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SportGlobal

Olympiasiegerin Semenya wird diskriminiert

11. Juli 2023

Seit Jahren kämpft Läuferin Caster Semenya gegen den Leichtathletik-Weltverband. Es geht um zu hohe Testosteronwerte. Der Menschenrechtsgerichtshof gibt ihr recht. Starten darf sie aber immer noch nicht.

Läuferin Caster Semenya bein einem Wettkampf
Die südafrikanische Olympiasiegerin Caster Semenya führt seit langem einen Rechtsstreit um Testosteron-VorschriftenBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Olympiasiegerin Caster Semenya hat in ihrem langjährigen Rechtsstreit gegen die umstrittene Testosteron-Regel des Leichtathletik-Weltverbandes World Athletics (WA) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einen wichtigen Sieg gefeiert - ihre Klage gegen die Schweiz war erfolgreich. Die Südafrikanerin sei diskriminiert worden, urteilten die Richter mit einer 4:3-Mehrheit.

Was macht der EGMR?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. 

Was stellt der Gerichtshof fest?

Der EGMR stellte nun fest, dass Semenya bei den vorangegangenen Gerichtsverfahren in der Schweiz ein wirksamer Rechtsbehelf verweigert wurde. Sie habe glaubwürdig dargelegt, warum sie wegen ihres erhöhten Testosteronspiegels diskriminiert werde. Für solche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und sexueller Merkmale brauche es "sehr gewichtige Gründe" als Rechtfertigung. Weil für Semenya so viel auf dem Spiel stand, hätte ihr Anliegen besser geprüft werden müssen, so die Richter.

Welche Folgen hat das Urteil?

Das Urteil hat für die 32-Jährige allerdings zunächst weitgehend nur symbolischen Charakter, da es die WA-Regel an sich nicht infrage stellt und Semenya damit auch keine Rückkehr geebnet wird.

Wie reagiert der Leichtathletik-Weltverband?

Der Leichtathletik-Weltverband wird ungeachtet des Urteils des Europäischen Gerichtshofes seine Testosteron-Vorschriften zunächst nicht ändern. World Athletics will vielmehr die Schweizer Regierung in der Entscheidung ermutigen, den Fall an die Große Kammer des EGMR zu verweisen, um "eine endgültige Entscheidung" zu treffen. 
"In der Zwischenzeit bleiben die DSD-Bestimmungen, die vom Exekutivkomitee von World Athletics im März 2023 genehmigt wurden, in Kraft", hieß es in einer Stellungnahme. Der internationale Dachverband halte die Transgenderregeln "weiter für ein notwendiges, angemessenes und verhältnismäßiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie". 

Semenya feiert ihre Goldmedaille nach dem 800-Meter-Finale der Frauen bei der Leichtathletik-WM 2009 in BerlinBild: AP

Was war passiert?

Semenya gewann 2012 und 2016 Olympia-Gold über 800 Meter, darf aber seit 2019 aufgrund der vom Weltverband World Athletics im November 2018 eingeführten, sogenannten Testosteron-Regel nicht mehr bei internationalen Rennen über ihre Paradestrecke antreten. Ihren Protest gegen ihr Startverbot trug Semenya zunächst vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Dieser entschied gegen sie, wogegen sie Beschwerde vor dem Schweizer Bundesgericht in Lausanne eingereicht hat. Das Bundesgericht wies diese jedoch ab. Semenya wandte sich deshalb an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Worum geht vor Gericht?

Im Kern des Rechtsstreits geht es um ein Testosteron-Limit für Athletinnen mit intersexuellen Anlagen. Die neueste Version der Regel verlangt, dass Sportlerinnen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) ihren Testosteronwert im Blut auf unter 2,5 Nanomol pro Liter senken und diesen Wert zwei Jahre lang unterschreiten müssen, um in der weiblichen Kategorie antreten zu können. Die dreimalige Weltmeisterin lehnt dies ab. Die Regel gilt mittlerweile für alle Disziplinen und nicht mehr wie bisher für die Laufstrecken von 400 m bis zu einer Meile. WA hatte die Regel eingeführt, um die Integrität der Frauen-Kategorie zu schützen.

Was will Semenya erreichen?

"Alles, was wir möchten, ist die Erlaubnis, frei zu laufen, jetzt und für immer, als die starken und furchtlosen Frauen, die wir sind und immer waren", hatte Semenya gesagt, als sie ihre Klage einreichte: "Bei diesem Kampf geht es nicht nur um mich, sondern darum, Stellung zu beziehen und für Würde, Gleichheit und die Menschenrechte von Frauen im Sport zu kämpfen."

ck/og (dpa, sid)