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"Oma, lass uns den 'Schokoladenkönig' wählen"

Roman Goncharenko, z.Zt. Kiew25. Mai 2014

Die Ukraine wählt einen neuen Präsidenten. In der Hauptstadt Kiew ist der Andrang in den Wahllokalen trotz der Hitze sehr groß. Umfragen sehen den Milliardär Petro Poroschenko vorne.

Großer Andrang in einem Wahllokal im elitären Kiewer Stadtteil Petscherski (Foto: DW)
Bild: DW/R. Goncharenko

Antonina Wassiljewna sucht Hilfe bei ihrer Enkelin Mascha: "Wen soll ich wählen?" Die Frau Anfang 60 in einem weißen Kleid steht an diesem Sonntagvormittag (25.05.2014) in einem Wahllokal im elitären Kiewer Stadtteil Petschersk. Durch geöffnete Fenster dringt hochsommerlich heiße und schwüle Luft hinein. Der Raum ist überfüllt. Etwa 50 bis 60 Menschen stehen in mehreren Schlangen, um ihre Stimme abzugeben. Die meisten sind Rentner und warten geduldig - andere wollen später wiederkommen. Die Behörden scheinen überfordert. "Der Andrang ist deutlich größer als wir erwartet haben und wir haben nicht genug Personal", erzählt ein Mitglied der Wahlkommission. Außer langen Wartezeiten laufe jedoch alles nach Plan.

Petro Poroschenko und Julia Timoschenko gelten als die Favoriten bei der PräsidentenwahlBild: YURIY DYACHYSHYN/AFP/Getty Images

"Oma, lass uns den 'Schokoladenkönig' wählen", sagt die achtjährige Mascha. Sie meint den 48-jährigen Politiker und Geschäftsmann Petro Poroschenko. Der Milliardär besitzt unter anderem die frühere Karl-Marx-Süßwarenfabrik, die seit Sowjetzeiten wegen ihrer "Kiewer Torten" sehr beliebt ist. "Du darfst aber nicht so viel Süßes, Schatz", antwortet die Großmutter und lächelt. "Dann lass uns Julia Timoschenko wählen, sie ist hübsch", schlägt die Enkelin vor. "Aber Schönheit ist noch nicht alles", antwortet die Oma skeptisch. Sie will nicht warten und entscheidet sich dazu, später widerzukommen. "Wahrscheinlich werde ich mich erst in der Wahlkabine entscheiden, wen ich wähle", sagt sie.

Korruptionsvorwürfe gegen Timoschenko

Irina will mit ihrer bestickten Bluse zeigen, dass sie für die Einheit der Ukraine istBild: DW/R. Goncharenko

Unter den 21 Kandidaten sind Poroschenko und Timoschenko die zwei Favoriten bei der vorgezogenen Präsidentenwahl in der Ukraine. Umfragen zufolge liegt Poroschenko mit 30 bis 40 Prozent deutlich vor der ehemaligen Ministerpräsidentin, die rund 20 Prozent der Stimmen bekommen könnte.

"Ich habe für Poroschenko gestimmt, weil er ein guter Geschäftsmann ist", sagt Wolodymyr, Mitte 60. Timoschenko dagegen findet er "korrupt". "Wir haben doch nicht vergessen, dass sie mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Pawlo Lasarenko in den 1990er Jahren zusammengearbeitet hat", sagt der Mann. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sauber ist." Lasarenko wurde unter anderem wegen Korruption in den USA verurteilt und saß über zehn Jahre im Gefängnis.

"Timoschenko hatte schon ihre Chance zu regieren, jetzt sind andere dran", sagt Irina, eine Diplom-Mathematikerin und Hausfrau Ende 30, die vor einem benachbarten Wahllokal steht. Auch hier gibt es eine Riesenschlange. Wie viele Menschen auf Kiews Straßen trägt Irina eine "Wyschywanka", eine ukrainische Nationaltracht mit einem roten Muster. "Ich will damit zeigen, dass ich für Einheit der Ukraine bin", sagt Irina.

Hoffnung auf Frieden mit Poroschenko

Im vergangenen Winter hat sie bei den proeuropäischen oppositionellen Protesten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) mit gefiebert. Auf die Barrikaden ging sie nicht. "Aus Angst", sagt sie. Auch Poroschenko solidarisierte sich damals mit den Demonstranten, sprach auf der Bühne und versorgte die Protestler mit warmem Essen. Nun will sie ihn zum Nachfolger des nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch wählen. Dass Poroschenko ein schwerreicher Oligarch ist und seinen Fernsehsender, den 5. Kanal, für Eigenwerbung nutzt, stört sie nicht. "Die anderen tun es auch", sagt die Frau.

Alla und Artem hoffen, dass ein Präsident Petro Poroschenko der Ukraine Frieden bringtBild: DW/R. Goncharenko

Auch Alla und Artem, beide Mitte 20, haben für Poroschenko gestimmt. "Wir hoffen, dass er Frieden in die Ukraine bringen kann", sagt Artem, ein IT-Fachmann. "Vielleicht wird er ein Präsident des Übergangs sein, und danach kommt jemand noch besseres", fügt seine Freundin, eine Flugbegleiterin, hinzu.

Möglicher Sieger im ersten Wahlgang

Von rund einem Dutzend Menschen, die die Deutsche Welle auf Kiews Straßen befragt hat, sagte nur eine Frau Mitte 20, sie habe Timoschenko gewählt. "Ich habe das aus Frauensolidarität gemacht", sagt sie. "Timoschenko hat wie kaum ein anderer Politiker in der Ukraine gelitten und ihre Präsidentschaft verdient." Die Oppositionspolitikerin verbrachte mehr als zwei Jahre hinter Gittern und kam erst nach der Revolution im Februar frei. Das Parlament hob ihre Verurteilung wegen angeblichen Amtsmissbrauchs bei der Unterzeichnung von Gasverträgen mit Russland auf.

Wenn die ganze Ukraine so abstimmt, wie es im Kiewer Stadtteil Petschersk zu sein scheint, dürfte Poroschenko bereits im ersten Wahlgang gewinnen. Der 'Schokoladenkönig' steht möglichweise kurz davor, auf den Thron zu steigen.

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