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TechnikAsien

Olympia in Tokio: Ohne Technik läuft nichts

Sarah Wiertz
5. August 2021

Medaille, Ruhm und auch Geld: Viel hängt für die Olympia-Teilnehmenden davon ab, wer es auf das Podium schafft. In Renndisziplinen können Menschen das oft nicht gerecht entscheiden - die Technik aber schon.

Swiss-Timing-Mitarbeiter bei der Zeitmessung
Bild: Sarah Wiertz/DW

Es sind die letzten fünf Meter: Wasser spritzt, Köpfe tauchen ein und auf, Hände sind kaum auszumachen. Wer hat zuerst angeschlagen? Schwimmer, Trainer, Journalisten - sie alle schauen nach dem 100 Meter Freistil-Finale der Männer gebannt hoch zur Anzeigetafel: 47,02 Sekunden. Caeleb Dressel aus den USA ist Olympiasieger 2021 - sechs hundertstel Sekunden schneller als der Australier Kyle Chalmers.

Der ungläubige Blick auf die Anzeigetafel: Ja, Caeleb Dressel ist Olympiasieger über 100 Meter FreistilBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Eine Entscheidung, die mit dem bloßen Auge - ohne technische Hilfsmittel - nicht zu treffen ist. Von der für die Sportlerinnen und Sportler jedoch so viel abhängt: Medaille, Ruhm - und auch Geld. "Wir dürfen keine Fehler machen. Wir haben eine besondere Verantwortung", sagt Alain Zobrist, Chef von Swiss Timing, einer Schwestergesellschaft der Firma Omega, die bereits seit den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles für die Zeitmessung verantwortlich ist. "Schließlich kann man Athleten nicht bitten, das Rennen nochmal zu wiederholen."

Wie genau kann die Zeit im Sport gemessen werden?

Beim Schwimmen gibt es seit 1968 am Beckenrand ein Touchpad. Bei ihrer Zielankunft berühren es die Schwimmer und stoppen dadurch ihre Zeit selbst. "Diese Technik, die jetzt übrigens auch beim Sportklettern eingesetzt wird, haben wir über die Jahre verbessert: Aber es beruht noch auf demselben Prinzip", erklärt Zobrist.

Dass sechs hundertstel Sekunden über Medaillen, Teilnahmen oder Disqualifikationen entscheiden, erscheint kurios. 1972 etwa unterlag der US-Amerikaner Tim McKee im Finale über 400 Meter Lagen dem Schweden Gunnar Larsson mit einem Rückstand von zwei Tausendsteln. Das sind umgerechnet zwei Millimeter - und das im Wasser.

Swiss Timing-Chef Alain Zobrist: "Wir dürfen keine Fehler machen."Bild: Omega

"Wir könnten auf die Millionstel Sekunde genau messen. Die Geräte werden jedoch kalibriert, entsprechend dem Regelwerk der einzelnen Sportverbände." Der Internationale Schwimmverband entschied damals, dass nur Hundertstelsekunden gemessen werden sollen. Das führte 2016 bei den Spielen in Rio zu dem Kuriosum, dass es beim 100-Meter-Schmetterling-Finale der Männer gleich drei Silbermedaillen-Gewinner gab: Michael Phelps, Chad Le Clos und Laszlo Cseh hatten alle bis auf die Hunderstel genau zeitgleich angeschlagen. Bei Disziplinen mit höherer Geschwindigkeit - im Radsport beispielsweise - wird die Zeit aufgrund des Regelwerks dagegen mit drei Stellen hinter dem Komma angezeigt.

Wie funktioniert das Zielfoto?

Neben der Zeitstoppfunktion visualisiert das Zielfoto, wie eng Sieg und Niederlage oft beieinander liegen - und kann manchmal sogar die noch bessere Antwort liefern. Beim Straßenradrennen am Fuße des Mount Fuji war der Sieger klar auszumachen. Aber war der Belgier Wout van Aert (oben) oder der zweimalige Tour de France-Sieger Tadej Pagacar aus Slowenien (unten) Zweiter?

Ohne Zielfoto ist der Zweitplatzierte nicht zu ermitteln: van Aert (oben) wird Olympia-Zweite vor PagacarBild: Peter De Voecht/imago images/Panoramic International

Beim Zielfoto macht die Kamera von den ersten fünf Millimetern der Ziellinie 10.000 Fotos – pro Sekunde. Die Bilder werden dann übereinander gelegt und so erhält man das vor allem aus dem Fernsehen bekannte Zielfoto.

"Fast immer liegen nach spätestens 15 Sekunden die Zeiten und Zielbilder vor", sagt Zobrist. Geprüft und freigegeben werden sie dann aber immer von den offiziellen Kampfrichterinnen und -richtern.

Wann wird ein Start als Fehlstart bewertet?

Zu mehr Gerechtigkeit hat der Fortschritt in der Startsignal-Technik geführt. Hat die Startschuss-Pistole früher diejenigen bevorzugt, die näher an der Pistole waren und den Knall minimal früher gehört haben, so ist sie heute elektronisch mit Lautsprechern verbunden, die jeweils direkt hinter jedem einzelnen Startblock positioniert und überall simultan zu hören ist.

Die meisten Sportler begrüßen die technischen Errungenschaften - sorgen sie doch für objektive und faire Ergebnisse. Mit den neuen Entwicklungen beim Startblock hingegen hadert so mancher Läufer. Dort sind an den Fußstützen des Startblocks Sensoren eingebaut, die die Reaktionszeit der Läufer messen.

Zobrist erklärt: "Wer schneller als eine Zehntelsekunde nach dem Schuss lossprintet, wird disqualifiziert". Denn so schnell auf einen Laut zu reagieren sei physisch nicht möglich. Das passiert in der Leichtathletik recht häufig, beispielsweise beim 100-Meter-Finale der Männer, das der Brite Zharnel Hughes vorzeitig verlassen musste.

Zharne Hughes, Dritter von unten, reagiert schneller als menschlich möglichBild: Kyodo/picture alliance

Insgesamt gibt es bei den Spielen in Tokio 350 Anzeigetafeln. 200 Kilometer Kabel wurden verlegt. 400 Tonnen ist die Ausrüstung schwer. 530 professionelle Zeitmesser und 900 Freiwillige sorgen für den reibungslosen Ablauf. Das, was die Olympischen Spiele jedoch ausmacht, sind vor allem die persönlichen Geschichten, der mitreißende Kampfeswille der Athleten, deren unvergessliche Emotionen - das alles kann die Technik nicht bieten. Das können nur die Sportlerinnen und Sportler auslösen.

Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online
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