gründen gesetzlich verboten. Das erschwert die Umsetzung der neuen Regelungen erheblich.
"Solche Regelungen sind nicht sicher für den Sport", sagte Semenya. "Sie stellen die Qualität der Führung infrage, die wir derzeit haben. Das ist schwache Führung, denn man kann keine Regeln durchsetzen, von denen man weiß, dass sie in manchen Ländern illegal sind.
Wenn man regulieren will, muss man fair für alle regulieren. Das ist es, was wir fördern sollten - nicht Mittelmaß. Es geht nicht um Regulierung, sondern darum, dass Menschen Macht über andere Menschen ausüben."
Gespräch mit Imane Khelif
Die neue Regelung von World Athletics ähnelt der von World Boxing, wo ebenfalls verpflichtende Geschlechtertests eingeführt wurden. Hintergrund war eine Kontroverse bei den Olympischen Spielen in Paris im vergangenen Jahr: Zwei Boxerinnen - Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan - wurden beschuldigt, 2022 und 2023 nicht näher definierte Geschlechtstests nicht bestanden zu haben.
Khelif hat ihren Fall inzwischen vor den CAS gebracht und die Regelungen von World Boxing angefochten. Semenya berichtete, dass sie mit der algerischen Athletin in Kontakt stehe.
"Wir haben gesprochen, und ich sagte zu ihr: 'Schau, du musst verstehen: In dieser Welt wird alles, was besonders oder schön ist, immer kritisiert'", sagte Semenya. "Als Frauen, die eine ähnliche Situation erlebt haben, müssen wir mutig sein, für Gerechtigkeit kämpfen und uns selbst lieben, so wie wir sind."
Sie ermutige jede Athletin, für sich zu kämpfen, wenn es ihr helfe. Doch Semenya macht keinen Hehl daraus, wie sehr sie der jahrelange Rechtsstreit persönlich belastet hat: "Es nimmt dir etwas von deiner Persönlichkeit, es nimmt dir deine Verletzlichkeit. Die Leute werden immer eine Meinung über dich haben. Du musst deine echten Gefühle unterdrücken. Du darfst keine Schwäche zeigen. Es kostet dich die Person, die du bist."